Mirabella und die Götterdämmerung. Isabelle Pard

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Название Mirabella und die Götterdämmerung
Автор произведения Isabelle Pard
Жанр Языкознание
Серия Mirabella-Reihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754185971



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      Sie schrak aus ihren Gedanken auf. „Verbündete? Ich weiß nicht“, sie klang sehr verunsichert, „Baldur, vielleicht sogar Thor.“

      Ragnars Augenbrauen schossen nach oben. „Unser Vater?“

      „Wieso nicht? Er ist nicht an einem Krieg interessiert.“

      Der Junge schnaubte verächtlich. „Manchmal erscheint er mir wie ein Drückeberger, der seiner Verantwortung aus dem Weg geht.“

      „Nur, weil jemand freiwillig verzichtet, ist er kein Drückeberger. Ihm ist es halt nicht so wichtig, auf dem Thron zu hocken, dafür hält er den Laden am Laufen.“

      Ragnar lächelte plötzlich erstaunt. „Seit wann verteidigst du ihn denn?“

      Mirabella wurde rot. „Jetzt lenk nicht ab. Jedenfalls ist er definitiv ein Loki-Gegner.“

      „Ja, statt sich gegen den Feind zu vereinen, zerfleischt man sich lieber gegenseitig.“

      Wütend fuhr sie auf. „Der Feind, kannst du auch nur in diesen Schubladen denken? Ich denke an eine Allianz Gut gegen Böse nicht Nord gegen Süd.“

      „Und Odin ist böse?“

      „Alle, die Krieg oder die Alleinherrschaft wollen, sind böse für mich.“

      „Krieg ist Krieg, wenn deine Guten gegen die Bösen kämpfen, ist das auch Krieg.“

      „Ich möchte, dass man auf diplomatischem Wege eine Lösung findet. Wenn nur wenige auf beiden Seiten Krieg wollen, wird Krieg nicht funktionieren. Wir müssen überzeugen und eventuell etwas erpressen – dafür brauchen wir die Statuen.“

      „Es klingt ja gut“, Ragnar schüttelte den Kopf, „aber so unrealistisch.“ Er atmete tief aus. „Schön, Baldur, Thor, wer noch?“

      „Ich weiß nicht, ob Hannah Freya überzeugen könnte? Gegen Loki ist sie sicherlich.“

      Er nickte, zuckte dann unschlüssig mit den Schultern.

      „Die anderen kenne ich zu schlecht“, gab sie zu.

      „Und im Süden?“

      „Vesta vielleicht“, wobei sie sich nach dem letzten Gespräch nicht sicher war, ob sich die Göttin auf so einen Pakt einlassen würde. „Ich frage mich, ob Enzo Apoll überzeugen könnte.“

      „Das wäre ein mächtiger Gott.“

      Sie nickte und überlegte, wie Lorenzo zum Geheimbund in Wahrheit stand.

      „Terra?“, fragte ihr Bruder.

      „Ja, klar, Terra. Ob sie Venus überzeugen kann, keine Ahnung, Mars sicher nicht…“ Mirabella lächelte kläglich und dachte weiter nach, als ihr Leon und sein Vater einfielen. „Vulcanus vielleicht, er ist der netteste von allen Olympiern.“

      „So ein Baldur?“

      „Nein, ganz anders. Er ist keine helle Lichtgestalt, das ist eher Apoll, aber Vulcanus ist gütig.“

      Ragnar nickte verstehend. „Neptun wohl eher nicht?“

      Sie schüttelte den Kopf. „Außer man verklickert ihm, dass Loki für die Vernichtung der Titanen verantwortlich war… Seine Frau war doch Titanin.“

      „Es war wohl in der Tat Lokis Idee, aber Odin hat es abgesegnet.“

      „Warum wundert mich das jetzt nicht…“ Mirabellas Stimme klang verächtlich. Sie schwiegen einen Moment.

      „Kannst du Jupiters Reaktion einschätzen?“, fragte ihr Bruder dann.

      Sie schüttelte den Kopf. „Auch, wenn ich mir immer noch einrede, ich könnte irgendwie verhindern, dass er die Wahrheit erfährt, weiß ich ganz genau, dass er es früher oder später erfahren wird. Aber ich habe keine Ahnung, was das für mich bedeuten wird. Ob er mich verstößt oder trotzdem Kontakt wollen würde. Wie sehr ihn der Betrug an sich treffen würde.“

      „Und wenn du es ihm sagst, bevor er es auf andere Weise erfährt?“

      Sie sah auf, die Möglichkeit hatte sie bisher nicht in Betracht gezogen, sie hatte immer nur daran gedacht, die Wahrheit zu vertuschen.

