Das dritte Kostüm. Irene Dorfner

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Название Das dritte Kostüm
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738018509



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verschwinden und neu anzufangen. Natürlich hätten wir ihr geholfen. Aber sie war sehr konservativ erzogen worden und wollte noch warten, ob sich nicht doch noch das Leben auf dem Hof grundlegend ändert. Sie hat gesagt, sie liebt ihren Sepp und möchte bei ihm bleiben. Trotz allem.“

      „Kennen Sie Karl Zirbner?“

      „Natürlich kenne ich den armen Kerl, der in seinem jungen Leben schon sehr viel Mist erleben musste und der von der eigenen Großmutter ebenfalls drangsaliert wird. Aber er spricht nicht. Ich bin mir aber sicher, dass er die Katharina sehr gemocht hat, zumindest mochte Katharina den Karl sehr gerne. Nachdem mich Katharina gebeten hat, nicht mehr auf den Hof zu kommen, haben wir uns immer an der Kreuzung zum Pestfriedhof getroffen. Das war weit genug vom Zirbner-Hof entfernt. Seitdem habe ich den Karl nicht mehr gesehen und Katharina hat wenig über ihn gesprochen. Erlauben Sie, dass ich jetzt auch eine Frage stelle? Wie wurde die Kathi getötet? Wurde sie vergewaltigt?“

      „Nein. Sie wurde betäubt und dann mit einer Überdosis Insulin getötet. Sie hatte nicht leiden müssen, bekam von ihrem Tod überhaupt nichts mit,“ sagte Hans entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten. Diese Ludmilla war eine tolle Frau, so eine ehrliche, intelligente und hübsche Frau traf er nicht oft. Aber seine Lucrezia war ihm natürlich lieber.

      „Insulin? Was erzählen Sie mir denn da. Was hatte Katharina mit Insulin zu tun?“ Sie musste abermals weinen, sprang auf und rannte wieder aus dem Zimmer.

      „Sie müssen Milla entschuldigen, aber sie weint nie vor anderen, auch nicht vor mir. Sie hat so ihre kleine Macken und ich lasse sie so, wie sie ist, denn genau so möchte ich sie haben. Bis Ludmilla wieder hier ist, könnten Sie doch Ihre Fragen an mich stellen, sofern Sie welche haben.“

      „Sie kannten Katharina?“

      „Natürlich. Milla darf ihre Freunde jederzeit mitbringen. Je mehr los ist, desto besser. Ich freue mich über jede Abwechslung. Eine sehr hübsche und gut erzogene Frau. Ich habe leider nur wenig mit ihr gesprochen, sie war sehr schüchtern mir gegenüber. Auf diesem Bauernhof bin ich nie gewesen und kenne daher die Familie Zirbner nicht persönlich. Ich kenne sie nur aus den Erzählungen meiner Milla, die sich sehr über die alte Frau Zirbner geärgert hat. Sie kann sie sehr gut nachäffen und wir haben beide schon oft Tränen gelacht.“

      Ludmilla kam zurück und setzte sich wieder zu Konrad Hauptmann.

      „Wo waren Sie beide am letzten Freitag zwischen 13.00 Uhr und 16.00 Uhr?“

      „Ich war mit Konrad beim Mittagessen. Danach hatte er einen Termin beim Physiotherapeuten. Die Adresse schreibe ich Ihnen gerne auf. Gegen 16.00 Uhr waren wir zuhause, haben zusammen Kaffee getrunken. Danach sind wir noch eine Runde um den Block. Es muss halb 6 gewesen sein, bis wir wieder zuhause waren.“

      „Kann das irgendjemand bezeugen?“

      Jetzt lachten beide. Das erste Mal, dass Ludmilla lachte.

      „Die Frau Meister von gegenüber kann das sicher bezeugen. Die Frau mag mich nicht. Sie hält mich für eine Schlampe und erzählt das auch in der ganzen Nachbarschaft, die zum Glück nicht nur aus dummen Menschen besteht. Mit den meisten komme ich nämlich sehr gut aus. Frau Meister beobachtet jeden unserer Schritte. Sie steht immer mit dem Fernglas am Fenster und glaubt, dass wir sie nicht sehen. Am Freitag hat sie uns bestimmt auch beobachtet, wie an jedem anderen Tag auch,“ sagte Ludmilla.

