Mord aus heiterem Himmel. Achim Kaul

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Название Mord aus heiterem Himmel
Автор произведения Achim Kaul
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748593393



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und hohem Schilfgras, das mehrere Teiche einfasste, ausreichenden Sichtschutz. Sie näherte sich leicht gebückt der Terrasse, die mit Bambussträuchern umgeben war. In der Nachbarschaft war ein Rasenmäher am Werk, so dass sie sich vollkommen unbemerkt heranpirschen konnte. Bald war sie nahe genug, um die Unterhaltung der beiden Damen verstehen zu können.

      » … nicht, was du von mir willst, Serafina«, sagte Anna Eichhorn gerade mit Trotz in der Stimme. »Die hat mir doch alles abgenommen, oder nicht?«

      »Ha!«, schnaubte Serafina Moor, »allerdings! Du warst sehr überzeugend unsicher, das muss ich zugeben. Trotzdem. Wir müssen unbedingt nochmal über …«. Der Rest ging im näherkommenden Lärm des Rasenmähers unter. Melzick hatte für dieses Mal genug gehört und machte sich aus dem Staub.

      Zweifel nahm gerade seine letzte Gabel, als er von Weitem den leuchtenden Haarschopf seiner Assistentin sah. Er winkte Stavros, den Wirt, zu sich.

      »Bringen Sie bitte nochmal einen Teller voll von diesem hier«, sagte er zu ihm, »und ein neues Besteck.« Stavros nickte erfreut und verschwand.

      »Hallo Chef«, sagte Melzick etwas außer Atem. »Schon fertig? Sind Sie satt geworden? Hat’s geschmeckt?« Zweifel setzte sein Glas ab.

      »Sie können sich gleich selbst davon überzeugen. Ist übrigens vegan.« Er musterte aufmerksam ihr Gesicht. »Waren die Damen so kratzbürstig?«

      »Wieso?« Er deutete mit dem Finger auf ihren Kratzer.

      »Ganz schöne Schramme, die Sie dort haben.« Melzick grinste.

      »Tja, das war eine versteckte Ermittlung.«

      »Ist sowas erlaubt, Melzick?« Sie zuckte gleichmütig mit den Schultern und drehte sich nach dem Wirt um. Stavros brachte gerade einen nach Knoblauch duftenden, reichlich gefüllten Teller und strahlte Melzick an. Diese nahm ihm das Besteck aus der Hand und berichtete Zweifel mit zumeist vollem Mund von ihrem Besuch in der Villa Fontenay samt anschließender Lauschaktion.

      »Was halten Sie davon?«, fragte Zweifel schließlich. Sie zuckte wieder mit den Schultern.

      »Die halten sich für besonders clever. Diese Frau Eichhorn weiß genau, was sie sagt. Und diese«, sie machte eine bedeutsame Pause, »Moor! Also die kommt eindeutig vom Planeten Ego.«

      »Vom Planeten Ego, aha.« Melzick kaute auf beiden Backen.

      »Ja, die muss da ein ganz hohes Tier sein.«

      »Und was denken Sie, ist der Grund, warum die beiden uns was vorspielen?«

      »Na, in erster Linie, um als unzuverlässige Zeugen zu gelten. Die spekulieren darauf, dass sie dann eben nicht ernst genommen werden und eher an den Rand unseres Radarschirmes wandern. Das hätte dann schon seine Vorteile.«

      »Na, dann werden wir ihr Verhalten mal sehr ernst nehmen. Konnten Sie eigentlich erkennen, was für Fotos da auf dem Tisch herumlagen?«

      »Nein, die Alben waren alle geschlossen. Sahen ganz abgegriffen aus. Müssen sehr alte Fotos gewesen sein.« Sie stockte. Dasselbe hatte sie heute doch schon mal gesagt.

      »Gut, wenn Sie fertig sind, werden wir uns mal um die Ballonfahrer kümmern.«

      »Fgib mur eimem.«

      »Wie bitte? Und würden Sie bitte langsam kauen.« Melzick hob ergeben die Hand und wurde deutlicher.

      »Valentin Lindberg. Das ist der Einzige weit und breit. Lebt außerhalb der Stadt.«

      »Gut, sobald ihr Teller leer ist fahren wir zu ihm. Und vorher versuchen Sie bitte, Dr. Wollmaus anzurufen. Ich hab’ seine Nummer nicht.« Melzick zog ihr Smartphone heraus und legte es auf den Tisch.

      »Ist in diesem Fall wohl ganz nützlich.«

      »Das hab’ ich nie bestritten. Sie haben da ein falsches Bild von mir.«

      »Ach ja – und was ist mit den Beschwerden? Ich bin sicher, Sie haben heute schon wieder zugeschlagen. Dieser zufriedene Ausdruck in ihren Augen …«

      »Das geht Sie gar nichts an, Melzick. Außerdem waren das absolut notwendige Maßnahmen.« Melzick verdrehte die Augen.

