Nephilynn. Vanessa Olschansky

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Название Nephilynn
Автор произведения Vanessa Olschansky
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754948033



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kannte sie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie das Thema in einem günstigen Moment wieder an-sprechen würde. Sie war zu neugierig, um es dabei zu belassen. Wir tranken unsere Kaffeegetränke aus und machten uns allmählich auf den Weg zu Rachel. Sie wohnte mit ihrem Großvater direkt über dem Melissima. Da sie mich überredet hatte, den neuen Club in der Stadt auszuprobieren, zogen wir uns bei ihr um. Sie bestand darauf, dass ich meine neuen Klamotten ausführte. Für mich war es das erste Mal, dass ich überhaupt feiern ging. Ich konnte mir nicht im Geringsten vorstellen, was mich erwarten würde und ließ Rachels Aufhübschungsarbeiten an mir einfach über mich ergehen. Sie lachte.

      »Zieh nicht so ein Gesicht. Wie soll dich denn je ein Kerl ansprechen, wenn du guckst, als würdest du ihn auffressen?« Sie drückte mir einen feuchten Kuss auf die Wange und amüsierte sich köstlich über mein angewidertes Gesicht, als ich mir über die Wange wischte. Wir kicherten und sie drehte mir Locken in mein Haar. Nach gefühlten hundert Stunden waren wir bereit und wir beschlossen, uns noch etwas aufzulockern, indem wir ein Glas Sekt tranken. Der Club Echoes wurde erst vor wenigen Wochen eröffnet und war schon in allen Medien und in aller Munde. Rachel musste einfach in diesen Club, und wenn es nur war, damit sie darüber reden konnte.

      Endlich angekommen freute sie sich wie ein Kind und wartete nicht eine Sekunde, um die Tanzfläche zu stürmen, die zu früher Stunde noch mit eher sanften R’n‘B-Tönen, später dann mit reinstem Hip Hop und Black Beats belebt wurde. Rachel erhellte den Raum und zog sämtliche Blicke auf sich. Kein Wunder bei dem Outfit. Sie trug ein hautenges schwarzes Kleid mit roten High Heels, einer roten Clutch und passend dazu rot lackierte Nägeln und geschminkten Lippen. Sie war ein Blickfang und so wunderte es mich nicht, dass sie von sämtlichen Kerlen angesprochen wurde. Sie schickte alle weg, nachdem sie diverse Drinks für sich selbst und für mich rausgeschlagen hatte.

      Doch dann kam Dean. Er betrat den Club mit seinem Freund John, und das erste Mal seit ich sie kannte, bemerkte ich, dass sie interessiert war. Ich beschloss mich zurückzuziehen, damit sie und Dean ein bisschen Zeit miteinander verbringen konnten, um sich kennenzulernen. John hatte wohl dieselbe Idee und unsere Wege kreuzten sich an der Bar. John war ein hübscher, großer schwarzer Mann, er spielt Basketball und hofft auf ein Stipendium. Er war zwar überhaupt nicht die Art Mann, die ich üblicherweise attraktiv fand, aber er war ganz nett. Anders als Damian war er ein wahrer Gentleman und schon seit Kindertagen mit Dean befreundet. Dean hatte aschblondes Haar und legte, genau wie er, viel Wert auf Sport. Sein Haar umspielte lässig sein Gesicht. Dennoch sah er nicht ungepflegt aus. Gerade dieser zerzauste Look schien Rachel besonders anzusprechen, und ich war mir sicher, dass sie sich direkt unsterblich in ihn verliebt hatte. Wir feierten ausgelassen bis in die Morgenstunden und sie drückte mir ihren Haustürschlüssel in die Hand.

      »Warte bitte nicht auf mich.«, lallte sie und ich wusste, dass sie schon Einiges intus hatte. Dean stützte sie und ich grinste breit.

      »Geh schon!«, zwinkerte ich und beugte mich vor, um ihr ins Ohr zu flüstern. »Pass aber bitte auf dich auf.« Dann hakte ich mich bei John ein, der versprach, mich nach Hause zu bringen. »Ich ruf dich morgen Mittag an.«, sagte ich zu Rachel und wir verabschiedeten uns. Normalerweise hatte ich kein gutes Gefühl bei so etwas, aber Dean machte einen netten Eindruck und ich hatte beschlossen, mich nicht einzumischen.

      Für mich verlief der Abend unspektakulär: John brachte mich zu Fuß nach Hause, denn Rachel wohnte nicht weit vom Echoes entfernt. Ich trug meine High Heels an ihren Riemchen in der Hand und tapste barfuß durch die laue Sommernacht. Wir redeten den ganzen Weg über seine Zukunftspläne und dann verabschiedeten wir uns, sobald ich sicher vor dem Melissima angekommen war. Die Wohnung von ihr und Opa Jerry lag direkt über dem Café. Wir verabschiedeten uns mit Wangenküsschen und tauschten Handynummern aus. Ich war bereit, dem Ganzen eine Chance zu geben und konnte mir schon denken, was Rachel sagen würde:

