Bill & Bill. Xaver Engelhard

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Название Bill & Bill
Автор произведения Xaver Engelhard
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752900934



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gekocht, sondern sich an den Lebensmitteln vergangen. Die Lieblosigkeit in Person! Lebte der Welt zum Vorwurf. Wollte verhindern, dass irgendwer Gefallen finden könnte am Essen. Ich hab nie herausgefunden, wessen Verwandte sie eigentlich war. Nicht meine Tante, soviel steht fest. Sie ist gleich nach Großvaters Tod spurlos verschwunden, heißt es, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie freiwillig gegangen ist. Kein Beruf, keine Ausbildung, kein Geld! Dabei war sie nicht hässlich. Nur ihre Kleider! Schwer zu sagen, wie alt sie war. In den Klamotten hätte jede wie 50 ausgesehen, andererseits hat diese Frisur vielleicht die lose Haut nach hinten gezogen wie bei einem Lifting. Eine Haushälterin, die nicht kochen kann, nicht putzen mag und den ganzen Tag in Büchern schmökert, auf deren Umschlag eine halb entblößte Heldin von einem Typ mit Muskeln und Bartstoppeln aus dem brennenden Schloss gerettet wird. Sie ist nie ausgegangen, ihre Brille war ein halbes Jahr mit Leukoplast repariert, als könnte sie sich keine neue leisten, und sie hat Bessie verachtet, deren Job sie dann übernehmen musste, eine perfide Strafe, aber leider nicht nur für sie, sondern auch für uns, die jetzt das Essen vorgesetzt bekamen, das sie in der Küche grausam hingerichtet hatte. Immerhin hat es mich abgehärtet gegen den Gefängnisfraß. Und Großmutter und Großvater sagten nichts. Nahmen es hin wie eine biblische Prüfung.

      Der Kalender ist vier Jahre alt. Als würde die Zeit hier genauso wenig vergehen wie im Knast. Großvaters alter Traum! Sein Arbeitszimmer - wie ein Museum! Alles eingemottet. Als wäre er bloß verreist und könnte jederzeit wiederkommen. Bräuchte bloß die Laken wegzureißen, die ausschauen, als hätte irgendwer drauf gepisst.

      Großartig! Als wenn es keinen Schuppen gäbe! Ein Traktor im Wohnzimmer! Großvater würde einen seiner Anfälle kriegen. Besser, er bleibt, wo er ist. Frag mich allmählich, was sie wohl mit meinem Zimmer angestellt haben.

