Mord aus heiterem Himmel. Achim Kaul

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Название Mord aus heiterem Himmel
Автор произведения Achim Kaul
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748593393



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Klares Wasser lag eindeutig nicht in ihrer Geschmacksrichtung.

      »Zweifel hier. Ja, Dr. Kälberer! Was …?« Der Kommissar zog überrascht die Augenbrauen nach oben. Melzick schaute ihn an und versuchte, aus seiner Miene zu lesen, was der Arzt zu ihm sagte. »Ich verstehe nicht. Wie …?« Zweifel kam nicht zu Wort. Er tauschte einen Blick mit Melzick und verdrehte die Augen nach oben. Dann griff er nach seinem Glas. »Nein, Dr. Kälberer, das habe ich nicht! Sie verstehen das ganz falsch. Dr. Wollmaus hat …, – wieso?« Während der folgenden Minuten konnte Melzick beobachten, wie anfängliche Überraschung, Ungeduld, leichte Verärgerung, schwere Verblüffung und schließlich Ratlosigkeit sich auf dem Gesicht ihres Chefs ablösten. »Ich habe keine Erklärung dafür, Dr. Kälberer, aber das ist jetzt auch unwichtig. Haben Sie denn schon etwas Konkretes?« Zweifel schwieg und lauschte gespannt. »Gut, das hilft uns erstmal. Melden Sie sich gleich, wenn Sie etwas Neues haben.« Er legte den schwarzen Hörer behutsam auf und schnalzte mit der Zunge, dann leerte er sein Glas in einem Zug.

      »Sieht so aus, als ob wir es hier mit etwas Bösem zu tun haben, Melzick«, sagte er und füllte sein Glas wieder. »Der Doktor hat an den Schultern und Oberarmen des Professors schwere Blutergüsse festgestellt. Hier war eindeutig Gewalt im Spiel.«

      »Welcher Doktor hat das festgestellt?«, fragte Melzick.

      »Ach so – ja, hier gab es wohl eine kurzfristige Programmänderung. Wenn wir Dr. Kälberer glauben dürfen, dann hat Dr. Wollmaus beim Anblick des Professors auf dem Seziertisch einen leichten Schwächeanfall erlitten. Dr. Kälberer kam wohl gerade noch rechtzeitig, um ihn aus ›seiner‹ Pathologie zu entfernen.« Zweifel trank einen Schluck und schüttelte den Kopf. »Er hat wirklich eine sehr drastische Art, seinem Ärger Luft zu machen.« Melzick nickte. Sie wusste um die gegenseitige Antipathie.

      »Dr. Wollmaus hat ihm von unserer Abmachung erzählt und das hat er wohl in den falschen Hals bekommen.«

      »Na prima – was haben wir also?«, sagte Melzick und legte die Hände zusammen. »Der Professor wurde heute Morgen höchstwahrscheinlich kurz vor sechs Uhr aus einem Heißluftballon geworfen. Wer das getan hat, riskierte, dabei beobachtet zu werden. Eine sichere Flucht wäre nicht möglich gewesen.«

      Zweifel legte seinen Kopf schief und stellte sein Glas ab.

      »Tatsache ist aber, dass wir bis jetzt niemanden haben, der etwas beobachtet hat. Wir könnten eine Anzeige schalten und um Mithilfe bitten. Und wir müssen uns um die Ballonfahrer hier in der Gegend kümmern. Da fällt mir ein – ich wollte den Doktor noch etwas fragen. Seine Behauptung, dass der Professor bereits während seines Sturzes an Herzversagen gestorben wäre, kommt mir etwas voreilig vor. Außerdem stellt sich die berühmt-berüchtigte Frage: Hatte Mindelburg Feinde, denen ein Mord zuzutrauen ist? Seine Schwester konnte oder wollte keinen konkreten Verdacht äußern. Hat Alba etwas dazu gesagt?«

      »Nein. Er meinte nur, dass er mit einigen schrägen Vögeln aus der Kunstszene zu tun hatte.«

      »Um die wir uns ebenfalls kümmern werden«, warf Zweifel ein. Er strich sich mit der linken Hand über seine Glatze und legte einen Finger an seine Nase.

      »Wie lief Mindelburgs letzter Tag ab, was hat er getan, wohin ist er gegangen, wen hat er getroffen, mit wem hat er telefoniert? Wir müssen seine Wohnung untersuchen. Und vor allem möchte ich wissen, warum man ihn ausgerechnet auf diese Art und Weise umgebracht hat. Wollte der Mörder ein Zeichen setzen, jemanden warnen, oder schnupperte er einfach nur gerne Höhenluft?«

      »Dabei fällt mir ein«, sagte Melzick, »Frau Eichhorn hat behauptet, sie hätte das Fauchen gehört, als sie im Park angekommen war. Kurz darauf fand sie die beiden. Alba sagte, er hätte das Fauchen zu Beginn seiner Übungen gehört. Dazwischen lagen aber mindestens 40 bis 50 Minuten. Daraus ergeben sich drei Möglichkeiten: die Eichhorn täuscht sich, oder sie lügt, oder es war noch ein zweiter Ballon da, den sie hörte.«

