Mord aus heiterem Himmel. Achim Kaul

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Название Mord aus heiterem Himmel
Автор произведения Achim Kaul
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748593393



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Melzick. Aus all diesen Gründen fahr ich damit herum.«

      »Wir werden unauffällig sein wie die Feuerwehr«, meinte sie. Er deutete auf ihre Haarpracht.

      »Seit wann legen Sie denn Wert darauf, nicht aufzufallen?« Darauf wusste sie erst einmal keine Antwort. Er startete den Wagen. Ein tiefes Blubbern erfüllte den Schuppen. Langsam, wie auf weichen Pfoten glitt der Wagen ins Freie hinaus. Von dem Kater war nichts mehr zu sehen.

      7. Kapitel

      Melzick dirigierte Zweifel mit zunehmender Begeisterung durch die Innenstadt und dann hinaus in Richtung Mindelheim.

      »Ist das nicht etwas seltsam, seinem Auto einen Namen zu geben?«, fragte sie und beobachtete, wie Zweifel mit der Lenkradschaltung hantierte. »Und warum ausgerechnet Mary?« Zweifel schaute kurz zu ihr hinüber.

      »Werfen Sie mal einen Blick ins Handschuhfach.« Melzick gehorchte.

      »Da liegt ein Briefumschlag«, sagte sie.

      »Und was steht drauf?« Sie nahm das vergilbte Kuvert heraus.

      »Für Mary W.«, las sie vor. »Abgestempelt am 26.07.60 in – das kann man kaum entziffern …«

      »In Key West«, sagte Zweifel. »Das liegt ganz im Süden von Florida.«

      »Und was ist mit dem Nachnamen?«

      »Den hat jemand unkenntlich gemacht.« Melzick untersuchte den Umschlag genauer. Das Schriftbild erinnerte sie an etwas. Diese Schreibmaschinenschrift …

      »Aber der Brief ist ja ungeöffnet«, sagte sie überrascht, als sie ihn umdrehte. Zweifel nickte.

      »Der Händler in Florida sagte mir, dass der Brief zu diesem Auto gehört. Keiner der Vorbesitzer hat es je gewagt, ihn zu öffnen.«

      »Und Mary hat nie erfahren, was drinsteht?« Zweifel nickte wieder. »Okay, das kann ich als Grund akzeptieren«, sagte Melzick und legte den Brief wieder zurück.

      »Da vorne müssen wir links abbiegen und dann sind es noch ein paar hundert Meter.« Sie waren irgendwo zwischen Bad Wörishofen und Mindelheim. Ein Aussiedlerhof tauchte in der Ferne zwischen einigen Pappeln auf. Zweifel brachte den Wagen etwa zweihundert Meter vor ihrem Ziel zum Stehen.

      »Ist vielleicht klüger so«, meinte Zweifel und zog den Zündschlüssel ab. Sie stiegen aus und schauten sich um. Auf den weiten Feldern ringsum war niemand zu sehen. Auch der Hof schien menschenleer als sie sich zu Fuß näherten. Ein klappriger roter Transporter stand vor der Holzscheune, die sich im rechten Winkel zum Wohnhaus befand. Ein heruntergekommenes Gewächshaus mit etlichen zerbrochenen Scheiben wiederum stand ebenfalls im rechten Winkel zur Scheune, so dass die drei Gebäude ein U bildeten. Das Scheunentor stand einen Spalt weit offen. Melzick und Zweifel schauten sich an.

      »Wir probieren es erst mal am Haus«, entschied Zweifel. »Sind Sie sicher, dass wir richtig sind?« Melzick deutete zur Antwort auf den Transporter, den sie nun von der Seite sahen. In gelben, teilweise schon abgeblätterten Buchstaben stand dort: »Valentin Lindberg – wo wir sind, ist oben« und daneben war ein stilisierter Heißluftballon zu erkennen. Zweifel suchte vergeblich nach einer Klingel und stieß dann kurzentschlossen die Haustür auf, die nur angelehnt war. Es roch durchdringend nach Apfelessig. Ein langer dunkler Flur führte ganz durchs Haus und endete an einer Glastür, dem Hintereingang, die von einem dunklen Vorhang größtenteils verdeckt war. Gleich am Eingang stand ein kleines Schränkchen an der Wand, darauf ein paar Briefe, darüber ein verschmierter Spiegel an der Wand, hinter dem ein paar vergilbte Postkarten klemmten. Auf einer davon war das Matterhorn zu erkennen.

      »Hallo, jemand zu Hause?«, rief Zweifel. Sie lauschten. Es blieb still. Irgendwoher war ein unregelmäßiges Hämmern zu hören, aber das kam von draußen. Zweifel nahm die Briefe in die Hand. Melzick ging an ihm vorbei weiter in den Flur hinein.

      »Das sind alles Mahnungen, wie es aussieht«, sagte Zweifel. Melzick hatte die erste Tür zur Rechten erreicht.

