Das dritte Kostüm. Irene Dorfner

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Название Das dritte Kostüm
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738018509



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hier nicht gefallen, als ob es in Russland besser wär. Es is guad, das des Flitscherl weg is.“

      „Halt den Mund“, rief Sepp Zirbner und wollte auf die alte Frau los, aber Hans hielt ihn zurück.

      „Is doch wahr. Die Kathi hat immer gmeint, sie wär was Besseres. Hier auf dem Hof war ihr alles zu dreckig, sie wollt im Grunde nix damit zu tun haben. Sie hat meinen Sepp angefleht, abends wegzugehen und wollt sich amüsieren, anstatt anständig zu leben und zu arbeiten. Es ist lange her, dass sie in der Kirche war. Sie hat immer gsagt, dass das nicht ihr Gott wäre und sie einen anderen Glauben hat. Aber sie war nun mal mit meinem Sepp verheiratet und hat hier gelebt. Da muss man sich halt anpassen. Was hat sie sich denn vorgestellt, als sie von Russland kam und den Sepp geheiratet hat? Sie hat doch gewusst, dass er Bauer ist und die Arbeit nie ausgeht. Der liebe Gott hat sie bestraft.“

      „Halt endlich dein Maul Mutter“, schrie Sepp Zirbner verzweifelt. „Die Kathi war jung, das Leben hier war ihr fremd, irgendwann hätte sie sich vielleicht doch eingelebt. Und sie hat sich angestrengt, ihre Arbeit so gut wie möglich zu machen, aber dir kann man es nun mal nicht recht machen, du hast die Kathi immer nur beschimpft. Und glaub ja nicht, dass ich nicht gesehen habe, dass du sie geschlagen hast.“

      „Des hot ihr ned geschadt, die paar Renner sind ned der Red wert! Sie war halt langsam und i hob sie a bisserl antriebn, mehr ned. I bin 79 Jahre alt und muss in meinem Alter immer noch aufm Hof helfen. Wenn du a richtige Frau gheirat hättst, müsst i des längst nicht mehr. Wenn das dein Vater wüsst, Gott hab ihn selig, der würd sich im Grab rumdrehen. Eine Russin als Bäuerin, des konnt ja ned gutgehen. Ich sag Ihnen was,“ wandte sie sich an Leo nun betont hochdeutsch. Er stand dicht neben ihr und konnte nicht fassen, was die Alte von sich gab, „Als die Kathi auf den Hof kam und mein Sepp sie vorgestellt hat, habe ich sie verflucht. Ja, Sie hören richtig, ich habe ihr die schlimmsten Flüche entgegengeworfen. Ich hab den Krieg als Kind erlebt und die Russen waren schlimm, sehr schlimm, heute will das natürlich keiner mehr wissen. Die Grenzen sind für alle offen und diese Barbaren können ungehindert in unser Land kommen und alles legal an sich reißen. Ich wollt keinen Russen im Haus haben und mein Bub bringt einfach eine von dem Gsindel mit. Und jetzt hat der liebe Gott uns von der Russin erlöst, er hat meine Gebete erhört. Hätte mein Sohn damals die Maria vom Nachbarhof geheiratet, wäre alles gut gegangen. Aber mein Sepp wollt die Maria nicht haben. Gut, sie war recht schiach, is sie auch heit noch. Aber sie kann arbeiten und wäre richtig für den Hof gewesen.“

      Der Redeschwall der Alten wurde durch einen langen, durchdringenden Schrei des jungen Mannes unterbrochen, der sich dabei auch noch die Ohren zuhielt. Sepp Zirbner sprang auf und sprach beruhigend auf den Mann ein, während die Alte sich ein Stück der Wurst abschnitt und seelenruhig weiteraß.

      „Der Karl ist ned ganz richtig im Kopf,“ sagte die Alte mit vollem Mund. „Des is des Balg meiner Tochter, wer der Vater is, weiß man ned. Sie wollt den Karl in ein Heim gebn, weil bei ihm im Alter von 5 Jahr festgstellt wordn is, dass er a Depperl is. Des hab i scho immer gsagt, aber mir wollt keiner glauben. Aber der Sepp hat ned duldet, dass der Karl in ein Heim kommt. Er hat a viel zu weiches Herz, von mir hat er des ned! Er hat den Karl eines Tages einfach hier auf den Hof bracht, des ist jetzt schon über 12 Jahr her. Auch wenn das mein Enkel ist, ghört der ned hierher, man muss sich vor den Nachbarn scho schämen. Aber was soll ich machen? Dem Sepp gehört der Hof und er entscheidet. Obwohl ich zugebn muss, dass der Karl ein guter Arbeiter is. Trotzdem wäre es mir lieber, wenn er nicht hier wär. Die Schand ist einfach zu groß. Überall wird man auf den Karl angsprochen. Schrecklich.“

      „Halt endlich dein Maul, sonst jag ich dich endgültig vom Hof,“ sagte Sepp Zirbner nun, woraufhin die Alte nur laut lachte.

      „Es steht im Erbvertrag, dass ich hier ein lebenslanges Wohnrecht hab, des hat der Vater so festglegt. Ich hab schon oft gsagt, dass du mich nie los wirst. Ich bleibe so lang hier, bis i stirb.“

      „Entschuldigen Sie meine Mutter, sie ist ein böses Weib und in ihrem Alter wird sie sich auch nicht mehr ändern. Wie ist die Kathi gestorben?“ Die Stimme des riesigen Mannes war nun leise und er sah Leo traurig an.