      »Sie werden nochmal mit ihr reden dürfen, Melzick. Wahrscheinlich finden Sie sie bei dieser Serafina Moor. Und die wohnt in der Villa Fontenay, wie mir Herr Kater geflüstert hat. Vielleicht nehmen Sie was zu essen für die Dame mit.«

      »Gute Idee«, sagte sie ungerührt und schaute auf ihre Uhr. »Ich könnte eigentlich selbst etwas vertragen. Wann wollen wir uns wieder treffen?«

      »Rufen Sie mich an, wenn Sie mit der Eichhorn gesprochen haben, und wenn Sie die Ballonfahrer hier in der Gegend ausfindig gemacht haben.«

      »Da wird es nicht viele geben.«

      »Gut, ich rede mit Dr. Wollmaus. Womöglich kann er mir ja auch ein paar Namen nennen. Die Wohnung des Professors schauen wir uns dann gemeinsam an.« Er trank aus. »Sind Sie eigentlich schon mal in einem Ballon gefahren?«, fragte er sie. Sie schüttelte den Kopf. Dies war ihre erste Lüge an diesem Tag.

      5. Kapitel

      Als sie weg war ging Zweifel hinüber zur Bürovorsteherin Frau Lucy.

      »Alles gut?«, fragte er gut gelaunt, wie er es meistens war zu Beginn eines Falles. Frau Lucy schaute ihn über ihre schmale Lesebrille hinweg an, lehnte sich in ihrem Kingsize-Bürostuhl zurück, verschränkte die massigen Arme über ihrem gewaltigen Busen und reckte ihre zwei bis drei Kinne stolz nach oben.

      »Seit dem Urknall nimmt die Unordnung im Universum in jeder Sekunde zu, das wissen Sie sicher, Herr Kommissar. Dieses Büro ist der Beweis dafür.«

      »Das nennt man Entropie«, gab Zweifel zurück.

      »Von mir aus. Jedenfalls – Sisyphos würde Herkules zu Hilfe rufen, hätte er meine Arbeit zu bewältigen«, schnaufte sie zufrieden.

      »Wusste gar nicht, dass Sie sich mit der griechischen Mythologie auskennen.«

      »Ach Gott ja, die Griechen.« Sie zwinkerte ihm zu. »Das ist ja überhaupt der größte Mythos, dass die was mit der Arbeit am Hut haben.«

      »Vorsicht, Lucy.« Zweifel nannte sie von jeher so, auch wenn er nicht wusste, ob das ihr Vor- oder Nachname war. Genau genommen wusste dies keiner im ganzen Kommissariat. »Wir wollen doch Zeus nicht erzürnen.«

      »Apropos Zeus, Herr Kommissar, kennen Sie schon den neuen griechischen Imbiss in der Fußgängerzone gleich neben dem Café Habsburg? Sollten Sie mal ausprobieren. Die Dolmades mit Oliven in Knoblauch sind einfach göttlich.«

      »Glaube ich Ihnen aufs Wort, Lucy. Danke für den Tipp. Könnten Sie mich vorher noch kurz mit diesem Dr. Wollmaus verbinden?«

      »Schon wieder Arbeit!« Sie kicherte und griff in ihre rechte Schublade, wo stets ein ausreichender Vorrat an Nussschokolade lagerte – ausreichend für eine ganze Grundschulklasse. Sie brach ein ordentliches Stück ab.

      »Muff daff gleif fein«, fragte sie der Ordnung halber.

      »Sobald Sie runtergeschluckt haben«, versetzte Zweifel und ging wieder in sein Büro zurück. Was würde er wohl ohne sie anfangen. Einige Minuten später klingelte sein Telefon.

      »Den Doktor kann ich gerade nicht erreichen«, sagte Frau Lucy mit einem tadelnden Unterton. Zweifel war nicht ganz klar, ob sie ihn wegen des Auftrags, oder Dr. Wollmaus wegen seiner Nichterreichbarkeit tadelte. In Wahrheit wollte sie gelobt werden, wie Zweifel wusste.

      »Trotzdem besten Dank für Ihre Mühe und die schnelle Antwort.« Sie ließ ein abschließendes Schnaufen hören und legte auf. »Da ist wohl gleich noch ein Stück Schokolade fällig«, vermutete Zweifel und steckte sein prähistorisches Notfallhandy ein, mit dem man tatsächlich nur telefonieren konnte (nicht einmal die Uhrzeit zeigte es an). Es stammte noch aus der Zeit, als Manfred Krug Werbung für die Telekom machte. Er verließ sein Büro. Im Vorbeigehen nickte er Frau Lucy zu, die auf beiden Backen kaute.

      »Ich versuch mal den Griechen«, meinte er.

      »Laffen Fie eff fiff fmecken«, rief sie ihm hinterher. Er hatte schon fast das Polizeirevier verlassen, als er noch einmal umdrehte. Frau Lucy verschluckte sich fast vor Schreck, als er plötzlich wieder vor ihrem Tresen stand. Sie kaute zwar immer noch,