Mirabella und die Götterdämmerung. Isabelle Pard

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Название Mirabella und die Götterdämmerung
Автор произведения Isabelle Pard
Жанр Языкознание
Серия Mirabella-Reihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754185971



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aber die Bemerkung blieb ihr im Hals stecken. „Ich… suche Ragnar“, sagte sie nur leise, den Blick betreten auf den Boden heftend. Das Lächeln aus Thors Gesicht verschwand. „Ach so… er ist gerade gegangen.“

      „Oh“, sie sah nun auf, ihr fiel Ragnars Anliegen wieder ein, Sorge zeigte sich in ihrem Gesicht, „wird er um den Ring kämpfen?“

      „Ich denke schon.“

      „Hast du ihm dazu geraten?“, fragte Mirabella aggressiv.

      „Ich weiß, dass du von mir als Vater nichts hältst, aber du musst mir glauben, dass ich diesen Kampf von ihm nicht fordern würde. Es hat sich jedoch in letzter Zeit herauskristallisiert, dass er lieber auf Odin als auf mich hört, mein Einfluss schwindet.“

      „Wieso das?“, fragte sie verwundert.

      „Vielleicht nimmt er mir mein Verhalten euch bezüglich übel? Auch scheint er seit neuestem die kriegerische Haltung meines Vaters zu bevorzugen und möchte unter gar keinen Umständen als Feigling vor Odin dastehen. Odin hat schon immer gewusst, wie er die Jugendlichen manipulieren kann.“

      Mirabella sah Thor ungläubig an. „Echt? Und du bist der Friedensengel? Ich dachte, du bist der kriegerische Donnergott mit dem Hammer?“

      Er lächelte leicht. „Wie jemand Schlaues von euch gesagt hat: Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. Ich zumindest, Odin wohl nicht.“ (Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen. (Ovid))

      „Jupiter und du, ihr seid euch voll ähnlich“, rutschte es Mirabella raus. Thor sah erstaunt auf, woraufhin sie sich der delikaten Thematik bewusstwurde, und errötete.

      „Nur, dass er im Olymp das Sagen hat…“, fügte er sarkastisch hinzu. „Was ihn für dich natürlich attraktiver als Vater macht.“

      „Meine Zuneigung hängt nicht von der Macht einer Person ab…“, protestierte sie, „sondern von seinem Charakter und seinen Taten.“

      „Na, da gewinne ich wohl auch keinen Blumentopf bei dir“, antwortete Thor bitter.

      Mirabella stutzte. Sie hatte bisher über Thor wenig nachgedacht, weil sie ihn am liebsten aus ihrem Gedächtnis gelöscht hätte, aber er machte auf sie einen völlig anderen Eindruck, als sie von der Edda erwartet hätte. Er lebte abseits von Asgard und machte anscheinend lieber Geschäfte auf der Erde als sich um die Götterwelt zu kümmern.

      „Du bist so anders als dein Ruf. Warum lässt du Odin alles bestimmen, wenn es dir nicht recht ist? Wozu hast du denn deinen Machtgürtel, den Hammer und diesen eisernen Handschuh.“

      Der Donnergott lächelte überrascht. „Du hast dich also etwas belesen? Ich habe viel von meiner Wut verloren. In meiner Jugend habe ich enorm gegen Odin protestiert, habe versucht, seine Anerkennung zu gewinnen, aber er hat Loki wie seinen eigenen Sohn behandelt, ja, ihn sogar immer bevorzugt. Ich konnte nicht böse auf Loki sein, wir waren wie Brüder, bis er sich im Krieg völlig veränderte. Lokis Verhalten und seine Verbannung nach Utgard waren ein schwerer Schlag für meinen Vater. Ich hätte damals die Macht übernehmen können, aber das hätte ihn völlig zerstört, das wollte ich nicht.“ Er machte eine kleine Pause und sah aus dem Fenster. „Nun sitzt er weiterhin auf seinem Thron, Baldur kümmert sich um die diplomatischen Beziehungen und ich mache mein eigenes Ding.“

      Thor hätte Odin stürzen können und tat es nicht, das beeindruckte Mirabella schwer. Dennoch quälte sie eine Frage.

      „Hat damals Odin angeordnet, dass du meine Mutter schwängerst?“, sie musste die Frage stellen.

      Thor schwieg kurz. „Es war seine Idee, seine Leidenschaft, er hat wochenlang auf mich eingeredet, mich an meine Pflichten erinnert, aber ich nehme die volle Verantwortung auf mich. Meine Motivation war die Rache für Wingni, aber ich habe die Folgen für dich nicht bedacht.“

      „Hat dir Ragnar erzählt, was ich ihm über Wingni sagte?“

      „Dass Mars ihn zu Tode folterte?“

      Sie nickte beklommen.

