EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018). Andreas Bulgaropulos

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Название EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018)
Автор произведения Andreas Bulgaropulos
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742744098



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aus einem anderen Leben zu stammen schien. Ist das … eiskalter Winter … oder … Ammoniak?

      Coffees Nackenhärchen stellten sich auf. Er war kein abergläubischer Mensch, doch diesen Hauch des Übernatürlichen deutete er als schlechtes Omen. Alarmiert ging er weiter und betrat die Reinigungszelle.

      Über den Boden lagen hunderte von blauen Kristallbrocken verstreut, die unter seinen Stiefeln knirschten, als ob er auf Scherben lief. Die spitzgezackten Mineralstücke besaßen eine Länge von einem halben Meter und einen Durchmesser zwischen zehn und vierzig Zentimetern. Bis zum hinteren Ende der Kammer reichte der Scherbenteppich, wo ihm sein Visier eine Besonderheit markierte. Eine Erhebung, teils unter dem Roh-Brymm verborgen und ebenso blau wie das Mineral selbst: die Frauenleiche.

      Vorsichtig näherte er sich der Stelle und aktivierte seinen Scanner. Das Gerät überlagerte den Raum sogleich mit einem holografischen Gitternetz, um jedwede Eigentümlichkeit anzuzeigen. Doch bevor Coffee seine Aufmerksamkeit auch nur einem der Holo-Fähnchen widmen konnte, die an mehreren Punkten aufblinkten, knirschte es unvermittelt hinter seinem Rücken – und Cit stürmte an ihm vorbei.

      Der Master-Officer verharrte eine volle Sekunde wie vom Blitz getroffen. Dann stieß er einen Schrei aus und hetzte seinem Begleiter nach, der wie ein Rindvieh über die Splitter trampelte. Er wollte nach dem Jungen greifen, blieb aber mit dem Fuß hängen und knallte der Länge nach hin. Sein Aufschlag verursachte einen Höllenlärm, der die Stille wie berstendes Glas zerriss und dutzende Kristallstücke aufwirbelte, die wiederum einen Splitterschauer erzeugten. Nur sein Schutzanzug bewahrte ihn vor schwerwiegenden Schnittverletzungen.

      Coffee fragte sich, ob das gerade tatsächlich geschah oder er an Halluzinationen litt. Nachdem er aber verlässliche Analysewerte bezüglich der Verwüstung des Tatorts von seinem Holo-Visier abgelesen hatte, verwünschte er diesen Idioten. Mineralstaub rieselte von seinem LiSi herab, als sich wie ein Rachegott erhob.

      Game over, Kid!

      Cit hüpfte um die Tote herum. »Wow, was für eine Riesenscheiße!«, kreischte er und lachte irre. »Hey, Goff, hierher. Ich hab sie, ich hab sie! Schreib das in deinen Bericht rein, Bruder … ich hab sie gefunden. Cool, oder?! Fuck, was ’ne Schweinerei … uäh … mir wird kotzübel.«

      Coffee machte mehrere schnelle Schritte und griff zu. Er zerrte Cit aus der Kammer, stieß ihn durch den Schottbereich und schleuderte ihn die Rampe hinauf.

      Der Junge prallte mit Wucht gegen die Gangwand und ging zu Boden.

      »JETZT REICHT’S!«, donnerte Coffee. »Was für ’ne Show ziehst du hier eigentlich ab, du kleiner Wichser?! Das ist kein Ex-R-Spielchen, sondern Realität! Und ich bin auch nicht dein verdammter Bruder.« Der Sol Guard-Mann ballte die Fäuste. »Gott, würde ich dich gerne zur Erde zurückprügeln!«

      Cit rappelte sich hoch und tastete nach seiner Nase. Sie war geschwollen und blutete. Er sah seinen Teamführer mit verzerrter Miene auf sich zukommen, presste sich gegen die Wand und jammerte: »Au … shit, Mann. Warte, warte, warte … schon gut … hab’s ja kapiert! Schlag mich nich, okay?«

      Ohne Umschweife nahm Coffee dem Jungen die Handfeuerwaffe ab, packte ihn am Kragen und erwiderte gefährlich leise: »Schlagen wäre schön, aber ich weiß etwas Besseres. Ich reiche bei Skyrock Beschwerde gegen dich ein, denn du gehörst in eine Arrestzelle. Sollen die sich mit deinem Onkel auseinandersetzen. Und noch was: Dein erster Einsatz endet hiermit. Du bleibst vor der Kammer und kannst von mir aus verhungern, verdursten oder noch mehr verblöden … ist mir scheißegal! Aber wehe, du rührst dich vom Fleck oder zerstörst weitere Beweise. Dann töte ich dich, Kleiner!«

      Coffee gab dem Lockdown-Droiden im Gang den Befehl, Cit mit allen erforderlichen Maßnahmen daran zu hindern, die Reinigungszelle zu betreten, inklusive Waffengewalt. Gut möglich, dass er sich ein Ermittlungsverfahren einhandelte, doch diese Farce hatte auf der Stelle ein Ende.

      06:07 Uhr. Während er zurück durch die Schleuse eilte, glomm eine Meldung aus der Zentrale in seinem Visier auf.

