Nephilynn. Vanessa Olschansky

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Название Nephilynn
Автор произведения Vanessa Olschansky
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754948033



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dein Leben retten«, sagte sie zwinkernd und legte ihn mir in die Hand. Ich vertraute nicht auf Hexenkunst oder wie ich das nennen sollte, aber ihr zuliebe steckte ich den Stein in meine Tasche. »Ich trage auch einen, deshalb wusste ich, dass er hier ist, und er weiß, dass ich ihn bemerke.« schlussfolgerte sie, und obwohl ich eine komplett andere Befürchtung hatte, weswegen er verschwunden war, nickte ich.

      »Also dient dieser Stein als eine Art Dämonenradar?« Wir beide fingen bei diesem Wort herzhaft an zu lachen.

      »In gewisser Weise, ja«, sagte sie und führte mich wieder heraus. »Ich denke, du musst nicht genäht werden, aber wenn du nicht völlig lebensmüde bist, hältst du dich besser von ihm fern.«, riet sie mir.

      Ich hatte das Gefühl, angekommen zu sein. Das erste Mal, seit ich gestorben war, hatte ich annähernd eine Ahnung, was es bedeutete, zu Hause zu sein. Natürlich wohnte ich hier nur auf Zeit, aber ich fühlte mich rundum wohl. Meine Angst, Damian könnte zurückkommen, schien unbegründet zu sein. Vielleicht hatte Mona ja Recht und dieser doofe Stein beschützte uns irgendwie. Es vergingen Wochen, ohne dass etwas Außergewöhnliches passierte. Wir wohnten zusammen und jeder ergänzte den anderen. Ich versuchte Mona so gut es ging zu unterstützen und sie lehrte mich das irdische Leben. Wir harmonierten perfekt in unserer kleinen Wohngemeinschaft und an einen Auszug war gar nicht mehr zu denken. Zu sehr erweckte ich den Beschützerinstinkt in ihr und ich muss zugeben, dass sie mir auch sehr ans Herz gewachsen war. Mona und ich hatten sogar ein wöchentliches Ritual: Jeden Donnerstag liehen wir uns einen Film aus und sahen ihn gemeinsam an. Heute war Stadt der Engel mit Nicolas Cage dran. Sie fand es besonders witzig, ausgerechnet diesen Film mit mir anzusehen. Ich hatte mich inzwischen an ihre Scherze gewöhnt. Wir redeten noch eine ganze Weile und Mona öffnete einen Rotwein. Tollpatschig wie ich bin und etwas angetrunken, verschüttete ich den Wein über den Teppich. Ich fühlte mich schrecklich und auch wenn Mona mir versicherte, dass es nicht schlimm sei und sie sich eh einen neuen Teppich besorgen wollte, und ich ihr jetzt nur einen Grund gegeben hätte, es früher zu tun, brachte ich das gute Stück direkt am nächsten Morgen in die Reinigung.

      Zufällig fiel mir auf dem Weg dorthin ein Schild im Schaufenster eines Eck-Cafés auf, in dem ich schon mit Mona gesessen hatte. Darauf stand, dass eine Kellnerin gesucht wurde, und da ich das Café bereits kannte, hatte ich keine Scheu nachzufragen, ob die Stelle noch zu besetzen sei. Ich traf auch direkt auf den Besitzer, ein freundlicher alter Herr, Mr. Robinson. Er musste schon gefühlte hundert Jahre alt sein, aber er führte das Café, seit er es vor langer Zeit erworben hatte, selbst. Dennoch war er froh über jede Hilfe, die er kriegen konnte. Seine Enkelin, Rachel, half ihm, wo es nur ging. Ich schätze, sie war ungefähr dreiundzwanzig, also genauso alt wie ich. Ich fühlte mich auf Anhieb wohl und ergatterte auf Rachels gutes Zureden hin den Job. Ich durfte bereits am nächsten Tag anfangen.

      Auf dem Heimweg holte ich noch Monas Teppich aus der Reinigung, sie hatten den Fleck tatsächlich rausbekommen und ich konnte es kaum erwarten, Mona von den Neuigkeiten zu erzählen.