      »Sicher haben die Betroffenen da auch volles Verständnis.« Zweifel trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte.

      »Haben Sie die Nummer?«

      »Moment.« Sie warf einen kurzen Blick auf das Display. Ihr Bruder hatte ein paar Mal versucht, sie anzurufen. Kurz hintereinander. Mit einem Stirnrunzeln wischte sie ihn beiseite. Sie würde später bei ihm anrufen. Sie suchte die Nummer von Dr. Wollmaus. Nach wenigen Sekunden war sie sichtbar. Zweifel nahm das Smartphone, wählte und hatte wieder keinen Erfolg. Er gab es Melzick zurück, die ihren Teller überraschend schnell leer gefuttert hatte.

      »Immer noch nichts. Der Herr Doktor ist sehr schwer zu erreichen. Das gefällt mir nicht. Stavros!« Zweifel zahlte und belohnte den jungen Griechen für die äußerst schmackhaften Oliven und für sein Strahlen mit einem großzügigen Trinkgeld.

      »Wir nehmen meine Mary«, sagte er dann. Mary war, wie Melzick wusste, der Spitzname von Zweifels amerikanischem Haifischflossencabrio. Sie hatte die Kollegen schon darüber reden hören. Gesehen hatte sie es noch nicht. Ins Büro kam der Kommissar immer mit einem ziemlich verbeulten Kleinwagen von asiatischem Geblüt.

      »Ihre Mary?«

      »Ja, mein amerikanischer …«

      »Ich weiß schon, Chef. Ich wusste nur nicht, dass Sie es hier versteckt haben. Sie wohnen doch gar nicht hier.« Sie standen jetzt wieder in der prallen Sonne in der Fußgängerzone. Zweifel setzte seine Sonnenbrille auf.

      »Kommen Sie, ist hier gleich um die Ecke.« Sie bogen in eine ruhige Seitenstraße ab. Nach ein paar Metern standen sie vor einem niedrigen, heruntergekommenen Bau aus den siebziger Jahren. Ein Schuppen, der lange Zeit als Motorradwerkstatt gedient hatte. Glasbausteine in der Seitenwand, abbröckelnder Putz in graubrauner Farbe, verwitterte Ziegel auf dem Flachdach, ein ausgebleichtes Tor aus früher einmal dunkel gebeiztem Holz. Ein unscheinbarer Riegel mit einem rostigen Vorhängeschloss. Melzick schaute ihren Chef skeptisch an.

      »Das ideale Versteck«, meinte der und holte einen Schlüssel hervor. Schloss und Riegel ließen sich leicht öffnen. Für das schwere Holztor galt das nicht. Zweifel wuchtete es auf. Melzick stellte sich neugierig neben ihn. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihre Augen sich an das trübe Licht im Innern des Schuppens gewöhnt hatten. Es roch nach Benzin, Gummi und Katze. Nach und nach erkannte sie im Hintergrund ein Fahrzeug, das, bis auf die Reifen, fast vollständig unter alten Pferdedecken verborgen war.

      »Warten Sie hier«, sagte Zweifel und machte sich daran, die Decken zu entfernen und auf einer Tonne, die in der Ecke stand aufzustapeln.

      »Das ist Mary«, sagte er schließlich. Für kurze Zeit verschlug es Melzick die Sprache. Vor ihr stand ein Auto, wie sie es nur aus den alten Doris Day-Filmen kannte, die sie früher immer mit ihrer Mutter angesehen hatte. Ein Cadillac-Cabrio aus den fünfziger Jahren, türkisfarben wie die Karibik, mit großen Doppelscheinwerfern, Weißwandreifen und cremeweißem Verdeck. Natürlich Lenkradschaltung, natürlich durchgehende Sitzbank vorne, natürlich im selben Cremeweiß.

      »Und was ist das jetzt genau, Chef?«

      »Cadillac Eldorado 1959!«

      »Aha«. Ganz langsam trottete eine fette Katze mit mürrischem Gesicht unter dem Automobil hervor, würdigte sie keines Blickes und bewegte sich mit geradezu königlicher Gelassenheit an ihnen vorbei.«

      »Und das ist wohl Garfield.«

      »Keine Ahnung, wie er heißt. Er kümmert sich jedenfalls um die Mäuse und Marder«, sagte Zweifel und setzte sich hinter das große dünne Lenkrad. Melzick öffnete nach kurzem Zögern die schwere Wagentür und nahm neben ihm Platz.

      »Man sitzt ja wie auf einem Sofa«, sagte sie und rutschte auf dem Sitz hin und her. »Und Sie wollen jetzt wirklich damit fahren?«

      »Wonach