Das dritte Kostüm. Irene Dorfner

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Название Das dritte Kostüm
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738018509



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Aber sei’s drum – jetzt war er endlich an der Reihe!

      „Im Großen und Ganzen hat sich der Bericht, den ich Herrn Schwartz telefonisch übermittelt habe, bestätigt,“ begann er seinen Bericht, den er sich auf der Rückfahrt aus München zurechtgelegt hatte. Auch am gestrigen Sonntag hatte er noch daran gefeilt und war gut vorbereitet. Ursprünglich wollte er seinen ausführlichen Bericht mit Fachwissen spicken, um die Kollegen damit zu ärgern und um ihnen dadurch zu suggerieren, dass er ihnen haushoch überlegen war. Aber Krohmer hatte ihn vorhin darum gebeten, vor dem neuen Kollegen sachlich zu bleiben und seine Ausführungen so einfach wie möglich zu halten. Nicht, dass sich der neue Kollege dumm vorkommt. Natürlich musste Fuchs sich fügen, schließlich war Krohmer der Chef. Jetzt musste er sich jeden Satz genau überlegen, bevor er etwas sagte. Er räusperte sich und fuhr fort, da nun alle Aufmerksamkeit auf ihm lag. „Die Todesursache konnte eindeutig nachgewiesen werden. Das Opfer wurde betäubt und dann mit einer Überdosis Insulin getötet. Ich habe mehrere Kopien des Pathologieberichts angefertigt,“ sagte Fuchs nicht ohne Stolz und zog aus seiner Tasche sauber angefertigte Berichte, die er reihum gab.

      „Insulin?“

      „Das sagte ich eben. Der Tod trat durch eine Überdosis Insulin ein, die dem Opfer durch die Bauchdecke verabreicht wurde. Zum Glück wurde die Leiche schnell genug gefunden, denn je mehr Zeit nach dem Tod durch eine Überdosis Insulin verstreicht, desto geringer wird die Möglichkeit, Insulin im Körper nachzuweisen. Schon nach vier bis fünf Stunden hat man fast keine Chance mehr für einen Nachweis.“

      „Insulin also. Wie hoch muss die Dosis sein? Wo kommt das Insulin her?“

      „Im vorliegenden Fall wurde eine sehr hohe Dosis verabreicht, woraus ich schließe, dass der Täter die tödliche Dosis nicht kannte oder sicher gehen wollte, dass das Opfer auf jeden Fall stirbt. Die Herkunft des Insulins ist nicht nachweisbar. Insulin ist in Deutschland verschreibungspflichtig. Das heißt, dass das Medikament nur gegen ein gültiges Rezept ausgehändigt wird. Es sei denn, es handelt sich um einen Notfall und dem Apotheker ist bekannt, dass der Patient Diabetiker ist. Und auch dann kommt es häufig vor, dass sich die Apotheken aufgrund von späteren Repressalien weigern, Insulin auszuhändigen und rufen lieber den Notarzt oder verweisen auf das nächste Krankenhaus.“

      „Ich glaube ja, dass man leicht an Insulin rankommt, auch wenn die Gesetze noch so streng sind.“

      „Ganz so einfach ist das in Deutschland nicht, Kollege Hiebler. Auch wenn ein Arzt anruft und um Insulin bittet, darf der Apotheker dieses Medikament nicht ausgeben. Aber,“ und dabei sah er in die Runde und machte dabei eine längere Pause, „in Österreich ist es kein so großes Problem, an Insulin ranzukommen. Bei unseren Nachbarn sind die Gesetze anders gelagert und man bekommt Insulin in fast jeder Apotheke und sogar über den Online-Medikamentenhandel, wenn man seinen Wohnsitz in Österreich hat. Aber das zu umgehen ist eine Kleinigkeit. Soweit ich informiert bin, ist die Insulinbeschaffung in Tschechien und Polen ebenfalls einfach. Allerdings gibt es dort nur inländische Beipackzettel und es gelten dort andere Medikamenten-Gesetze, wodurch es für einen Patienten gefährlich sein kann, sich dort mit Insulin zu versorgen, denn die vom Arzt festgestellte Dosis sollte strikt eingehalten werden.“

      „Womit wurde das Opfer betäubt?“

      „Der Pathologe tippt auf KO-Tropfen, aber dazu stehen noch einige Tests an.“

      „Im Grunde genommen auch egal, denn solche Substanzen kann man sich in Deutschland problemlos übers Internet oder auf dem Schwarzmarkt besorgen,“ sagte Leo. „Viel wichtiger ist das Insulin. Aber wenn das in anderen Ländern problemlos zu beschaffen ist, dann verschwenden wir damit nur unnötig Zeit.“

      „Danke für den ausführlichen Bericht, Kollege Fuchs. Dann wissen wir jetzt endlich die Todesursache, die für meine Begriffe sehr ungewöhnlich ist, fast human,“ sagte Krohmer.

      „Was soll denn an einem Mord human sein? Gut, das Opfer musste nicht leiden, aber Mord ist Mord. Ob nun human, oder nicht,“ sagte Leo.