      »Amüsiere dich und schalte den Kopf aus.« Vielleicht hatte sie Recht und es war Zeit, mein Leben zu leben. Ich lag noch eine Weile wach und dachte nach. Darüber wie mein Leben bisher verlaufen war, und wie das mit Damian alles angefangen hatte, und wo es mich hingeführt hatte. Irgendwann war ich wohl eingeschlafen und war mir der Tatsache wohl bewusst, dass Rachel diese Nacht nicht mehr nach Hause kommen würde. Noch bevor ich sie anrufen konnte, am nächsten Tag, stand sie in der Tür und grinste über beide Ohren, wären diese nicht da, würde sie wohl um ihren ganzen Kopf herum grinsen. Den restlichen Tag verbrachte ich damit, ihrem Monolog darüber, wie toll Dean war zuzuhören. Wüsste ich es nicht besser, hätte ich behauptet, sie wäre bis über beide Ohren verliebt.

      Wir erledigten unsere Arbeit im Melissima und sie hatte nur noch ihn im Kopf und so wie es schien, war er auch völlig besessen von meiner Freundin, denn in den nächsten Tagen tauchte er immer häufiger bei uns auf. Die beiden waren so süß zusammen und ich begriff, dass das, was die Zwei hatten, so viel mehr war als alles, was ich je mit Damian hatte und je haben würde.

      Ich liebte es Rachel und Dean zuzusehen, wie sie sich stundenlang anstarrten und sich Liebesschwüre in die Ohren säuselten.

      Es fühlte sich allmählich gut an, ein Mensch zu sein. Ich hatte liebenswerte Freunde um mich, die inzwischen wie eine Familie für mich waren. Ich hatte Mona, die mich versorgte als sei ich ihre Tochter und Mr. Robinson, der mich liebte wie sein zweites Enkelkind. Und natürlich Rachel, meine beste Freundin. Endlich war ich angekommen in meinem neuen Leben, von dem ich überzeugt war, dass es ewig so bleiben würde, wenn ich nur weiter hart daran arbeitete. Ich hatte meinen Platz und meine Bestimmung gefunden, ich wurde geliebt und ich hatte gelernt Liebe zurück zu geben zu den Menschen, die mir etwas bedeuteten. Ich wusste, dass dies eine Lektion gewesen war, die ich hier erlernen sollte. Alles hier war meine Prüfung, denn ich hegte nach wie vor den Wunsch, meine Schwester wieder zu sehen. Nichts wünschte ich mir mehr und ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Genauso war es perfekt.

      Aber es wäre nicht mein Leben, wenn nicht wieder irgendetwas schief gehen würde. Diesen Tag, an dem sich erneut mein ganzes Leben veränderte, werde ich niemals vergessen. Es regnete unaufhörlich und obwohl wir bereits Mittag hatten, wurde es einfach nicht hell. Der Himmel war so dunkel, dass man dachte, es wäre mitten in der Nacht. Und wie an jenem Tag, an dem ich zum Nephilim wurde hielt es die Menschen von den Straßen fern.

      Ich ahnte bereits, dass irgendetwas nicht stimmte, als ich morgens um sechs Uhr dreißig den Laden öffnete. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken herab, als ich den Schlüssel in das Schloss steckte, und ich spürte einen Windstoß durch meine Haare fegen. Eine mir allzu bekannte Stimme flüsterte in mein Ohr:

      »Hallo Emily.« Diese raue und unverkennbare Stimme würde ich immer wieder erkennen. Ich wusste, dass es nur Damian sein konnte und fuhr herum, doch niemand war zu sehen. Konnte es sein, dass meine Angst mir so nahe ging, dass meine Wahrnehmung gestört wurde? Oder sollte sich alles bewahrheiten und mein schlimmster Albtraum zur Realität werden?

      Ich schüttelte verwundert meinen Kopf und redete mir selbst gut zu. Den restlichen Vormittag war es ruhig, niemand betrat das Café. Mona hatte heute ihren freien Tag und war mit Jerry in die Stadt gefahren, um die fehlenden Einkäufe zu besorgen. Rachel hatte die Nacht bei Dean verbracht und würde nicht vor heute Abend zurück sein.

Grafik 11

      KAPITEL 4

      Ich erledigte alle anfallenden Aufgaben und setzte mich dann, in meiner Pause, mit einem Buch in eine ruhige Ecke. Ich saugte die Geschichte auf und tauchte in das Geschehen des Krimis ein. Ich versank vollends in der Erzählung des Autors. Mitten in den Ermittlungen wurde ich von der Türglocke aus meiner Geschichte gerissen, es hatte sich tatsächlich jemand hierher getraut. Ich hob den Kopf und sah diese komplett in schwarz gehüllte Person. Ich stand auf, legte mein Buch zur Seite und ging auf die durch den Regen nasse Gestalt zu.

      »Willkommen im Melissima, kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte ich höflich und erschrak zutiefst, als er seinen Kopf hob und ich in diese unverkennbaren eisblauen Augen blickte. Das Herz schlug mir bis zum Hals und mein ganzer Körper zitterte. Ich hatte nicht damit gerechnet, ihn wirklich wieder zu sehen. Damian war sicher nicht gekommen,