Mirabella und die Götterdämmerung. Isabelle Pard

Читать онлайн.
Название Mirabella und die Götterdämmerung
Автор произведения Isabelle Pard
Жанр Языкознание
Серия Mirabella-Reihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754185971



Скачать книгу

      Sie lächelte scheu. „Bis bald!“

      Thor nickte, klappte seinen Laptop zusammen und war im nächsten Moment verschwunden.

      Mirabella stand eine Weile regungslos da, sie war innerlich aufgewühlt und fast erschüttert, als sie feststellen musste, dass sie Thor mochte. Neugierig ging sie zum Schreibtisch und sah sich die Bilder an. Mehrere rothaarige Personen waren zu sehen, auf einem Bild waren Ragnar und Mirabella beim Skifahren abgebildet, das Foto musste Lorenzo gemacht haben. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, nun hatte sie tatsächlich drei Väter. Mit ihrem Zeigefinger strich sie über die silberne Ziege. Endlich hatte sie eine Erklärung für ihre Affinität zu Ziegen, es waren dem Thor heilige Tiere, der Sage nach zogen sie seinen Wagen. Bei ihren ersten telekinetischen Übungen im Olymp war die Belohnung für ihre Mühen eine kleine Figur gewesen. Jeder hatte das seinem göttlichen Elternteil entsprechende Tier oder Symbol vorgefunden. Nikolaos als Jupitersohn hatte einen Adler erhalten, Mirabella jedoch eine Ziege. Damals hatte sie noch nicht einmal erahnt, was sie heute alles wusste, sie hatte sich die Ziege mit dem Aigis, einem goldenen Ziegenfell, das beim Schütteln Gewitter erzeugte, erklärt. Doch das Orakel oder was es auch immer war, hatte es besser gewusst. Zum Glück hatte die Figur nur Mirabella selbst sehen können. Ihr Blick kehrte zurück zum Bild der Thor-Zwillinge, sie betrachtete nachdenklich ihren Bruder. Ragnar hatte auf sie nie kriegerisch gewirkt, wenngleich er in letzter Zeit härter trainierte. Warum wandte er sich von Thor ab und Odin zu? Ihm hatte doch Thor nichts angetan, ihm war er ein fürsorglicher Vater gewesen.

      „Hm-hm“, ein Hüsteln ließ Mirabella hochfahren, sie sah zur Tür und entdeckte einen Troll. Eilig nickte sie ihm zu und verließ das Arbeitszimmer ihres Vaters. Erneut suchte sie Ragnar vergeblich in seinen Räumen, inspizierte kurz den Garten und verließ dann Bilskirmir.

      12 - Der Geschwisterrat

      Als sie Walhall verlassen hatte und auf offener Straße spazierte, sah sie, wie Ragnar gerade Folkwang, den ehemaligen Palast von Freya verließ, den nun Loki okkupiert hatte. Ragnar entdeckte seine Schwester und erstarrte kurz in der Bewegung. Als er sah, dass sie ihn ebenfalls entdeckt hatte, ging er auf sie zu.

      „Na, du warst aber lange in Walhall!“

      Mirabella schüttelte den Kopf. „Ich war bei Thor, eigentlich habe ich dich gesucht.“

      „Oh, wieso?“

      „Ich wollte wissen, was Thor zum Kampf gesagt hat und wie du dich entschieden hast.“

      „Ich werde kämpfen.“

      Sie musterte ihren Bruder besorgt. „Weil Odin dich sonst für feige hält?“

      Er errötete stark. „Jeder würde das tun!“

      „Ich nicht! Ich halte dich für verrückt, wenn du kämpfst.“

      „Als wenn du das nicht machen würdest!“

      Für einen Moment schwieg sie, wahrscheinlich hatte er recht. „Was für einen Ring wünschst du dir?“

      „Einen, mit dem ich mich vor den Gedanken anderer abschirmen kann.“

      „Das wäre cool“, misstrauisch musterte sie nun Ragnar. „Warst du eigentlich gerade in Folkwang?“

      „Äh“, er errötete erneut, „ja… ich hab‘ Hannah gesucht.“

      „In Folkwang? Jetzt, wo Loki da wohnt?“

      „Ja, das ist mir dann auch eingefallen“, gab er nicht überzeugend zu.

