Die Brücke zur Sonne. Regan Holdridge

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Название Die Brücke zur Sonne
Автор произведения Regan Holdridge
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754170441



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kannst du dir sparen!“ Sie erwischte gerade noch den Griff ihrer Reisetasche, die Matthew aus dem Kofferraum heben wollte.

      „Unser Schlafzimmer befindet sich gleich oben rechts“, erwiderte er, ohne sie anzusehen und entriss ihr die Tasche. „Links ist das Bad und geradeaus noch ein Schlafzimmer. Hier.“ Er drückte seiner Frau den nächsten Koffer in die Hand.

      „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“ Wütend ließ Rachel die Gepäckstücke auf die Erde fallen.

      „Dein Mann“, antwortete Matt mit überlegener Ruhe und sah ihr dabei fest in die zornig blitzenden, grauen Augen.

      „Niemand zwingt mich, hierzubleiben, auch du nicht!“

      „Schön, dann geh!“ Matt deutete auf die Lücke zwischen den Büschen und zur Prärie hinaus. „Wenn du ein gutes Tempo vorlegst, kannst du wieder in Silvertown sein, bevor es dunkel wird.“

      Einen Moment herrschte Schweigen und knisternd, wie Strom geladene Luft, hingen die ungehaltenen Emotionen zwischen ihnen. Rachel überlegte fieberhaft.

      „Ein Jahr ist doch keine Ewigkeit und wir können auch noch anbauen, wenn dir das alles zu eng ist und von mir aus auch nochmal alles komplett sanieren! Das spielt doch keine Rolle. Geld spielt in unserem Leben doch niemals eine Rolle…“

      „In Ordnung“, lenkte Rachel plötzlich ein und lächelte leicht gequält.

      Völlig perplex hielt Matthew in seiner Bewegung inne. „Bitte?!“ Er hatte mit einem nie wieder endenden Streit, einem großen Zerwürfnis, womöglich Scheidung gerechnet.

      „Ich sagte, für heute bleibe ich! Ich habe keine Lust zu laufen! Schon gar nicht durch diese Gegend, in der ich mich nur verirren kann und wo mich am Ende noch ein Berglöwe zum Abendessen vernascht!“

      „Oho!“

      „Bilde dir nichts darauf ein!“, erteilte Rachel seiner aufsteigenden Freude einen unsanften Dämpfer. „Ich bleibe nur unter mehreren Bedingungen: Erstens, ich kaufe mir ein eigenes Auto und zweitens: Wir stellen eine Haushälterin ein und zwar morgen! Abgesehen davon werde ich einen Architekten suchen, der aus diesem…diesem Ding da vielleicht etwas zaubern kann!“

      „Von mir aus.“ Zufrieden setzte Matthew seine Arbeit, das Gepäck auszuladen, fort. „Aber wirf dein teuer geerbtes Geld nicht unnötig zum Fenster hinaus – für ein Jahr rentiert es sich kaum, wenn du dir einen Swimmingpool bauen lässt!“

      Währenddessen saß Patty noch immer auf dem kalten Ledersofa und starrte regungslos vor sich hin. Ihr war sterbenselend zumute und am liebsten wäre sie auf der Stelle tot umgefallen. Ihr Kopf dröhnte und sie war zu müde, um noch einen klaren Gedanken fassen zu können. Ihre Augen betrachteten den kleinen Wohnraum. Direkt vor ihr befand sich der in die Wand eingearbeitete, aus groben Steinen errichtete Kamin und darüber hing, an zwei dicken Nägeln, ein verbogenes, untaugliches Winchester-Gewehr. Die dunkle, mit kalter Asche gefüllte Kaminöffnung widerte sie an und sie spürte schreckliches Heimweh in sich aufsteigen. Sie sehnte sich nach ihrem großen, rosa-weiß tapezierten Zimmer mit dem flauschigen Himmelbett und dem angrenzenden, beinahe ebenso großen Bad. Dann gab es da noch den begehbaren Kleiderschrank, der immer gut bestückt war mit neuen, schicken Kleidern der Saison, von denen sie bisweilen auch welche besaß, die sie überhaupt nie trug. Es handelte sich jedoch um ausgefallene, schicke Einzelanfertigungen und nur das zählte. Jetzt hing ein Großteil von ihnen noch immer dort, unberührt und unbenutzt, weil sie nicht alle hatte mitnehmen können. Das mit Efeu eingerankte Schulgebäude erschien vor ihren Augen und sie dachte an die Geburtstagsparty, die sie vor drei Tagen versäumt hatte. Ein Jahr, ein ganzes, langes Jahr musst du es hier aushalten und jetzt auch noch diese Bruchbude! Eine unerträgliche Vorstellung! Lautlos sank Patty in sich zusammen. Sie stützte den Kopf in die Hände und schloss die Augen.

