Название | Die Brücke zur Sonne |
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Автор произведения | Regan Holdridge |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754170441 |
Vorsichtig schlich Patty die Treppe hinab in den Wohnraum, wo sie sicherheitshalber stehenblieb, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich alleine war. Jedes Knacken des Holzes ließ sie zusammenzucken und sie horchte angestrengt, ob nicht irgendwo doch eine unbekannte Gefahr auf sie lauerte. Während sie so dastand, am Ende der Stufen, drang mit einem Mal ein Poltern an ihr Ohr. Jemand klopfte an die Tür! Regungslos hielt Patty den Atem an und horchte angestrengt, doch das Pochen kam nicht wieder. Dafür erklang plötzlich eine rufende, männliche Stimme von draußen: „Hallo! Ist jemand zu Hause?“
Entsetzt fuhr Patty herum. Wer, um Himmels Willen, konnte etwas von ihnen wollen?! Durch das Fenster, rechts neben der Haustür entdeckte sie unter den Stufen des Vorbaus ein goldbraunes Pferd mit schwarzen Beinen. Ein Mann stand daneben und blickte um sich, als suche er jemanden.
„Hallo!“, rief er jetzt noch einmal, diesmal langgezogen. „Ist denn niemand da?“
Pattys Herz raste und ihre Gedanken kreisten wild durcheinander. Was sollte sie tun? Hinausgehen? Sie kannte den Kerl nicht und ihre Mutter hatte ihr ein Leben lang eingeschärft, fremden Männern gegenüber vorsichtig zu sein. Wer konnte ihr garantieren, dass die seltsame Gestalt mit dem Pferd nicht ein entflohener Häftling oder ein gesuchter Verbrecher war, der sie womöglich als Geisel benutzen wollte? Aber vielleicht brauchte er ja auch ihre Hilfe und am Ende trug sie an einem schrecklichen Unglück die Schuld, weil ihr Mut sie im Stich gelassen hatte?
Noch während sie herumwirbelte, in der verzweifelten Hoffnung nach einem Ausweg, fiel Pattys Blick auf das rostige, unbrauchbare Gewehr über dem Kamin und endlich erkannte sie ihre Rettung. Mit zitternden Händen hob sie die Waffe von ihrer Halterung herab. Sie war schwerer, als das Mädchen erwartet hatte. Ungeschickt drückte sie sich den Kolben an den Oberarm, wie sie glaubte, es im Fernsehen, in den Westernserien ihres Vaters schon beobachtet zu haben. Es gelang ihr, sich soweit zu beruhigen, dass sie wenigstens ein mutiges Gesicht zu dieser verzwickten Situation machen konnte, auch wenn sie innerlich zitterte. Nach kurzem Zögern riss Patty die Haustüre auf und trat langsam hinaus unter das Vordach.
„Hey!“, rief sie unfreundlich und fand, dass es sich bereits erschreckend amerikanisch anhörte. „Sie da, auf dem Pferd!“
Erstaunt zügelte der Reiter seinen Wallach, den er bereits zu einer Wendung hatte ansetzen lassen, um wieder davonzureiten. Als er sich jetzt zu ihr herumdrehte, glaubte Patty, in ihm den jungen Mann mit dem rotblonden, lockigen Haar vom Vortag vor dem Saloon in Silvertown zu erkennen.
Entflohener Häftling! Von wegen! So dämlich kannst auch nur du sein, Patricia Lorena van Haren! Daran sind allein dein Vater und diese Bruchbude schuld!
Mit einem amüsierten, geradezu unverschämten Grinsen hob der Reiter kurz seinen hellbraunen Cowboyhut vom Kopf und meinte: „Na, da sieh einer an! Ich dachte schon, es seien alle ausgeflogen!“
„Sie haben aber schnell unsere Adresse herausgefunden!“ Die Waffe in ihrer Hand gab Patty ein Gefühl von Sicherheit. Misstrauisch blinzelte sie den jungen Mann im hellen Sonnenlicht an. „Aber ich muss Sie enttäuschen, meine Schwester ist in Ihre Filmstadt gefahren. Dort können Sie nach ihr suchen.“
„Trey Stockley“, stellte dieser sich mit gespielter Erschrockenheit vor. „Das nur, damit Sie meinen Namen wissen, wenn Sie mich unbeabsichtigt beerdigen müssen, junges Fräulein!“ Sein Pferd begann, ungeduldig mit dem Huf zu scharren und er tätschelte es beruhigend am Hals. „Ich stimme dir vollkommen zu: Aus irgendeinem Grund, der mir noch verborgen geblieben ist, scheinen wir der englischen Lady nicht zu gefallen!“
Sein witzelnder Tonfall weckte den Zorn in Patty, der im Moment ohnehin an der Oberfläche brodelte. Er schien sie nicht einmal für ernst zu nehmen!
