EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018). Andreas Bulgaropulos

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Название EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018)
Автор произведения Andreas Bulgaropulos
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742744098



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war, wie alle anderen, außer Betrieb und gefahrlos zu betreten. Das Schott zeigte keine Anzeichen äußerer Krafteinwirkungen, und am Boden oder den Wänden war ebenso nichts Verdächtiges zu entdecken.

      Enttäuscht aktivierte Coffee den Scanner. Doch auch hier löste das Resultat Ernüchterung bei ihm aus. Die Sensoren seines Anzuges registrierten weder Anomalien noch die Existenz einer illegitimen DNA.

      Anscheinend hielten sich nur Arbeiter mit Zugangsberechtigung hier auf … keine Fremdindividuen.

      Der Sol Guard-Mann fragte sich, wie die Person, wenn überhaupt ein Mensch in der Zelle lag, dort hinein gekommen war, ohne vor der Schleuse die geringsten Reste zu hinterlassen. Sogar bei jedem Kunstwesen blieben Materialpartikel zurück. Und die Luftaustauschanlage war in diesem Bereich nicht auf eine aseptische Funktion ausgelegt. Es mussten Spuren zu finden sein, auch wenn die Frau schon tot in die Zelle gelegt worden war.

      Doch ergab das einen Sinn? Coffee konnte sich effektivere Methoden vorstellen, eine Leiche verschwinden zu lassen – vor allem gab es weitaus unauffälligere. Dem vermeintlichen Mörder musste die Entdeckung seines Vorgehens klar gewesen sein, denn ein Körper löste sich da drinnen nicht spurlos auf. Reste für eine Identifikation blieben selbst nach dem völligen Zerfetzen übrig.

      Es sei denn, es handelt sich um eine Inszenierung der Crystal-Jackers. Dass die Bande ihre Aktivitäten hochfährt, deckt sich mit der Theorie, die Isherhill beim Briefing aufgestellte. Aber warum? Um von einem anderen Coup abzulenken?

      Eine vage Theorie. Zudem: Die Serpentinen der Transporttunnel verschlossen sich während einer Stilllegung hermetisch bis hin zur Oberfläche. Nicht einmal eine Maus entkäme von dort, also säße auch eine Diebesbande mit ihrer Beute in der Falle.

      Unlogisch. Und trotzdem sind vor kurzem Brymm-Ladungen in den Tunneln verschwunden …

      Der Fall entwickelte sich mit rasanten Schritten zum Untersuchungshorror, das wurde dem Sol Guard-Mann bewusst. In den vergangenen Wochen hatten sich in Kap Rosa dutzende unerklärliche Vorfälle gehäuft, aber diese Geschichte stellte die Krönung dar.

      Besteht etwa eine Verbindung zwischen allen …

      Er zog die Augenbrauen hoch, legte den Kopf schräg und lauschte in sich hinein. Die MindCell-Daten der Ermittlung erhielten eine Aktualisierung.

      Obwohl sich das Dickicht an Fragen etwas lichtete, verhießen die Infos auch Negatives. Mona hatte die Wartungsprotokoll-Analyse der Sektion abgeschlossen. Ungewöhnlich spät, wie Coffee fand. Absurderweise war die Deaktivierung der Reinigungszelle nicht durch das Personal erfolgt, sondern durch den Computerzugriff einer unbekannten Quelle. Doch seit dem Tathergang vor ungefähr neunzig Minuten war es Mona nicht gelungen, die Quelle zu lokalisieren. Noch ungewöhnlicher! Als eine der leistungsfähigsten KIs des Sonnensystems benötigte sie zur Identifizierung einer Systemmanipulation für gewöhnlich einen Wimpernschlag.

      Coffee geriet ins Grübeln. Wurde der Hauptcomputer der Sol Guard von Funktionsstörungen befallen? Zwei Verzögerungen ohne Grund … was, wenn Mona Fehler unterlaufen sind? Dann stand es um die Sicherheit von Kap Rosa und den ramponierten Ruf seiner Firma schlechter, als er dachte. Im Moment schreckte er jedoch davor zurück, den Gedanken weiterzuspinnen. Schließlich existierte ein Beweis für Monas Langsamkeit: die Leiche in der Zelle und tausend aufwändig zu berechnende Faktoren. Trotzdem würde er später eine Systemdiagnose der Künstlichen Intelligenz beantragen.

      Des Weiteren hatte sich Monas Überwachungsprotokollen zufolge definitiv jemand zur Tatzeit in der Abteilung aufgehalten. Und das war der springende Punkt, denn es handelte sich um einen Unbekannten ohne Signatur. Den Techniker Cabrallo entlastete das teilweise, da der Mann sowohl eine gültige Signatur als auch eine Arbeitserlaubnis für den Bereich besaß – auch wenn er den Einsatzort nie erreicht hatte. Wie Coffee der Datenaktualisierung aber entnahm, waren seine Teamkollegen Patricia und Warren bei der Prüfung des Materials auf Unstimmigkeiten gestoßen. Antonio Cabrallo hatte in einer der oberen Etagen Reparaturen vorgenommen, zu denen er nicht eingeteilt gewesen war, was seine MindCell-Standortbestimmung für den Zeitpunkt bewies. Außerdem tauchte der Mann nicht auf den Aufnahmen der Gangkameras des Reinigungszellentraktes auf.

