EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018). Andreas Bulgaropulos

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Название EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018)
Автор произведения Andreas Bulgaropulos
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742744098



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seiner Karriere, wenn ihn bereits die Newbies mit seinem Spitznamen anredeten. Und ausgerechnet er durfte heute den Aufpasser für dieses Spatzenhirn spielen. Höchste Zeit also, Tacheles zu reden. Er knurrte, ohne sich umzudrehen: »Dass hier keine Missverständnisse aufkommen, Cit … für dich bin ich nicht ›Coffee‹, sondern Master-Officer Cole Goffey, dein Vorgesetzter.«

      Cit glotzte und platzte heraus: »Oh … klaro … das ist … echt total cool, Mann. Habe ich absolut keine Probleme mit.« Er nahm Haltung an, salutierte und schnarrte im Militärjargon: »Ja, Sir! Verstanden, Sir!« Ein dämliches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. »Logo, du Boss, ich Untergebener … mackermäßig. Aber jetzt ma im Ernst … wär’ doch ätzend, wenn ich den Titelscheiß wie ›Sir‹ benutze. Wie soll ich’n dich also akut anreden, Kollege? Cole oder … Goff vielleicht?«

      Coffee drehte sich um. »Versuch’s mit Master-Officer Goffey.«

      Sein Gegenüber grinste noch breiter. »Geht in Ordnung, Coffee … Sir … äh, Goffey. Nenn mich einfach Cit, cool?«

      Coffee hatte in seinen Dienstjahren einige Vollidioten getroffen, aber der hier schlug alle anderen um Längen. Vielleicht würde er dem Kleinen zuerst beibringen, wie man einen Höflichkeitsabstand zu anderen Personen von mindestens fünfzig Zentimetern einhielt, sodass man seinem Gesprächspartner beim Reden nicht ins Gesicht spuckte.

      Wäre ein Anfang.

      Er atmete auf, als er draußen im Schacht die andersfarbigen Leuchtmarkierungen erkannte. Endlich drosselte der Highspeed-Lift in fünfhundert Kilometern Tiefe, am Beginn einer Brymm-Ader, die Fahrt. Der Kern des Mondes lag weitere achthundert Kilometer tiefer, doch bis der Schürfbetrieb dort ankam, würden noch Jahre vergehen.

      Während des Bremsens verformte sich der Lift zu einer Kugel, und die Passagierplattform im Inneren drehte sich in die waagrechte Position. Schließlich stoppte die Blase sanft am Boden der Röhre, in der sich gleich darauf ein Tor öffnete.

      Auch im Bioglas der Fahrstuhlkugel bildete sich eine Öffnung. Die beiden Sol Guard-Männer traten als erste ins Freie und gelangten über eine Rampe hinunter zum Zentrum der Minenzentrale.

      In der riesigen Halle herrschte Hochbetrieb. Jeder der acht nach außen zeigenden Arme des Zentralgebäudes, dessen Grundriss einem Stern glich, koordinierte die Arbeitsabläufe einer Sektion, und obwohl eine davon gesperrt war, erkannte Coffee in dem Treiben keinen Unterschied zu anderen Tagen.

      Er bedeutete seinem neuen Kollegen zu warten.

      Mit finsteren Blicken drängten die Bergleute an ihnen vorüber und verteilten sich auf sieben der acht Gebäudeeingänge. Die schlechte Laune war den Männern kaum zu verübeln, weil Cit bei seinem Selbstgespräch gegen den Lärmpegel des Aufzugs angebrüllt hatte. Leider trug Coffee als Teamführer die Verantwortung für das Benehmen dieses Burschen mit dem IQ einer Amöbe. Und die Chancen standen mehr als mies, ihn in naher Zukunft loszuwerden, denn Bazille war auf Weisung »von oben« zur Sol Guard gekommen.

      Unvermittelt verselbstständigte sich die Fantasie des Master-Officers, in der er sich mit den Minenarbeitern verbündete und den Jungen gefesselt und geknebelt vor eine aktive Laserfräse warf.

      Eine schöne Vorstellung. Von Arbeitsunfällen hörte man immer wieder.

      Dumm nur, dass er sich aus Zeitgründen den Papierkram wegen eines toten Einzellers nicht aufhalsen konnte. Wahrscheinlich gehörte er doch nicht zu den coolen Typen.

      Nachdem die Bergleute an ihnen vorbei waren, nickte Coffee Cit zu. Sie passierten den gesperrten Eingang, über dem »SEKTION 4, INAKTIVER BEREICH« auf einem Display blinkte. Im Anschluss an die Verifizierung ihrer Personensignaturen durchquerten die beiden Männer das Gebäude und bestiegen die Gleiterbahn, die sie dorthin bringen sollte, wo vor gut einer Stunde die rätselhafte Leiche entdeckt worden war.

      Die Tür-Kraftfelder bauten sich auf, und das schlanke Fortbewegungsmittel zischte durch den Tunnel davon.