„Was mit Ihnen passiert, liegt allein in Ihrer Hand!“ Verächtlich rümpfte sie die Nase. „Musst du übrigens nicht zu deinen Rindviechern zurück, damit sie nicht abhauen…Cowboy?“
Er sah tatsächlich wie einer aus: Der Hut, die beige Jeanshose, die Stiefel und die braune Lederjacke.
„Ach, die kennen mich! Die wissen, dass bei mir brav dageblieben wird!“ Er zwinkerte übermütig und pfiff leise durch die Zähne. „Ehrlich gesagt wäre mir wesentlich wohler, wenn Sie mit dem Gewehr nicht auf mich, sondern auf den Boden zielen würden. Ich meine nur, falls sich ein Schuss löst. Ich weiß nicht, ob Ihre Schwester unbedingt mein Grab ausheben möchte.“
Wütend hob Patty die Waffe wieder ein wenig höher, denn allmählich wurden ihre Arme lahm, von dem schweren Gewicht.
„Hoffentlich sind Sie sich darüber im Klaren, dass das vielleicht Ihre letzte Möglichkeit gewesen ist, sich über mich lustig zu machen?“
„Oh, Sie missverstehen mich völlig! Ich habe sogar gewaltigen Respekt vor kleinen Mädchen mit großen Gewehren!“ Nachdenklich kratzte er sich das glattrasierte Kinn. „Komisch. Jetzt ist es mir doch tatsächlich entfallen!“
„Was ist Ihnen entfallen?“, fragte Patty prompt und der Zorn über sein triumphierendes Grinsen ließ sie rot anlaufen. Sie wusste nicht recht weshalb, aber er machte sie wahnsinnig mit seiner ironischen Art!
„Ihre fabelhafte Vorstellung hat mich ganz aus dem Konzept gebracht, weshalb ich eigentlich hergeschickt worden bin.“ Scheinbar zutiefst entsetzt über seine Vergesslichkeit starrte er Patty aus seinen blitzenden, hellblauen Augen an.
„Dann brauchen Sie meine wertvolle Zeit ja nicht weiter unnötig zu verschwenden! Außerdem werden Sie von Ihren vierbeinigen Freunden bestimmt schon sehnsüchtig erwartet!“ Patty grinste boshaft. „Rechts neben dem Windrad ist der Ausgang. Nur als kleiner Tipp, damit Sie sich nicht verirren!“ Sie liebte ihre Schlagfertigkeit, mit der sie jedes Duell gewinnen konnte. „Ach ja, als kleiner Ratschlag: Rechts ist hier drüben!“ Sie deutete ihm mit dem Gewehrlauf eifrig in die besagte Richtung.
„Dann seien Sie bloß vorsichtig, damit Ihnen nicht noch eine Horde meuternder Indianer begegnet und es auf Ihre wertvolle Winchester abgesehen hat!“, rief der Cowboy, nun doch ein wenig verstimmt, während er sein Pferd aus dem Stand angaloppieren ließ und es geschickt durch den schmalen Durchlass in der Hecke lenkte, hinaus in die Prärie.
„Verwöhnte Ziege“, murmelte er noch, doch das konnte Patty nicht mehr hören.
Erleichtert blickte sie ihm nach und wartete, bis sie sicher sein konnte, dass er nicht zurückkam. Der Hufschlag verstummte.
Das musste einer dieser Verrückten sein, von denen ihre Mutter berichtet hatte, einer von denen, die sich für Rinderhüter hielten und sich auch dementsprechend benahmen; die noch die Zeit von vor hundert Jahren zurückholen wollten, anstatt dem Fortschritt mit Maschinen den Vorrang zu gewähren. Wütend wandte Patty sich ab. So eine Nervensäge! Der Lauf des Gewehrs schlug mit einem dumpfen, lauten Knall gegen die Holzbohlen vor der Haustüre und hinterließ dort eine tiefe Schramme. Genervt packte sie die Waffe mit beiden Händen und trug sie, den Kolben nach oben, weit von sich gestreckt ins Haus zurück. Nur weg damit, bevor wirklich noch etwas passierte! Sie hatte ja keine Ahnung, wie man mit einem solchen Ding umzugehen hatte.
Mit einiger Mühe gelang es ihr, das Gewehr an seinen ursprünglichen Platz zurückzubefördern und sie ärgerte sich maßlos über ihr eigenes, idiotisches Benehmen. Hätte sie sich ruhig verhalten, wäre er vermutlich einfach wieder verschwunden! Jetzt erzählte er bestimmt überall herum, was ihm hier widerfahren war und wie kindisch sie sich benommen hatte.
Aus den Lautsprechern...
Aus den Lautsprechern des schwarzen, neu