      Somit konnte es sich bei dem Unbekannten, den Monas Protokolle verzeichneten, nur um die Frau handeln. Eine Frau wiederum, die es in Kap Rosa nicht geben durfte, da jeder Mensch oder Droide über die Registrierung des MindCells zu identifizieren war, während jeder Nichtregistrierte niemals bis hierher gelangt wäre.

      Dennoch ist sie da … die verdammt noch mal eindeutigste Sicherheitslücke, die man sich vorstellen kann! Und wegen unsinniger Geheimhaltungsparagraphen von Skyrock verschleppte sich mal wieder die Freigabe der Aufnahmen des Tatorts, der Zelle. Vieles hing im Moment also davon ab, was darauf zu sehen war.

      Nachdem Coffee die neuen Informationen ausgewertet hatte, gab er seinem LiSi einige Gedankenbefehle und initiierte eine Recherchehilfe, die sich »Rewind-Time-Surveillance« nannte. Dazu übermittelte der Kontrollpunkt für MindCell-Signaturen im Gang seinem Visier die Anwesenheitsdaten sämtlicher Individuen der letzten drei Tage. Holografische Spiegelbilder, präzise aus der Vergangenheit in die Gegenwart geholt. Er wollte feststellen, ob den Kameras tatsächlich etwas Unsichtbares entgangen war.

      Sein Visier leuchtete auf, und die geisterhaften 3D-Einspielungen von Wartungsarbeitern erschienen nacheinander mit Zeitcode und Namen versehen. Der Sol Guard-Mann verfolgte ihre Tätigkeiten, doch keiner der Techniker verweilte länger vor Ort oder betrat die Kammer, vor der er stand. Alles wirkte wie Routine. Kein Anhaltspunkt für die Aktivitäten eines Diebstahls.

      Bis plötzlich eine neue Einspielung vom heutigen Tag hinzukam. Verwaschene und sehr schnelle Anwesenheitsdaten einer Person, die eine Fremdsignatur besaß und mit einem Fragezeichen gekennzeichnet war.

      Die große Unbekannte! Obwohl dich die Kameras nicht erfasst haben, kann ich dich sehen. Was treibst du denn so?

      Die Geschwindigkeit, mit der sich die Person bewegte, verblüffte den Master-Officer. Er musste sich die Aufnahme erneut in Zeitlupe anschauen, um etwas zu erkennen und beobachtete, wie der Geist den Gang entlang schoss und die Zelle auf eine unerwartete Weise infiltrierte: Die Schleusentür öffnete sich von selbst, als würde der Eindringling bereits erwartet.

      Coffees Blick fiel auf den Zeitindex. 04:22 Uhr – die Reinigungszelle befand sich bereits sieben Minuten außer Betrieb und im Alarmzustand. Was wiederum bedeutete, dass der Geist auf keinen Fall die Frau sein konnte, da ihre Leiche zu diesem Zeitpunkt schon in der Zelle lag.

      Wer zum Teufel ist das?! Und wie ist jetzt die Frau da reingekommen?

      Er verfolgte die Einspielung weiter, bis der Geist nach wenigen Sekunden die Reinigungszelle verließ und durch das Gangsystem verschwand. Ein auffälliger Energieschleier umspielte den Fremden, der vorher nicht zu sehen gewesen war.

      Nachdenklich beendete Coffee den Vorgang. Seine Erkenntnisse wurden in die Infodatei des Falls aufgenommen und standen somit jedem seiner Kollegen zur Verfügung.

      Die Personalien der Spukgestalt zu bestimmen, kam am heutigen Morgen einem Stresstest gleich. Er richtete eine Identifizierungsanfrage an Mona, aber wie vermutet kündigte ihm die KI eine Wartezeit aufgrund der Datenflut an, die ihre Quantenprozessoren momentan bearbeiteten. Die MindCell-Kontrollpunkte in den Minenabteilungen mussten in einem aufwändigen Verfahren synchronisiert und auf die Merkmale der Geist-Signatur geeicht werden. Ein Novum in der Überwachungsgeschichte des Computers.

      Coffee atmete ruckartig ein und straffte sich – er brannte darauf, die Leiche zu sehen. Ein Kribbeln der Anspannung erfasste ihn, als er LD-U20-3 befahl, das Schott der Reinigungszelle zu öffnen.

      Der Roboter trat vor und betätigte den Öffnungsmechanismus.

      Das Knallen aufschnappender Metallbolzen ließ Cit zusammenzucken, der in den letzten Minuten erfreulicherweise keinen Mucks von sich gegeben hatte. Anschließend zischte die Tür und glitt in die Wand. Nachdem der Lockdown-Droide in die Schleuse gestapft war, öffnete er die innere Zellentür und trat entsprechend seiner Order, Tatorte nur abzusichern, beiseite.

      Der Sol Guard-Mann durchquerte die Schleuse.