Название | Die Brücke zur Sonne |
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Автор произведения | Regan Holdridge |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754170441 |
„Na?“
Das Mädchen drehte sich lächelnd zu ihrem Vater um. „Was meinst du?“, wollte sie wissen, weiter auf ihrem Apfel kauend. „Wann werden sie da sein?“
Ein Schmunzeln trat auf das Gesicht ihres Vaters. „Irgendwann heute, nehme ich an, aber du musst dich schon noch ein bisschen gedulden!“
„Glaubst du, dass seine Töchter und seine Frau genauso nett sind, wie Doktor van Haren?“
„Oh, ganz bestimmt!“ Ihr Vater tätschelte ihr kurz die Wange. „Was ist? Hast du deine Schularbeiten schon erledigt?“
Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Nein, um die kümmere ich mich später. Ich gehe jetzt Kitty holen und reite ein wenig aus. Vielleicht sind sie ja schon da!“
Mit einem Kopfschütteln strich ihr Vater sich über das eckige, markante Gesicht. „Selbst wenn, dann werden sie erstmal ihre Ruhe wollen und sich ein wenig von der langen Reise erholen! Du wirst sie wohl kaum vor dem Fest kennenlernen und ich im Übrigen auch nicht – falls es dich beruhigt.“
Seine Tochter seufzte und sprang mit einem Satz von der Brüstung. „Vielleicht doch! Sie wollen bestimmt gleich die Pferde sehen!“
Bedenkliche Falten bildeten sich auf der Stirn des Ranchbesitzers. „Nicht jedes Mädchen ist so verrückt nach Pferden wie du, Amy. Und vergiss nicht, dass die beiden aus einer Großstadt kommen, sie haben womöglich noch nie etwas mit Pferden zu tun gehabt.“
„Ach, Blödsinn!“, winkte seine Tochter überzeugt ab. „Jedes Mädchen will reiten! Das weiß ich ganz bestimmt! Und wenn sie erst einmal da sind, dann habe ich endlich Freundinnen, die nicht so weit weg wohnen, wie die anderen Mädchen!“
Ihr Vater schüttelte lächelnd den Kopf und beobachtete seine Tochter, wie sie über den Innenhof zu einer der Koppeln davonrannte.
„Hoffentlich“, murmelte er leise, zu sich selbst. „Ich wünsche es dir wirklich!“
Er wusste, dass die Abgeschiedenheit und die Entfernung bis zur Stadt nicht einfach für sein einziges Kind waren. Sie lebten hier schon so lange und zu Anfang schien es sie nicht gestört zu haben. Jedoch jetzt, da sie anfing zu wachsen, eine junge Frau zu werden, begann auch die Sehnsucht in ihr zu erwachen, mehr Menschen um sich haben zu haben, Freundinnen, die mit ihr in Zeitschriften blätterten und von Filmstars schwärmten, mit denen sie die Platten der angesagten Bands und Musiker hören konnte. So eine Person gab es hier weit und breit nicht. Die Kinder der umliegenden Ranches waren entweder viel älter oder aber jünger als seine Tochter und wohl auch deshalb war sie so besonders aufgeregt, dass dieser englische Arzt mit dem außergewöhnlichen Namen hier in die Nähe zog – weil er zwei Töchter mitbrachte, von denen die größere genauso alt war wie Amy.
* * *
Silvertown entpuppte sich als kleiner, verschlafener Ort mit knapp dreitausend Einwohnern, für den die Bezeichnung „Städtchen“ schon fast übertrieben schien. Es lag irgendwo inmitten der weiten, blühenden Ebene zwischen Shoshone und Arco im Süden Idahos und erweckte den Anschein, als sei es aus völlig unerfindlichem Grund genau an dieser Stelle aus dem Boden gestampft worden. Sanfte Hügel, die jetzt im Frühjahr mit saftigem Gras bedeckt waren, umgaben es nach allen Seiten und betteten es schützend zwischen ihre Anhöhen. Seine Blütezeit hatte der Ort in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebt, als riesige Rinderherden daran vorbei, in Richtung der großen Schlachthöfe im Nordwesten getrieben worden waren. Jetzt lebte es hauptsächlich vom Tourismus und den Arbeitsplätzen im knapp zwölf Meilen entfernten Summersdale. Ein glücklicher Zufall, der dem Städtchen sein Überleben gesichert hatte, während andere seiner Art längst in sich zusammenfielen – verlassen und von den meisten Menschen vergessen, bis auch das letzte Haus, das einst mit Mühe und Schweiß errichtet worden war, einstürzte und der Witterung zum Opfer fiel.