      „Meine Milla ist ein richtiges Miststück. Sie ärgert Frau Meister, wo sie nur kann. Sie läuft vor dem Haus besonders aufreizend und gibt mir ab und zu ein Küsschen, was ich mir natürlich gerne gefallen lasse. Sie zieht ihren Rock immer etwas höher und bückt sich übertrieben langsam, wogegen ich natürlich auch nichts habe. Sie reizt die gute Frau bis aufs Blut. Sie müssen wissen, dass sich Frau Meister nach dem Tod meiner Frau sehr um mich bemüht hat, was mir sehr unangenehm war, denn Frau Meister war mir noch nie sympathisch gewesen. Sie brachte mir Essen, kleine Aufmerksamkeiten und hat mich fast täglich zu irgendetwas eingeladen. Ständig stand Frau Meister vor meiner Tür oder lief mir irgendwo auch immer über den Weg. Das war sehr lästig. Eines Tages kam sie mit mehreren Reisekatalogen an und hat mich tatsächlich gefragt, ob ich sie auf eine Kreuzfahrt begleiten möchte, was ich natürlich sofort abgelehnt habe. Die spinnt doch völlig. Warum sollte ich mit einer Nachbarin in Urlaub fahren? Nachdem Ludmilla hier zuerst täglich gearbeitet und dann kurz darauf eingezogen ist, sind diese Aufmerksamkeiten natürlich ausgeblieben. Sie können sich vorstellen, dass ich darüber nicht unglücklich bin. Aber seitdem beobachtet Frau Meister uns auf Schritt und Tritt und wir ärgern die Gute, wo wir nur können. Es ist zwar menschlich nicht fair, aber es macht richtig Spaß.“ Konrad Hauptmann lachte wie ein kleiner Junge und man konnte sehen, wie gut ihm die Gesellschaft der jungen Frau tat. Ludmilla gab Hans einen Zettel mit der Adresse des Physiotherapeuten.

      „Dann war es das fürs erste. Vielen Dank für Ihre Unterstützung und die offenen Worte.“

      Schon beim Verlassen des Hauses sahen sie Frau Meister am Fenster mit einem Fernglas. Sie spähte zwischen den Gardinen auf das Hauptmann-Haus.

      „Hat der Frau noch niemand gesagt, dass man sie sehr gut sehen kann? Die blamiert sich ja bis auf die Knochen.“ Leo war erschrocken über die Dreistigkeit der Nachbarin.

      „Wenn du ihr das mitteilen willst, mach das. Ich für meinen Teil sage ihr kein Wort, soll sie sich doch blamieren. Was sieht sie auch den ganzen Tag aus dem Fenster und beobachtet ihre Nachbarn,“ sagte Hans trocken, der neugierige Menschen nicht leiden konnte.

      Sie klingelten bei Frau Meister, denn wenn sie nun schon mal hier vor Ort waren, konnten sie sich das Alibi auch gleich bestätigen lassen. Wer weiß, vielleicht hatte die Frau etwas beobachtet, das für die Polizei wichtig war? Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ihnen geöffnet wurde. Vor ihnen stand eine biedere Frau Mitte 60, die früher bestimmt auch keine Schönheit gewesen war.

      „Mein Name ist Leo Schwartz, Kriminalpolizei Mühldorf, das ist mein Kollege Hiebler. Dürfen wir reinkommen?“

      „Du großer Gott,“ flüsterte sie erschrocken, „Kriminalpolizei? Natürlich, bitte kommen Sie herein.“

      Sie führte die beiden in das düstere Wohnzimmer, das über und über mit Kissen und vor allem mit Puppen und Teddybären jeder Größe und Form vollgestopft war. Hans setzte sich auf die Couch und quetschte sich zwischen die vielen Dekorationsstücke. Leo zog es vor, lieber zu stehen.

      „Wir kommen eben von Ihrem Nachbarn Herrn Hauptmann.“

      „Ach ja? Wissen sie, ich kümmere mich nicht um meine Nachbarn. Es ist lange her, dass ich mit Konrad gesprochen habe, seit er seine junge Freundin hat. Geht es ihm gut? Hat seine Russin etwas verbrochen? Mir war ja sofort klar, dass das mit den beiden nicht lange gut gehen kann und dass sie diesen Mann irgendwann ausnimmt wie eine Weihnachtsgans; man kennt das ja aus dem Fernsehen. Nun sagen Sie schon, geht es Konrad gut? Nehmen Sie die Russin gleich mit?“

      „Aber nein Frau Meister, Frau Petrovka hat nichts angestellt und Herrn Hauptmann geht es sehr, sehr gut. Wir brauchen nur eine Bestätigung von Ihnen, wo Ihre Nachbarn letzten Freitagnachmittag zwischen 13.00 Uhr und 16.00 Uhr waren.“

      Frau Meister strahlte Leo an, stand auf und holte ein Notizbuch vom Fenster, das neben dem Fernglas lag.

      „Da haben Sie aber Glück, dass ich ein sehr gewissenhafter Mensch bin und mir alles aufschreibe, was bei Konrad los ist. Lassen Sie mich sehen,“ blätterte sie in ihrem Notizbuch. „Am Freitag sind die beiden gegen Mittag weg. Seit einigen Monaten ist Konrad nicht mehr so gut auf den Beinen, was mit Sicherheit auch an der Pflege der Russin liegt. Können Sie sich vorstellen, dass die Russin ihn jetzt mit dem Rollstuhl im Auto chauffiert? Sie müssten überprüfen, ob sie hier in Deutschland überhaupt einen gültigen Führerschein hat. Ich denke nicht. Wir müssen verhindern, dass Konrad verletzt wird, wenn er sich vollkommen ahnungslos zu ihr in den Wagen setzt. Er ist ihr ja völlig ausgeliefert! Ach der Konrad ist so ein netter Mensch, aber wie alle Männer lässt er sich viel zu sehr beeinflussen. Ich kann mir schon vorstellen, wie die Russin den armen Mann so bequatscht, dass er ihr aus der Hand frisst. Naja, mich geht das ja alles nichts an. Hier habe ich es ja! Die beiden sind um 12.00 Uhr weggefahren