      „Du spionierst aber nicht für Loki?“, feuerte Mirabella auf gut Glück los, es sollte scherzhaft klingen, ihr Blick war jedoch zu ernst dafür.

      Ragnar sah überrascht und auch ein wenig verlegen auf. „Wie kommst du denn darauf?“

      „Du hast ausgeplaudert, dass der Süden aufrüstet.“

      „Wer sagt das?“

      „Baldur und Odin.“

      „Sie haben es dir gesagt?“

      „Ich habe es gehört“, gab sie zu und errötete ihrerseits.

      „Du hast sie belauscht?“

      „Und wenn schon? Ich muss wissen, was läuft, wer für wen arbeitet und wem man trauen kann. Ich dachte, ich könnte dir trauen.“

      Ruckartig blieb er stehen. „Was soll das heißen?“ Sein Blick war stechend, seine Stimme klang leicht bedrohlich.

      Mirabella machte eine Handbewegung und versuchte, eine Blase zu kreieren, aber es gelang ihr nicht.

      „Verflucht!“

      Ragnar musste trotz allem kurz grinsen und erschuf eine Blase um sich und seine Schwester.

      „Danke!“, erwiderte sie wütend, vor allem auf sich selbst. „Wir haben einen Geheimbund gegründet, von dem niemand etwas wissen darf. Wenn du denen Dinge erzählst, die wir dort besprechen, weiß ich nicht, was ich davon halten soll.“

      „Das mit der Aufrüstung war doch ein offenes Geheimnis. Das Gerücht ging jedenfalls schon länger um, seit diesem Orakelspruch.“

      „Das sagte Odin auch“, gab sie zu.

      „Was wurde eigentlich genau prophezeit?“

      Schweigend sah sie ihn an. Sollte sie ihm davon erzählen? Wäre es schlimm, wenn Odin davon wüsste? Das Orakel war sehr schwammig formuliert.

      „Was? Du traust mir also nicht?“

      „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht…“

      „Mira, ich bin dein Bruder!“

      „Ja, aber du bist auch Thors Sohn und Odins Enkel, du bist einer aus dem Norden.“

      „Du auch, Runa!“

      „Ich fühle mich aber nicht so.“

      „Dann spionierst du also doch für den Süden?“ Ragnar klang fast aggressiv.

      „Ich dachte, ich hätte deutlich gemacht, dass ich beide Seiten versöhnen möchte, ich fühle mich beiden Seiten verpflichtet.“

      „Oder keiner?“, fragte er nun scharfsinnig.

      Das Mädchen stutzte überlegend. „Wenn du damit meinst, dass ich möchte, dass die Götter uns Halbgötter nicht ständig benutzen und ausnutzen, dann ja!“

      „Ich weiß immer noch nicht, was dein Plan ist?“

      „Jedenfalls nicht, alle Informationen, die wir geheim austauschen, brühwarm Odin zu erzählen.“

      „Mira, wir haben wohl beide die Verpflichtung, ab und zu Informationen abzuliefern. Ich habe unseren Geheimbund nicht verraten, ich habe nur das Gerücht bestätigt, eine Information, die sowieso bald durchgesickert wäre. Außerdem finde ich, dass beide Seiten gleiche Chancen haben sollten, falls es doch zum Krieg käme.“

      Sie war noch nicht überzeugt. „Auf welcher Seite stehst du, wenn es zum Krieg kommt?“

      „Was glaubst du?“

      Enttäuscht schüttelte sie den Kopf. „Dann haben wir schon verloren. Es ist doch gerade für diesen Fall notwendig, neutral zu bleiben.“

      „Ehrlich gesagt, glaube ich, dass deine Idee ein wenig naiv ist. Wie willst du denn die Götter bezwingen?“

      „Wir müssen die Statuen finden, alle beide. Und sollten ein paar Götter auf unsere Seite ziehen, die auch Frieden wollen.“

      Ragnar zögerte. „Komm, lass uns woanders hingehen.“

      Ein paar Minuten später befanden sie sich seinem Zimmer in Thrudheim, er kreierte erneut eine Blase um sie herum und rutschte an der Blasenwand herunter. „So, wie war das jetzt? Wen stellst du dir als Verbündeten vor?“