      Überglücklich kehrte ich nach Hause und bemerkte, dass Mona schon am Kochen war. Ich hatte endlich einen Job und mein menschliches Leben schien nicht so wertlos zu sein, wie ich es anfangs befürchtet hatte. Die Wochen verstrichen und ich war unheimlich froh, endlich etwas zur Haushaltskasse beisteuern zu können. Mona wollte nach wie vor nicht, dass ich auszog, daher half ich bei der Renovierung meines Zimmers, so gut es ging. Wir verkauften sogar ein paar ihrer Bilder und alles in allem konnte ich wirklich behaupten, dass ich endlich wieder glücklich war. Ich freundete mich mit Rachel an und sie wurde, wie Mona, ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Meine Schwester fehlte mir nach wie vor, aber es tat gut hier auf der Erde Menschen um mich zu haben, die mich brauchten und deren Gesellschaft mich erfüllte. Rachel war einer dieser Menschen, die sofort den Raum erhellten, wenn sie ihn betraten. Sie hatte, wie ich, braunes Haar aber zu einem perfekten Bob geschnitten und sie war immer top stylisch gekleidet. Manchmal glaubte ich, sie trug die Trends schon an ihrem Körper, bevor sie überhaupt Mode wurden. Ich liebte ihre Art mit Menschen umzugehen und wenn sie lachte, musste man automatisch mit einstimmen. Sonntags kochten wir alle zusammen bei ihr und ihrem Großvater, ein bisschen Gesellschaft schadete dem lebensfrohen Mr. Robinson nicht. Wir nannten ihn alle nur Opa, obwohl sein Name Jerry war. Rachel und ich verbrachten nahezu jede freie Minute zusammen und sie wurde meine beste Freundin. Sie und Mona waren meine engsten Vertrauten hier geworden. Es verging kein Tag, an dem mich Rachel nicht wegen meinem nicht vorhandenen Kleidungsstil tadelte. Es war ja nicht so, dass ich ungepflegt herumlief oder zerrissene Kleidung trug, aber sie war der Meinung, ich müsste meine Figur und meine Weiblichkeit mehr betonen. Nach einiger Zeit, ließ ich mich tatsächlich von ihr überreden, mit ihr shoppen zu gehen und sämtliche Boutiquen in der Innenstadt abzulaufen. Rachel hielt nichts von Modehäusern und -ketten, sie legte viel Wert auf Individualität und kreierte lieber ihren eigenen Style, indem sie nur ein paar der angesagten Accessoires verwendete, um ihr Outfit aufzupeppen. Sie schleifte mich in ihr Lieblingsgeschäft Monkees. Für mich klang es eher nach einem Club, aber es war ein kleiner, unscheinbarer Eckladen, der unter den riesigen Wolkenkratzern fast unterging und dessen Existenz kaum wahrgenommen wurde, dabei hatte er wirklich schöne Einzelstücke. Innerhalb von Sekunden legte sie mir eine Auswahl verschiedenster Klamotten zurecht, die nicht nur nicht zu meinem gewöhnlichen Stil mausgrau bis schwarz passten, sondern auch noch kurz und sexy waren. Ich starrte sie verwirrt an und weigerte mich - vergebens - diese anzuziehen. Aber Rachel bestand darauf, und es fiel mir immer schwerer ihren Wunsch auszuschlagen, denn es war völlig zwecklos, sie würde gewinnen. Dieses selbstbewusste junge Ding bekam einfach absolut immer ihren Willen, bei was auch immer. Wollte sie eine Telefonnummer von einem heißen Typen, bekam sie sie. Sie wollte ein Date? Zack, sie hatte es in der Tasche. Ich bewunderte sie wirklich für ihre Standhaftigkeit und ihr Durchsetzungsvermögen. Ich verschwand mit dem Stapel bunt zusammengewürfelter Klamotten auf meinem Arm in der Umkleidekabine. Noch während ich missmutig brummend, die Röcke und Blusen, Jeans und Shirts, Kleider und High Heels anprobierte, fragte ich mich, warum ich mich wieder hatte überreden lassen? Schlussendlich landete fast alles in meinen Einkaufstüten, wohlwissend, dass ich keines der Teile je wieder anziehen würde, wenn es sich vermeiden ließe, aber da hatte ich die Rechnung ohne Rachel gemacht. Sie hatte direkt geplant, am Abend feiern zu gehen und ich würde definitiv lernen müssen, mit den hohen Hacken zu laufen. Wir gingen noch einen Kaffee trinken und sie fragte mich über Damian aus, einem Thema, zu dem ich bislang bewusst geschwiegen hatte, denn für mich war dieses Kapitel ein für alle Mal beendet. Ich beschloss, ihr nur das Nötigste zu erzählen und schon gar nicht damit anzufangen, wer er wirklich war, dann wäre sie direkt weg und ich war mir sicher, dass ich sie nie wieder sehen würde, weil sie mich für total irre halten müsste.

      Wir bestellten also zwei Latte Macchiato und Rachel begann, mich mit ihren Fragen zu löchern.

      »Also Süße, erzähl mir von dem Mistkerl, wie habt ihr euch kennengelernt?« Jetzt musste ich sie anlügen, mir innerhalb von Sekunden eine Geschichte ausdenken, die halbwegs plausibel klang und sie nicht misstrauisch werden ließ.

      »Ach, das war total unspektakulär«, tat ich es mit einer lockeren Handbewegung ab und hoffte, dass sie es dabei beließ. Aber dann wäre sie eben nicht Rachel. Sie sah mich neugierig an und forderte mich wortlos auf fortzufahren. »Es war im Park.«, was ja nicht gelogen war. »Ich war Joggen«, erfand ich. »Und er lief mir hinterher.« Dann schmunzelte ich. »Anfangs war mir nicht klar, warum, aber ich hatte mein Portemonnaie verloren und er wollte es mir zurückgeben, also lief er mir wie ein Besessener hinterher und wir kamen ins Gespräch.« Ich beendete die soeben erfundene Geschichte und war schon ein bisschen stolz auf meine Kreativität. Ich trank einen Schluck von meinem Latte Macchiato, stellte aber schnell fest, dass dieser nicht halb so gut schmeckte, wie bei uns im Melissima.

      »Bei uns schmeckt er besser«, sagte Rachel, als könnte sie meine Gedanken lesen und tätschelte meine Hand. »Los! Weiter! Ich will alles wissen«, sagte sie ungeduldig.

      »Da gibt es aber nichts weiter.« Ich zuckte mit den Schultern. Doch sie ließ nicht locker.

      »Wenn es nichts weitergibt, wieso habt ihr euch dann getrennt?« Da ich ihr nicht sagen konnte, wer er wirklich ist, beendete ich diese Unterhaltung bestimmend.

      »Schluss jetzt. Er ist nicht gut für mich und kann