      Coffee wies seinen Begleiter an, ebenfalls die Hand in das Injektionsgerät des Kopfschmerzmittels Silica-7 zu legen und verschwendete während der Fahrt keinen Gedanken an einen Wortwechsel mit Cit. Denn erstens besaß eher das Injektionsgerät die Intelligenz, Befehle zu begreifen. Und zweitens hatte Simon Isherhill, Coffees Chef, beim Briefing durchblicken lassen, wie gelegen ihm ein zügiges Versagen des Jungen käme.

      Geritzt!, freute sich der Master-Officer innerlich und orderte am Getränkeautomaten der Bahn einen Kaffee. Inoffiziell will man ihn feuern, also werde ich dem natürlichen Lauf der Dinge nicht im Weg stehen.

      Da der Kleine den Job durch seinen Onkel bekommen hatte, der im Skyrock-Firmenvorstand saß, waren Isherhill und Korvalinski offensichtlich solange die Hände gebunden, bis Bazille sich einen Superpatzer leistete. Sollte der Junge also ruhig in dem Stil weitermachen, dann landete er mit der Nase richtig schön in der Scheiße.

      Als die Bahn nach ihrer einminütigen Fahrt hielt und die Türen aufzischten, verstummte Cits Gefasel abrupt: Die zwei Männer wurden von blauem Leuchten empfangen. Sie stiegen aus und betraten das Herz des Brymm.

      Die Strahlen der Gangscheinwerfer brachen sich überall in dem Mineral, an den Wänden, dem Boden und der Decke – Myriaden Lichtreflexe, die sich so oft spiegelten, bis das Glitzern ein Eigenleben zu entwickeln schien.

      Coffee genoss die Einsätze, die ihn in die Minentunnel führten. Wenn er jemandem dieses Meer aus tiefem Blau beschreiben wollte, verglich er es mit dem Aufenthalt in einem Saphir von der Größe eines ganzen Höhlensystems. Ein unvergessliches Erlebnis für die Privilegierten, die Zugang hatten. Voller Genugtuung beobachtete er seinen Begleiter, der den Lichterglanz angaffte und dessen Kinnlade der Schwerkraft folgte. Sogar Einzellern rang der Anblick ein Höchstmaß an Ehrfurcht ab. Endlich hält die Nervensäge für ein paar Minuten das Maul.

      »Heilige Turboscheiße! Is’ ja voll abgefahren hier«, röhrte Cit.

      Coffee schloss in stillem Gebet die Augen. Der Idiot war durch nichts zu beeindrucken.

      »Geilomat, Bruder! Das ist … soo scheiiiiß blau. Yeeha! Wow, mir fehlen voll die Worte. Warum haste mir nich vorher gesagt, wie krass das ist, hä? Dann wär ich längst mit meiner Freundin hergekommen. Imponiert den Weibern ja immer, so ’ne beknackte Romantikkacke.« Cit kicherte senil. »Da kann man schön ’ne Nummer auf dem blauen Zeug schieben! Na ja, was nich ist, kann ja noch warten, was Goff?«

      Der Master-Officer sparte sich jeglichen Kommentar und setzte sich in Bewegung, war jedoch zu seinem Leidwesen nicht außer Hörweite, als seinen neuen Kollegen eine Eingebung heimsuchte.

      »Hey, mir kommt ’ne Idee! Ich hab gehört, du machst in deiner Freizeit mit’n paar anderen Pfeifen so ’ne bescheuerte Rap- oder Soul- oder Wasweißichmucke. Kann mit so ’ner Gülle eh nix anfangen, aber könntest du nich die superabgefahrenen Lyrics aus der Minenthematik machen? Genau … ich hab’s! Du nennst den Scheiß den ›Miner 2049er-Rap‹, und du und deine Kumpels zappelt euch dann so tierisch einen ab, wie die echten Berghirnis bei der Schufterei, klaro? Und … hey … hey, warte auf mich. Denk aber dran, das ist meine Idee. Nich, dass es hinterher heißt, du wärst drauf gekommen, green? Und falls du dich nich traust, kann ich ja mitmachen. Würde mich zu so ’ner Scheiße überreden lassen, wenn die Kohle stimmt. Ich hab … jetzt bleib doch mal stehen, Bruder. Ich hab zwar noch nie gesungen … aber kann ja nich so schwer sein. Ich komme bei eurer nächsten Probe mal mit und …«

      Sackgesicht!

      Coffee setzte sich von Bazille ab. Sollte diese Entgleisung menschlichen Fortpflanzungsdrangs doch hier unten verrotten. Er hatte einen Job zu erledigen.

      Um 05:44 Uhr erreichten sie den Eingangsbereich zu Sektion 4, der seit einer knappen Stunde durch zwei Kommandos von Lockdown-Droiden gesichert wurde, Roboter-Einsatzkräfte, welche die Sol Guard an Schlüsselpunkten in Kap Rosa stationiert hatte. Ihre Aufgabe beinhaltete das Abriegeln von Tatorten oder Entspannen kritischer Situationen, wenn ein Sol Guard-Team nicht innerhalb von fünfzehn Minuten präsent sein konnte. Da in den Förderbereichen dieser Sektion gegenwärtig nicht an den Laserfräsen gearbeitet wurde, bestand