Das dritte Kostüm. Irene Dorfner

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Название Das dritte Kostüm
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738018509



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keinen Anstand oder einen Funken Verständnis für den Schmerz Ihres Sohnes? Er hat gerade erfahren, dass seine Frau ermordet wurde und sie reden nur dummes Zeug! Wenn Sie jetzt noch einen unqualifizierten Kommentar von sich geben, werde ich Sie auf der Stelle verhaften. Haben Sie mich verstanden?“

      „Schon gut, ist ja schon gut, ich sag ja nichts mehr. Die Wahrheit will man nicht hören, das kenne ich schon von meinem Sohn. Aber wenn Sie wollen, bin ich halt ruhig.“

      „Wir haben die Information, dass Sie Ihre Frau über eine Partnervermittlung kennengelernt haben?“

      „Ja, ich weiß, wie das klingt und was man in Kastl für Blödsinn erzählt. Es ist nicht so, dass ich mir meine Frau aus dem Katalog rausgesucht hätte und sie dann sofort geheiratet und mit auf den Hof gebracht habe. Ich habe meine Frau geliebt, von ganzem Herzen – und meine Frau mich auch, da bin ich mir sicher. Niemals hätten wir geheiratet, wenn wir uns nicht lieben würden.“

      „Wie lief das ab? Wie müssen wir uns das vorstellen? Wie sind Sie auf diese Partnervermittlung gekommen?“

      „Bei einem Zusammentreffen des Bauernverbandes kam ich mit einigen Kollegen ins Gespräch. Wir haben uns darüber unterhalten, wie schwer es ist, als Bauer eine vernünftige Frau zu finden. Natürlich gibt es viele heiratswillige Frauen auf den Nachbarhöfen, aber auch wir wollen nicht irgendeine Frau, sondern eine fürs Herz und auch fürs Auge. Sie glauben ja nicht, welche Krautscheuchen rumlaufen, schrecklich!“ Bei dem Gedanken schüttelte es Sepp Zirbner und Leo musste aufgrund der Bezeichnung schmunzeln. „Einer der Kollegen,“ fuhr Zirbner fort, „hat mich dann zur Seite gezogen und mir von dieser Partneragentur in Waldkraiburg erzählt. Zuerst fand ich die Idee total verrückt und dachte ähnlich wie Sie und alle anderen. Die Vorstellung, dass man sich eine Frau quasi aus dem Katalog aussucht ist doch vollkommen irre. Aber die Idee keimte in mir und irgendwann war ich so weit, dass ich mir die Adresse der Agentur von dem Kollegen besorgt habe. Ich hab dort angerufen und wurde sofort freundlich eingeladen. Am nächsten Tag bin ich nach der Arbeit nach Waldkraiburg gefahren. Es war schon spät, aber die freundliche Frau hat mir versichert, dass sie extra für mich länger da bleibt. Vor der Agentur habe ich lange gezögert, habe all meinen Mut zusammengenommen und bin schließlich rein. Nach einem ausführlichen Gespräch bekam ich eine Mappe mit den hübschesten Frauen, die man sich vorstellen kann. Und alle würden liebend gerne einen deutschen Mann heiraten. Ich konnte mir das überhaupt nicht vorstellen. Jede einzelne dieser Schönheiten könnte ohne Probleme an jedem Finger zehn Männer haben. Aber die Angestellte hat mir versichert, dass das alles heiratswillige Frauen sind, die einen deutschen Mann suchen, da deutsche Männer in Russland einen sehr guten Ruf genießen. Sie gelten dort als ehrlich, liberal und fleißig – und als Garant für einen gesicherten Lebensstandard. Das klang für mich einleuchtend. Warum auch nicht?“ Sepp Zirbner machte eine kurze Pause und besah sich lächelnd seine Hände. „Ich habe mich sofort in das freundliche, hübsche Gesicht von Katharina verliebt. Nachdem ich sie gesehen habe, wurden die anderen für mich uninteressant, ich wollte nur die Katharina haben, sonst keine. Die Agentur hat dann alles in die Wege geleitet. Nach drei Wochen haben sie nochmal bei mir nachgefragt, ob ich immer noch an Katharina interessiert wäre. Und ob ich interessiert war. Ich habe Tag und Nacht nur noch an diese Frau gedacht. Katharina bekam zwischenzeitlich meine Unterlagen und war nach Aussage der Agentur-Mitarbeiterin zu einem Treffen und einem Kennenlernen bereit. Als die Mitarbeiterin der Agentur mir das mitteilte, war ich überglücklich. Ich konnte es kaum erwarten, bis ich sie endlich leibhaftig vor mir hatte und sie kennenlernen durfte. Nachdem alle Formalitäten erledigt waren und ich die Kosten für das Flugticket überwiesen hatte, konnte es endlich losgehen. Ich habe sie am Flughafen in München mit einem riesigen Blumenstrauß abgeholt. Ich weiß noch, dass ich nervös war wie ein Schulbub. Und dann stand sie vor mir und lächelte mich an. Sie war noch schöner als auf den Fotos. Für unser Treffen hat sie sogar einige Worte Deutsch gelernt, ich fand das richtig goldig. Wir mochten uns auf Anhieb und haben zwei Tage gemeinsam in München verbracht. Das war die schönste Zeit in meinem Leben.“

      „Und der Karl und i haben die ganze Arbeit allein gmacht. Des erzählst ned, gell? Des is ned wichtig, dass dei alte Mutter zuhaus garbeitet hat, während sich der Herr Sohn mit dem Flitscherl in der Stadt vergnügt hat.“

      Hans drohte ihr mit dem Finger und sie war sofort wieder ruhig.