Der Straßenzug, der von West nach Ost im südlichsten Teil durch die Stadt führte, war der ganze Stolz Silvertowns und seiner Bürger, denn es handelte sich um die ehemalige, zur Gründerzeit errichtete Hauptstraße. Sie befand sich bis auf ein paar einzelne Gebäude noch in ihrem original historischen Zustand. Sanft schlängelte sich die mit Sand und Rollsplitt aufgefüllte Straße an den im Norden angrenzenden Wohnblocks und Neubaugebieten vorbei, während entgegengesetzt, hinter den letzten beiden Häuserreihen, die Prärie begann.
Gemächlich rollte der schwarze Jeep auf Silvertown zu. Zwischen den ersten Wohnhäusern entlang war die Straße geteert, ehe sie plötzlich scharf nach links abbog. Geradeaus, hinter einigen niedrigen, sichtversperrenden Bäumen begann die historische Altstadt, während der Verkehr gezwungen wurde, diese zu umfahren.
Matthew entdeckte vor dem großen Supermarkt eine freie Parklücke. Er trat aufs Gaspedal, um einem grünen Chevrolet zuvorzukommen, der ebenfalls den Parkplatz anvisierte. Mit offenem Mund verfolgte Rachel die Sandstraße, soweit sie diese hinter dem grünen Geäst der Bäume erkennen konnte.
„Was ist denn das? Soll ich etwa im nächsten Hollywoodwestern die Hauptrolle übernehmen?“
Irritiert blickte Jean um sich. „Wieso? Was war denn?“
Patty verdrehte die Augen. „Sperr einfach deine Augen auf, dann musst du nicht dauernd nachfragen!“
„Jetzt seid doch endlich friedlich!“, kommandierte Matthew, allmählich von dem ständigen Gezanke seiner Töchter redlich entnervt und lenkte seinen Wagen geschickt zwischen die beiden anderen Autos. „Kommt mit! So etwas habt ihr mit Sicherheit noch nie gesehen! Ich zeige euch jetzt etwas ganz Besonderes! Ihr werdet begeistert sein!“
Mit unübersehbarer Eile sprang er aus dem Wagen. Rachel warf ihrer jüngeren Tochter einen langen, Böses ahnenden Blick zu, dann folgte sie der Aufforderung ihres Mannes mit Widerwillen.
„Wenn es dein unverzichtbarer Wunsch ist…ich würde mich lieber in unserem neuen Haus zuerst ein wenig frisch machen. Die Fahrt in diesem Blechkasten war schließlich kein reines Vergnügen!“
„Nachher, mein Schatz, nachher“, versprach Matthew schnell und hakte ihren Arm bei sich unter. „Jetzt kommt erst einmal mit!“
Er führte sie über die wenig befahrene Straße, eine schmale Gasse hindurch, in der schreiend und kreischend eine Horde Kinder spielte und dann um das Eck eines hohen, braunen Holzgebäudes. Im nächsten Moment tat sich vor ihnen die leicht kurvige, ruhige Sandstraße auf. Sie erinnerte tatsächlich an einen Film, wie sie ihn alle aus dem Kino kannten.
Die Gebäude waren fast ausschließlich aus Holz errichtet. Dazwischen stachen einzelne, rote Klinkerbauten heraus. Zur linken Seite hinab befanden sich hauptsächlich die Geschäfte mit den typischen, falschen Fronten, auf denen ihre Bestimmung in bunten Farben aufgemalt war. Nach rechts lag dagegen eine Art Wohnviertel mit kleinen, gut hundert Jahre alten Häusern, die erhalten geblieben und liebevoll im alten, traditionellen Stil hergerichtet waren.
Häufig sprossen zwischen dem Sand und Splitt Unkraut und kleine Wildsträucher, die aber niemanden weiter zu stören schienen, sondern sorglos vor sich hin wucherten. Gerade das Grün verlieh der Stadt eine persönliche Note, ja, etwas Wahrhaftiges, das in den reinen Filmstädten mit ihren Außenfassaden fehlte. Nur wenige Bürger kamen um diese Tageszeit auf den breiten Holzbohlen vor den Gebäuden entlang. Diese dienten als eine frühe Form der Gehsteige, um zumindest stellenweise den Morast von den Schuhen fernzuhalten, in den sich der Sand bei Regen verwandelte.
„Jetzt sieht es zwar aus, als sei es bloß eine Straße“, sagte Matthew in die Stille hinein und er konnte seine heimliche Begeisterung nicht länger verbergen, „aber wenn am ersten Mai die Touristensaison beginnt, könnt ihr euch nicht vorstellen,