      »Scheint das Wohnzimmer zu sein«, sagte sie und ging weiter.

      »Hallo Herr Lindberg, Sie haben Besuch!«, rief Zweifel nun etwas lauter. Doch noch immer regte sich nichts. Das Hämmern hatte aufgehört. Melzick blickte Zweifel an. Der zuckte mit den Schultern.

      »Das Auto steht ja da. Also kann er nicht weit sein. Ist das da vorn die Küche?« Melzick schaute zur nächsten Tür, diesmal auf der linken Seite, hinein und schüttelte den Kopf.

      »Nee, ist das Badezimmer.« Allmählich kam sie sich vor wie in einem Hitchcock-Film. Welcher war das nochmal, wo die Farmersfrau langsam in das Haus des Nachbarn geht und ihn dann im letzten Zimmer … »Die Vögel«, sagte Melzick ungewollt laut und blieb abrupt stehen.

      »Schon gut, Melzick, ich weiß was Sie meinen«, sagte Zweifel. Das war einer der Gründe, warum sie gern mit ihm zusammenarbeitete. Sie musste ganz selten etwas erklären. Fast immer schien er die gleichen Gedanken zu haben, oder ihre sogar lesen zu können. Sie waren fast am Ende des Flurs, wo nur noch wenig Licht hinkam. Die letzte Tür auf der rechten Seite stand ebenfalls offen.

      »Lassen sie mich mal vor …«, wollte Zweifel gerade sagen, als die verhängte Glastür mit einem plötzlichen Ruck aufgestoßen wurde. Beide fuhren herum und hielten unwillkürlich die Luft an. Vor ihnen stand ein untersetzter Bulle von Mann, kaum größer als Melzick, blonde Stoppelhaare, ein rotes, verschwitztes Gesicht hinter einem ungepflegten Vollbart, kleine, blaue Augen hinter einer Nickelbrille, blauer Kittel, kurze Hosen, barfuß. Einen schier endlosen Augenblick starrten die drei sich an und es ließ sich nicht entscheiden, wer verblüffter war. Der Mann fand als erster seine Sprache wieder.

      »Was wollts ihr denn hier, ha?«, schnauzte er sie an. Melzick schaute Zweifel an. Der kannte seinen Text.

      »Ich bin Kommissar Zweifel, das ist«, er deutete leicht auf Melzick, »meine Assistentin Melinda Zick, und Sie sind«, dabei machte er eine Pause und lächelte sein Gegenüber freundlich an, »sicher Herr Valentin Lindberg.« Der Mann stutzte verblüfft und schaute von einem zum andern. Später sollte Melzick sich daran erinnern, dass sie den Eindruck hatte, als ob er fieberhaft nachdächte. Er wischte sich mit der rechten Hand übers Gesicht, wie um Zeit zu gewinnen. Dann zog er ein Taschentuch heraus und schnäuzte sich ausgiebig. Schließlich schob er sich wortlos an ihnen vorbei in die Küche. Erleichtert bemerkte Melzick, dass sie ihm wohl nicht die Hand zu schütteln brauchten. Er stand vor dem Kühlschrank und holte sich eine Bierdose heraus. Dann schien ihm etwas einzufallen. Er drehte sich um und kniff die kleinen Augen zusammen.

      »Wolltsr aa oins?« Zweifel wurde schlagartig bewusst, dass er die Briefe noch in der Hand hielt.

      »Warum nicht, sehr gerne. Sie auch Melzick?« Diese schüttelte den Kopf. Zweifel nahm die Dose, die Lindberg ihm entgegenstreckte und hielt ihm mit der anderen Hand die Briefe unter die Nase.

      »Etwas unangenehme Post, wie?« Lindberg zuckte ungerührt mit den Schultern.

      »Schmarrn. Das Übliche eben. Drecksbande.« Melzick war nicht ganz klar, wen er damit meinte. Es zischte zweimal kurz, als die Männer ihre Bierdosen öffneten. Melzick ging zum Fenster und spähte hinaus. Die Scheune stand jetzt weiter offen. Im Innern schien sich etwas zu bewegen.

      »Also, was wollts von mia?«, sagte Lindberg und rülpste geräuschvoll. Melzick drehte sich um.

      »Haben Sie gehört, was heute Morgen hier in der Gegend passiert ist?«, fragte Zweifel, nachdem er seine Dose halb geleert hatte.

      »Naa. I kriag nix mit. Meischtens.«

      »Man hat jemanden tot im Kurpark gefunden. Abgestürzt. Aus einem Ballon. Zumindest deutet alles darauf hin.«

      »Sakra!« Lindberg trank aus und warf seine leere Bierdose in den Mülleimer. »Und wer, bittschön, is’ die Leich’?«

      »Professor Abraham Mindelburg«, sagte Melzick.

      »Kenn i idd.« Melzick räusperte sich und warf Zweifel einen schnellen Blick zu.

      »Ich