      Wenn ihr Vater doch wenigstens nicht so stur wäre und sie nach Summersdale, in ein Hotel gehen ließe, bis sie ein vernünftiges und angemessenes Haus gefunden hätten! Hoffentlich fand ihre Mutter einen Ausweg, sie hatte bisher immer einen gewusst. Beim Anblick der ausgetretenen, schiefen Holzbohlen des Fußbodens schauderte Patty. Sie hasste dieses Land und alles, was dazu gehörte, jetzt noch viel mehr als zuvor. Keinen Tag länger als irgendnötig würde sie hier verbringen, das schwor sie sich und wenn es darin endete, dass sie heimlich ausreißen und den nächsten Flieger zurück nach London nehmen musste!

      „Ist dir nicht gut?“ Die Hand ihrer Schwester legte sich auf ihre Haare und zerzauste ihre Frisur. Unwirsch stieß Patty sie fort. Sie hörte, wie mit lauten Geräuschen die Koffer auf der Veranda vor dem Eingang abgestellt wurden.

      „Alles bestens! Das siehst du doch!“

      „Du brauchst es nicht an mir auszulassen! Ich kann auch nichts dafür! Außerdem…“ Jean lächelte. „Ich finde es hier richtig abenteuerlich!“

      „Das denke ich mir, dass es dir hier gefällt! Du bist ja auch ein Trampel!“ Patty fuhr vom Sofa hoch. „Eins sag ich dir: Das Schlafzimmer oben nehme ich! Das da hinten kannst du haben – oben können wenigstens keine Wölfe und Bären einsteigen!“

      Die Sonne war hinter den Hügeln und der fast dreißig Meilen entfernten, hoch in den Himmel ragenden Felsenwand im Westen untergegangen, während die Dämmerung schnell aus dem feuchten Gras herauf kroch.

      Jean van Haren hatte das Deckenlicht in ihrem Schlafzimmer angeknipst. In den vergangenen sechs Stunden war sie damit beschäftigt gewesen, ihre Koffer auszupacken und es sich in dem Schlafzimmer hinter dem Wohnraum etwas gemütlich zu machen. In dem verhältnismäßig winzigen Raum am östlichen Ende der Holzhütte fanden gerade das Bett, ein Kleiderschrank, eine kurze Spiegelkommode, sowie ein Schreibtisch mit Stuhl Platz. Jean verzog das Gesicht, als sie sich prüfend auf das schmale Holzbett mit der erschreckend harten Matratze setzte. Natürlich war es völlig anders als ihr bisheriges Leben. Nichts erfüllte den Standard, den sie alle gewohnt waren, aber Jean störte das nicht im Geringsten. Inmitten dieser Wildnis und Abgeschiedenheit fühlte sie sich wie in einem Abenteuerfilm. Es war herrlich! Hier konnte sie in Ruhe Bücher aus der Bibliothek verschlingen, ohne, dass es jemandem auffallen würde. Sie lächelte und legte sich auf dem Bett zurück.

      Sicherlich, auch sie vermisste den Komfort ihrer Villa in London, die Geschäftigkeit der Großstadt und die Selbstverständlichkeiten, die ihnen täglich zugute kamen. Dort hatte jeder von ihnen ein eigenes Badezimmer für sich besessen – hier mussten sie sich nun ein einziges teilen. Das konnte bei ihrer Mutter und ihrer Schwester ja heiter werden, nachdem jede schon allein mindestens eine halbe Stunde am Morgen darin verbrachte!

      Vom Wohnraum herüber drangen die streitenden, lauten Stimmen ihrer Eltern durch ihre Zimmertür. Das junge Mädchen seufzte. Der Kampf war noch lange nicht ausgefochten, auch, wenn es zunächst den Anschein erweckt hatte. Rachel wusste jetzt, dass sie ihren eigenen Weg gehen musste, wollte sie das Bild ihrer heilen Welt und gut situierten Familie wahren, in der sie in Wahrheit zwar gar nicht lebten, aber die ihr des Rufes wegen so ungeheuer wichtig war. Vermutlich stritt sie genau deshalb soeben mit Matt und natürlich wegen dieser unzumutbaren Umstände, in die er sie gebracht hatte. Jean konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Mutter länger als notwendig hier in der Hütte verweilen würde. Es passte auch gar nicht zu ihr, sich den Wünschen ihres Mannes unterzuordnen.

      Müde fielen Jean ganz von selbst die Augenlider zu und sie musste sich sehr zusammennehmen, um nicht augenblicklich auf der flauschigen, weiß-geblümten Daunendecke einzuschlafen.

      Ein eigenartig schepperndes, dröhnendes Poltern hallte mit einem Mal laut und eindringlich durch das Holzhaus. Erschrocken fuhr Jean hoch und es dauerte einige Sekunden, bevor sie erkannte, woher das merkwürdige Geräusch entsprang. Achtlos ließ sie die rosa Seidenbluse, die sie eigentlich zu den anderen Kleidungsstücken in den Schrank hatte hängen wollen, auf den Boden fallen. Mit wenigen Sprüngen erreichte sie die Tür und rannte neugierig in das angrenzende Wohnzimmer, wo die Haustür nun weit offenstand.

      „Nett, dass Sie extra bei uns vorbeischauen!“, hörte sie die Stimme ihres Vaters soeben sagen, hörbar erfreut. „Kommen Sie doch herein.“

      Jean