      „Wir haben dann einige Wochen fast täglich miteinander telefoniert. Anfangs nur holprig, aber Kathi hat fleißig Deutsch gelernt und so konnten wir uns immer mehr unterhalten. Dann konnte ich sie glücklicherweise dazu überreden, ihre Zelte in Russland abzubrechen und zu mir zu kommen. Als sie nach drei Monaten wieder in München gelandet ist, haben wir sofort geheiratet.“ Die warmen Worte des Witwers wurden durch seine Mutter abermals jäh unterbrochen.

      „Sag den Polizisten, was das alles kost hat!“

      „Das geht nur mich was an. Und wehe, du sprichst noch einmal über die Kosten. Ich bin alt genug und kann mit meinem Geld anfangen, was ich will. Und die Kathi war jeden Cent wert. Ich habe noch nie einen so lieben Menschen kennengelernt.“ Seine Mutter lachte laut los und schenkte sich ein weiteres Bier ein.

      „Welchen Bezug hatte Ihre Frau zu Fasching?“

      Die Großmutter holte wieder Luft und wollte erneut etwas sagen, aber Hans Hiebler zeigte ihr die Handschellen, woraufhin sie sofort verstummte.

      „Ich weiß es nicht. Vermutlich keinen! Feiert man in Russland überhaupt Fasching? Ich weiß es nicht. Wir hatten so wenig Zeit miteinander, immer war die Arbeit auf dem Hof wichtiger. Für Karl und mich ist die Arbeit kaum zu bewältigen. Die Kathi hat uns zwar etwas entlastet, aber wir brauchen dringend männliche Unterstützung. Ich suche schon lange nach einer zusätzlichen Arbeitskraft, aber niemand möchte die schwere Arbeit machen. Fasching,“ wiederholte er und dachte nach. „Nein, mir fällt dazu nichts ein. Wie kommen Sie auf Fasching? Ist das wichtig?“ Sepp Zirbner sank in sich zusammen und war fix und fertig. Leo entschied, nicht weiter darauf einzugehen.

      „Sie sprachen vorhin von einer Freundin Ihrer Frau. Kennen Sie sie?“

      „Natürlich kenne ich sie, das ist die Milla, Name und Anschrift hängt dort an der Pinnwand. Sie war ein paar Mal hier, wobei sie sich regelmäßig mit meiner Mutter angelegt hat. Die Milla ist nicht auf den Mund gefallen und sagt, was sie denkt. Meine Mutter haben Sie ja kennengelernt.“

      „Und Sie Karl? Wissen Sie etwas über die Kathi?“

      Der 17-jährige Karl schüttelte heftig den Kopf. Er hatte bisher kein Wort gesagt, hörte aber interessiert zu.

      „Ich hab doch gsagt, dass der Karl ned richtig ist im Kopf. Er versteht zwar a bisserl was, aber er spricht ned.“

      „Wir müssen nach Ihrer aller Alibis fragen. Wo waren Sie am Freitagnachmittag zwischen 13.00 Uhr und 16.00 Uhr?“

      „Ich war im Stall, eine der Kühe hat gekalbt und da gab es Komplikationen, der Karl war bei mir.“

      „Zeugen?“

      „Leider nein. Wir wollten den Tierarzt rufen, aber dann ist es doch ohne ihn gegangen.“

      „Und Sie Frau Zirbner? Wo waren Sie in der fraglichen Zeit?“

      „Wo soll i scho gwen sei? Hier natürlich! I bin immer hier, tagaus und tagein. Obwohl i meiner Lebtag immer garbeit hab, is mir auf die alten Tag keine Ruhe vergönnt. Die Russin hat sich immer einfach freignommen, da hat keiner was gsagt. Immer hab i ihre Arbeit übernehmen müssen. Na, i werd arbeiten müssen, bis i sterb.“

      „Haben Sie ein Alibi? Hat Sie irgendjemand gesehen? Haben Sie telefoniert?“ Frau Zirbner schüttelte nur den Kopf.

      „Kam es wirklich öfter vor, dass Ihre Frau einige Tage einfach nicht nach Hause gekommen ist? Ich finde das ungewöhnlich.“

      „Sie sehen doch selbst, in welchem Umfeld meine Frau leben musste. Sie hat ab und zu eine Auszeit gebraucht, das kann ich verstehen. Wenn es später geworden ist, hat sie schon mal bei ihrer Freundin geschlafen, auch mal zwei Tage bei ihr verbracht. Ich habe ihr das gegönnt, warum auch nicht?“

      „Auszeit, wenn i des scho hör!