      „Das würde Odin auf jeden Fall den Wind aus den Segeln nehmen…“, überlegte sie laut. „Es ist alles so verquer. Das Orakel kommt mir mittlerweile mehr wie eine selbst-erfüllende Prophezeiung vor. Sie deutet den drohenden Untergang der Götter an und daher rüsten alle auf…“

      Er sah sie fragend an und ihr fiel wieder ein, dass er sie nach dem Inhalt des Orakels gefragt hatte. Sie zögerte kurz, beschloss dann aber, dass ihr nichts Anderes übrigblieb, als Ragnar zu vertrauen, wenn sie nicht von Beginn an aufgeben wollte. „Aus Freund wird Feind! Das Ende des Göttergeschlechts naht, nur wer wahrhaft Frieden sucht, kann vereinen, was vereint gehört.“

      „Hm. ‘Nur wer wahrhaft Frieden sucht‘, klingt eigentlich nicht nach Krieg.“

      „Aber beide Seiten tun gerade alles, um einen Untergang mittels Krieg herbeizuführen!“

      „Meinst du, der erste Satz bezieht sich auf dich?“

      „Möglich.“

      Ragnar musterte sie einen Moment, dann sah er ihr ernst in die Augen. „Ich war übrigens vorhin bei Loki. Er sagte letztens, dass er mich anwerben möchte…“

      Mirabella sah erschrocken auf. „Und?“

      „Ich denke, es wäre nicht falsch, in seiner Nähe zu sein, herauszufinden, wie er denkt, und ihn mit Informationen zu versorgen. Sie müssen ja nicht immer stimmen...“

      „Er kann Gedanken lesen, das ist saugefährlich.“

      „Daher wünsche ich mir den Ring“, erwiderte er.

      Sie schluckte. „Weiß Thor davon?“

      „Nein, ich habe noch nicht endgültig zugesagt, und es wäre mir lieber, wenn mein Vater, unser Vater, nichts davon wüsste. Er würde es mir womöglich verbieten.“

      „Zu recht!“

      „Du wirst es ihm bitte nicht sagen, wenn ich es mache!“ Die Bitte klang mehr nach Befehl, was Mirabella die Nackenhaare aufstellen ließ, doch musste sie zugeben, dass Ragnars Plan ihrer Sache helfen könnte.

      „Dann nimmst du den Geheimbund doch ernst? Wir für den Frieden und gegen Loki?“

      Er lächelte. „Mir gefällt die Idee, wir brauchen aber einen konkreten Plan und Unterstützung von Seiten der Götter!“

      Sie lächelte erleichtert und nickte. „Wie wäre es, wenn wir die Kelten mit ins Boot holen würden?“

      13 - Ragnars Ring

      Der Zwerg war wendiger, als es Mirabella erwartet hätte. Seine Streitaxt schwirrte beängstigend rasch durch die Luft und schnellte auf den Schild von Ragnar nieder. Ihr Herz klopfte wild, während sie gebannt dem unvermeidlichen Kampf zusah. Odin saß gespannt auf seinem Thron, sie fand es widerlich, wie offensichtlich ihm der Kampf Vergnügen bereitete.

      „Das ist das wahre Leben“, hatte er Mirabella vor Beginn gesagt. „Der Kampf ums Überleben, der Sieg des Stärkeren. So funktioniert die Natur nun einmal.“

      Das Mädchen hatte ihn nur finster angestarrt ob dieses simplen Darwinismus und Ragnar viel Glück gewünscht. Loki hatte unterdessen grinsend auf einem Sessel neben Odin gefläzt und ungeduldig auf den Beginn gewartet. „Bisschen Popcorn gefällig?“, hatte sie sich nicht verkneifen können und Loki hatte schallend gelacht. „Du gefällst mir, Runa!“ Sein Blick war anzüglich gewesen, er hatte sie von oben bis unten gemustert und Mirabella war wütend errötet. In diesem Moment war Thor eingetreten, er hatte Lokis Worte gerade noch vernommen. In traditioneller Kleidung, mit seinem gehörnten Kampfhelm, dem Brustharnisch und seinem großen Hammer war Thor eine imposante Erscheinung. Der Blick, den er