      „Sie lag am Pestfriedhof. Sie wurde betäubt und dann mit einer Überdosis Insulin getötet. Gibt es Insulin auf Ihrem Hof? Ist jemand von Ihnen zuckerkrank?“

      „Nein, keiner. Und Medikamente haben wir auch nur sehr wenige, Sie können sich gerne unsern Medizinschrank im Bad ansehen.“

      „Nicht nötig, ist schon gut,“ sagte Leo, der immer noch von dieser alten Frau und ihrer bösen Zunge geschockt war. Wie schlimm muss das Leben sein, wenn man Tag und Nacht mit einem solchen Drachen zusammenleben muss? „Sie besitzen Vieh?“

      „Ja, wir haben Rinder, 120 Stück.“

      „Donnerwetter,“ sagte Hans, der nachvollziehen konnte, was das für eine Arbeit für zwei Männer sein musste. „Werden die mit Medikamenten behandelt?“

      „Nein, auf keinen Fall. Ich habe schon vor Jahren auf Biobetrieb umgestellt und da sind die Vorschriften sehr streng. Keine Medikamente! Sie können gerne unsere Unterlagen einsehen, den Tierarzt befragen oder Blutproben unserer Tiere entnehmen. Sie werden keine Medikamente nachweisen können, meine Tiere sind absolut sauber. Ich verabscheue diesen Mastwahn auf der ganzen Linie und weiß nicht, wo das noch hinführt. Gesunde Tiere werden mit künstlichem Futter und Medikamenten zugrunde gerichtet, es zählt nur noch das Schlachtgewicht, mehr nicht. Ob das Fleisch für die Verbraucher irgendwann negative Folgen haben wird, ist doch der Fleischindustrie vollkommen egal. Statt diesen Wahnsinn zu durchbrechen, werden immer neue Auflagen und Gesetze geschaffen, die kein Mensch braucht. Man muss doch nur seinen gesunden Menschenverstand einsetzen und die Tiere artgerecht halten und füttern. Dann haben wir qualitativ hochwertiges und gesundes Fleisch. Aber bei uns hat nicht der Verbraucher das Sagen, sondern die großen Industriekonzerne, die die Verbraucher so lange mit ihrer Werbung, angeblichen Qualitätsmerkmalen und Laboruntersuchungen zutexten, bis sie es schließlich glauben. Für mich gibt es nur die Biohaltung, die sehr teuer und aufwändig ist. Aber für mich gab und gibt es nur diese Möglichkeit, meinen Hof zu führen.“

      „Für mi is des immer no a Schmarrn mit dem Biozeigs, aber mi fragt ja keiner. Früher hätts des net braucht. Aber der Sepp is der Chef, i halt mi da raus.“

      „Halt endlich deinen Mund Mutter, der Kommissar fragt mich und nicht dich. Du verstehst sowieso nichts davon, obwohl ich es dir schon so oft erklärt habe. Wann wurde die Kathi getötet?“

      „Am Freitagnachmittag. Haben Sie Ihre Frau nicht vermisst?“

      „Natürlich habe ich sie vermisst. Sie ging ab und zu mit einer Freundin weg, außer ihr hatte sie keine sozialen Kontakte. Die Kathi musste ab und zu raus, sich amüsieren, unter Leute gehen und etwas anderes sehen und hören, das habe ich immer verstanden und auch unterstützt. Sie hätte es gerne gehabt, wenn ich sie begleitet hätte, aber das war mir zu anstrengend, ich war einfach zu müde dazu. Ich gönnte ihr die Auszeit und vertraute ihr, oft war sie ja nicht weg. Und natürlich nur, wenn meine Mutter im Bett war, sonst hätte die wieder geschrien und gezetert. Ich habe gehofft, dass meine Frau sich irgendwann einlebt und mich versteht, dass ich einfach nicht anders kann. Am Sterbebett habe ich meinem Vater versprechen müssen, dass ich mich um den Hof und um die Mutter kümmere. So ein Bauernhof ist nicht leicht zu führen. Morgens früh raus, den ganzen Tag schuften – da ist man am Abend müde und will nur noch seine Ruhe. Wenn ich ehrlich bin, habe ich davor Angst gehabt, dass sie irgendwann wieder geht, denn ich konnte sie verstehen. Das war kein Leben für sie. Sie war sehr belesen, liebte klassische Musik und war früher als Kind mit ihren Eltern weit gereist. Sie kannte Länder, von denen ich noch nie gehört habe und hat mir stundenlang mit leuchtenden Augen davon erzählt. Ich habe längst begriffen, dass die Kathi für ein anderes Leben geboren war, nicht für das Leben auf einem Bauernhof. Aber ich wollte es nicht wahrhaben. Das Leben, das sie verdient hätte, konnte ich ihr nicht bieten. Immer nur die schwere Arbeit und kein Vergnügen, die Kathi war ja erst 30 Jahre alt und für dieses Leben viel zu gescheit und viel zu jung.“

      „Zu jung? Des Flitscherl wollt ned arbeiten, war ein faules Weib. Mi hat doch früher auch keiner gfragt, ob i arbeiten will. Und als i den Vater gheiratet hab,