      „So habe ich das nicht gemeint. Aber die Todesursache sollten Sie nicht aus den Augen verlieren. Es sieht so aus, als ob der Täter sein Opfer nicht leiden lassen wollte, was nach einem persönlichen Bezug zum Opfer aussieht. Oder nach einer Frau.“

      „Chef, das glauben Sie jetzt aber nicht selber, oder? Das Opfer wurde zwar ordentlich am Pestfriedhof platziert, was durchaus Ihre Theorie unterstützen würde. Aber für mich sieht es so aus, als sollte die Leiche nicht so schnell gefunden werden, wodurch die Todesursache nicht mehr nachweisbar gewesen wäre. Ich schlage vor, dass wir für alles offen sind und so ermitteln, als wäre jeder verdächtig. Der Täter muss keine Frau sein und er muss auch nicht aus dem persönlichen Umfeld des Opfers kommen.“ Viktoria wurde immer besonders misstrauisch, wenn Fakten allzu deutlich waren, und sie konnte es überhaupt nicht leiden, wenn solche Vermutungen besonders zu Beginn der Ermittlungen ausgesprochen wurden.

      „Wie dem auch sei,“ sagte Krohmer, der sich über die Belehrung ärgerte. Eine entsprechende Antwort lag ihm schon auf der Zunge, aber wegen des neuen Kollegen hielt er sich zurück. „Wir sollten nun mit Hochdruck zuerst daran arbeiten, herauszufinden, um wen es sich bei der Toten handelt. Irgendjemand muss sie doch vermissen.“

      „Ach du großer Gott,“ rief Frau Gutbrod laut und zog einen Zettel aus ihrer Jackentasche. „Vorhin bekam ich einen Anruf von einer Frau Schmied aus Kastl wegen der unbekannten Toten in der Zeitung. Sie ist sich sicher, dass Sie die Tote kennt,“ las sie vom Zettel ab.

      Krohmer sah seine Sekretärin vorwurfsvoll an, denn diese Information hätte sie umgehend weiterleiten müssen. Sie suchten schließlich nach der Identität des Opfers, das durfte ihr doch inzwischen nicht entgangen sein. Natürlich bemerkte Frau Gutbrod den Blick und fügte schnell hinzu: „Ich habe Frau Schmied umgehend hierher beordert. Sie dürfte eigentlich schon hier sein.“ Sie sprang auf und lief direkt zum Empfang, wo eine 52-jährige Frau saß und wartete.

      „Sind Sie Frau Schmied?“ Die Frau stand auf und nickte. „Mein Name ist Gutbrod, wir haben heute miteinander gesprochen. Schön, dass Sie so schnell kommen konnten. Kommen Sie bitte mit, die Kommissare sind schon gespannt auf Ihre Aussage.“

      Frau Gutbrod brachte die Zeugin direkt ins Besprechungszimmer.

      „Setzen Sie sich bitte. Sie kennen die Tote?“

      „Ja und ich bin mir ganz sicher. Das ist Katharina Zirbner vom Zirbner-Hof in Kastl. Ich kenne sie von meinen Spaziergängen, einer meiner Wege führt nahe am Zirbner-Hof vorbei. Dort haben wir das eine oder andere Wort gewechselt, wenn ich sie allein angetroffen habe und die alte Zirbnerin nicht auf sie aufgepasst hat. Die alte Zirbnerin ist ein schreckliches Weib, immer mürrisch und dazu auch noch boshaft – und mittendrin die feine, freundliche und sehr hübsche Katharina, die auch in Arbeitskleidung immer top ausgesehen hat. Schon lange habe ich vermutet, dass das mit der Katharina nicht gut endet.“

      „Wie meinen Sie das?“

      „Na, der Zirbner Sepp hat die Katharina quasi aus dem Katalog gekauft, das weiß in Kastl jeder. Was glauben Sie, was das für ein Skandal war, als der Sepp mit einer Russin ankam. Sie wird niemals in Kastl akzeptiert werden, immer eine Außenseiterin bleiben. Für eine junge Frau ist das der Horror. Und dazu die schwere Arbeit und die böse Schwiegermutter. Katharina hatte Freude an Musik und Kultur. Beides ist für den Sepp nichts, der kennt außer dem Schützenverein und der Feuerwehr doch nichts. Er geht ja nicht mal ins Wirtshaus. Sein Leben ist die Arbeit auf dem Hof. Früher war der Zirbner-Hof ziemlich runtergewirtschaftet. Sepps Eltern hatten versäumt, Geld in den Hof zu investieren und zu modernisieren. Sie haben viel zu lange an dem alten Zopf festgehalten, das geht irgendwann schief. Als der Sepp das Ruder nach dem Tod seines Vaters übernahm, ging er mit Eifer an die Arbeit und hat den Hof wieder auf Vordermann gebracht. Wenn man heute daran vorbeigeht, kann man die Veränderung kaum glauben. Der Sepp hat Tag und Nacht gearbeitet. Kein Wochenende, kein Urlaub, einfach nichts. Jeden Cent hat er in den Hof gesteckt und nur noch dafür gelebt. Da bleibt das Privatleben natürlich auf der Strecke.“

      „Wie und wo hat dieser Sepp Zirbner seine Frau kennengelernt?“

      „Ich weiß