      Das künstliche Gesicht von Mona erschien. »An alle Team 1 Officers: Ein blockiertes Türkraftfeld verhindert den Zugriff auf den Wartungstechniker Antonio Cabrallo. Unsere Droiden, die den Mann arretieren sollen, installieren soeben schweres Gerät, um die Wohnung zu stürmen. Des Weiteren ist Cabrallos Signatur von meinen Scannern verschwunden. Achtung, ich wiederhole: Der Verdächtige ist nicht mehr zu lokalisieren! Ich erteile dem Vorgang Sol-Red-Status. Höchstes Sicherheitsrisiko bei den Ermittlungen. Die Zugriffspriorität für die Zielperson wird angehoben.«

      Zum ersten Mal heute meldete sich Coffees Instinkt. Trotz gegenteiliger Indizien mussten die tote Frau und dieser Techniker in Verbindung zueinander stehen. Beide waren Teile eines Puzzles, dessen Zusammenhänge er nicht durchschaute, und daran trug dieser Schwachkopf eine beträchtliche Mitschuld. Jetzt rannte ihm die Zeit davon.

      Der Master-Officer betrat die Kammer und stand neben der Leiche. Es handelte sich tatsächlich um eine Frau, übel zugerichtet, aber unverkennbar weiblich. Sie trug keine Kleidung, lag auf dem Rücken und besaß die gleiche blaue Hautfarbe wie das Brymm. Ihr Körper war übersät von Schnittwunden sowie Kristallstücken, die in der Haut steckten.

      Dass sie nicht zerrissen wurde, grenzt an ein Wunder!

      Die Verletzungen wirkten echt – die Haut, das Fleisch – keine Kunstmaterialien wie die von Droiden, sondern menschlich, nur blau. Der Boden unter ihr schwamm in einer bläulich schimmernden Flüssigkeit, bei der es sich nach Coffees Vermutung um ihr Blut handelte. Einiges davon klebte an den Wänden.

      Er nahm eine Probe und schob das Röhrchen in die dafür vorgesehene Öffnung an der Hüfte seines LiSi. Um den linken Ärmel leuchteten mehrere holografische Anzeigen auf, die ihn über den Fortschritt der Analyse informierten.

      Die auffälligste Wunde der Toten fand sich jedoch in der Herzgegend. Dort klaffte ein faustgroßes, fluoreszierendes Loch, von dessen Rändern Leuchtpartikel aufstiegen.

      Der Sol Guard-Mann konnte sich nicht erinnern, jemals in seinem Leben eine vergleichbare Wunde gesehen zu haben. Mithilfe des medizinischen Fachwissens seines SuperMindCell identifizierte er das Loch als eine Verletzung, die weder von einer Waffe noch von einem Kristall herrührte. Anscheinend war etwas aus der Frau herausgeplatzt oder mit Gewalt entfernt worden. Er ging in die Hocke und führte einen Close-Up-Scan durch, der in die Tiefen des Körpers eindrang. Dieser bestätigte ihm, dass sie keinen MindCell besaß – und sich ihre Genstruktur fundamental von der eines Menschen unterschied.

      Coffee stieß die Luft aus. Zu allem Überfluss fehlte ihr Herz.

      Welche Art Frau war das, vor der er kniete? Ein Laborexperiment? Oder doch ein Droide?

      Vielleicht keines von beiden …

      Gehörte jenes Wesen zu der neuen Produktreihe der Gyronics-Tech Corporation, die vor wenigen Monaten die perfekte Menschmaschine, den »Humoid«, auf den Markt gebracht hatte? Die Klonroboter existierten erst in geringer Stückzahl, besaßen durch die Zellregeneration ihrer organischen Teile relative Unsterblichkeit und durften aufgrund ihrer Fähigkeiten zur Imitation von Lebewesen, eines Unsichtbarkeitsmodus und ihrer Waffenbestückung, nur mit einer Sonderlizenz verkauft werden. Nevis Korvalinski besaß eine solche Lizenz.

      Coffee hatte Korvalinskis Humoid »Callisto« bei dessen Inbetriebnahme zum Leibwächter kennengelernt und die ganze Zeit eine nicht greifbare Bedrohung im Raum verspürt. Die halbsynthetischen Wesen der nächsten Generation umgab etwas Seelenloses. Sie strahlten Allmacht und Unbarmherzigkeit aus.

      Aber es spielte keine Rolle, um welche Lebensform es sich bei der Leiche handelte, denn sie hätte sich nicht in einem Hochsicherheitsbereich wie diesem befinden dürfen. Nicht einmal ein Humoid vermochte mithilfe seines Tarnsystems eine Mine zu infiltrieren. Geschweige denn ein Mensch.

      Über das Sonnensystem verstreut lebten zwar ethnische Gruppen, die den MindCell aus religiösen Gründen ablehnten, solche Leute ließ man aber nicht nach Kap Rosa einreisen. Zudem verhinderten in der Stadt tausende Kontrollpunkte durch Paralysestrahlen die Fortbewegung von Individuen ohne Biochip oder denen, deren DNA von der Norm abwich.

      Der