      „So etwas habe ich immer vermutet. Aber… das rechtfertigt dennoch nicht mein Verhalten. Runa oder wahrscheinlich bevorzugst du Mirabella?“

      Das Mädchen nickte erneut. „Ich heiße von klein auf so…“, erklärte sie fast entschuldigend.

      „Natürlich. Also, Mirabella…“

      „Eigentlich nur Mira“, unterbrach sie ihn.

      Thor nickte gutmütig und trat einen Schritt auf sie zu. „Dann, Mira, ich bitte dich erneut um Verzeihung.“

      Sie schluckte und musste feststellen, dass sie ihm fast nicht mehr böse sein konnte. Sie verstand sein Verhalten besser, sie hieß es noch lange nicht gut, aber auch Götter machten offensichtlich ethische Fehler und die wenigsten baten wahrscheinlich um Verzeihung.

      Zaghaft lächelte sie und sah ihren Vater mit leicht klopfendem Herzen an. Es war alles so verwirrend, würde sie je wieder ‚Vater‘ zu Jupiter sagen können?

      Thor wagte es, noch einen Schritt auf sie zuzugehen. Er griff nach ihrer Hand und sie entzog sie ihm nicht. Dankbar lächelte er sie an. „Ich kann es nicht rückgängig machen und, wenn ich dich hier so stehen sehe, möchte ich das auch gar nicht. Ich bin froh, eine Tochter wie dich zu haben. Auch wenn das jetzt keine Entschuldigung sein soll!“ Er hielt ihre Hand in seiner großen rechten und strich mit der anderen Hand über ihren Handrücken. „Du glaubst, dass ich mich nie um dich gekümmert habe, aber auch ich habe dich dein ganzes Leben lang beobachtet, deine ersten Schritte, das erste Skifahren, Tanzen im Tütü und auf Spitze, die Erfolge und die Hänseleien in der Schule. Rote Haare sind ein Fluch, oder?“ Er grinste leicht und Mirabella musste tatsächlich lachen, ihr wurde es warm ums Herz. „Ich weiß auch von deinen Freunden Antonia und Lukas, natürlich auch von Bert und deiner ersten großen Liebe.“

      Ihr Lächeln verschwand und sie sah alarmiert auf, fragte sich zudem, ob er Lorenzo oder Nikolaos meinte.

      „Das ist doch Nikolaos für dich, oder?“ Sein Blick war forschend.

      Sie errötete erneut und nickte dann, es hatte wohl keinen Sinn, es zu leugnen.

      „Danke, dass du nicht versuchst, mich zu belügen.“ Er ließ ihre Hand los und ging zum Fenster. Mit dem Rücken zu ihr betrachtete er den blauen Himmel. „Ein Jupitersohn…“, fügte er dann seufzend hinzu, schüttelte den Kopf und drehte sich zu ihr. „Eine schwierige Wahl, Mira. Odin wird das nie zulassen.“

      „Und du?“

      „Das hängt davon ab, ob er weiter für Jupiter bei uns herumspioniert.“

      „Derzeit jedenfalls nicht.“

      „Das ist aber nur temporär, denke ich.“ Er sah seine Tochter ernst an. „Mira, ich will dich schützen, ich möchte auch nicht, dass Odin dich ausnutzt, aber ich werde keinen spionierenden Jupitersohn vor Odin und Loki schützen können, ohne den gesamten Norden zu verraten.“

      Das junge Mädchen nickte, das verstand sie schon. „Bist du für eine friedliche Lösung?“

      „Ich bin nicht auf Krieg aus, aber der Süden darf nicht wieder in den Besitz beider Statuen gelangen, das wäre womöglich unser Ende. Auch das deine.“

      „Das will ich auch gar nicht, am besten wäre es wahrscheinlich, wenn die beiden blöden Statuen zerstört wären.“

      Thor lächelte. „Wo habe ich das nur schon mal gehört?“

      Schlagartig wurde sie wieder ernst, als ihr einfiel, warum sie Ragnar suchte. „Kann es sein, dass er für Odin spioniert?“

      „Odin wollte ihn anwerben, gegen meinen Wunsch. Wieso fragst du?“

      „Ich habe so etwas aufgeschnappt“, antwortete sie vage.

      Thor sah verärgert aus. „Ich werde mit Odin reden.“

      „Weißt du, wo Ragnar vorhin hingehen wollte?“

      Der