      Seltsam, wie die Beine nach all den Jahren noch immer jede Stufe kennen! Könnte sie immer noch blind hochsteigen und weiß genau, welche knarzen und welche nicht. Welche man besser vermeidet, wenn man heimlich wieder runter schleicht zu Bessie und dem Fernseher. Wussten es vermutlich eh, aber es genügte ihnen, so tun zu dürfen, als ob. Das Dekorum wahren, während um einen herum die Welt untergeht, die Rassenschranken brechen und ich und Bessie auf der Küchenbank sitzen, Kekse futtern und Gilligan’s Island oder Batman anschauen! Ihr war es völlig egal, was sie sagten. Sie hat gekocht, was sie wollte, und jeden Sommer ist sie für vier Wochen verschwunden, und nach ihrem Tod kommt raus, dass sie gar nicht Bessie hieß, sondern Berenice und einen Haufen Verwandte in Louisiana hatte und das Geld, das sie aus der Haushaltskasse klaute, während ihrer Urlaube auf Casino-Schiffen verspielte. Großvater hat nur gelacht, als er das erfahren hat, und gesagt, dass das Leben auf Betrug beruhe und der Tod die große Desillusionierung sei. Seiner war es auf jeden Fall. Ich hatte nie auch nur darüber nachgedacht, ob er vielleicht sterblich sein könnte, so sehr ähnelte er in meinen Augen einer Naturgewalt oder einer antiken Gottheit, da kommt er einfach nicht vom Mittagsschlaf zurück, obwohl ich auf ihn warte mit den Schlägern und einem Aufsatz über die Dinosaurier in der Mongolei und die Suche nach ihren Knochen. Sein Kinn ist herabgesunken, eine karierte Decke liegt auf den Knien; und ich renne hinaus und werfe die Schläger in die Rosen und reiße die Tore aus dem Rasen, die ideale Prüfung für Herz und Charakter, aber er hilft immer mit dem Fuß nach, als wäre ich blind, als wäre es ihm egal, ob ich es sehe, weil es sein spezielles, in keinem Regelbuch festgelegtes Privileg ist, und ich werfe sie in das Gebüsch und renne nach oben und schlüpfe in den besten meiner drei schwarzen Anzüge, den Fredda schon für mich bereitgelegt hat, und lasse mich von Großmutter umarmen und renne hinaus und sammle die Schläger wieder ein und die Bälle und zerhacke sie und verbrenne sie im Franklin-Ofen im Schuppen, während die Frauen Likör schlürfen und Whiskeypflaumen naschen mit dem Priester, seinem besten Freund, der jeden Donnerstag zu Besuch kam und mit ihm Schach spielte und die Existenz Gottes disputierte, so nannten sie das, und immer in allem verlor und Haltung bewahrte, woran ich mir ein Beispiel nehmen sollte, aber mir war es egal: Ich renne nach oben mit dem Beil und zerhacke das Theater und die Kulissen und köpfe die Puppen eine nach der anderen; und der Priester kommt nach oben, um mir in meiner Trauer beizustehen, dabei ist es Wut, Wut auf den Tod und auf ihn, der mich einfach allein lässt, wieder allein, und er legt mir die fleischige Hand in den Nacken und sagt, er war kein Zyniker allem Anschein zum Trotz, sondern ein von den Menschen enttäuschter Idealist und ein großer Sportsmann; und ich sag ihm das mit dem Schummeln beim Krocket nicht und ich sag ihm das nicht von meiner Angst und werfe die Trümmer und Bücher zum Fenster hinaus und baue einen Scheiterhaufen, während Fredda Häppchen bereitet, irgendwas Widerliches mit Hüttenkäse, und Großmutter Winston anruft und der Priester eine Anzeige komponiert, wie er es nennt; und ich finde das Benzin im Schuppen, und mir ist es egal, aber irgendwie war es schade um die Bücher und die Comics.

      Hier ist sie. Im kleinen Salon, wie sie es immer nannte, im Nähzimmer, wie Bessie sagte. Der Sessel will sie verschlingen wie das Maul eines Wals. Die Füße reichen nicht zum Boden. Ein Totenschädel mit ein wenig weißem Flaum.

      William! Kein Zögern nach all den Jahren. Ein Lächeln flackert über das Gesicht.

      Hallo Großmutter! Ich nehme die Hand, die sie nicht mehr richtig heben kann. Wie zerbrechliches Porzellan. Aber immer noch dieselbe Korallenkette, dieselbe Brille, dieselben Augen!

      Du warst lange weg, krächzt sie wie eine Krähe.

      Du weißt, wo ich war.

      Natürlich! Wie gefällt’s dir denn in Princeton?

      Ich bin nicht in Princeton, Großmutter. Ich hole einen Hocker und setze mich zu ihr. Ich war im Gefängnis.

      Ich wusste, es würde dir gefallen. Es ist so eine gute Schule! Die beste! Dein Urgroßvater hat ihr viel Geld vermacht, aber ich hoffe, du lässt es dir nicht anmerken. Bescheidenheit ist eine Zierde, hat er immer gesagt. Du musst bald fertig sein. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich dich das letzte Mal gesehen habe. War das bei Großvaters Begräbnis? Das muss bald vier Jahre her sein.

      Großvater ist vor über sieben Jahren gestorben.

      Alle sind sie gegangen: Erst deine Mutter, dann Bessie, dann Fredda, dann Großvater, dann du!

      Und Amy! Alle vergessen, vergessen ständig, nur ich nicht, kann nicht, will nicht, weil wir nichts sind ohne Schmerz.

      Richtig! Die kleine Amy! Sie schüttelt kurz den Kopf. Und du studierst fleißig? Jurisprudenz, nicht wahr? Wie Großvater dir geraten hat!

      Ich studier sie nicht, ich hab sie am eigenen Leib erfahren, die scheiß Jurisprudenz. Willkürliche Routine, welche die Menschen vor Überlastung und Wahnsinn schützt, sagte er. Meistere sie, um sie zu überwinden!

      Hast du etwa gerade geflucht? Das würde ich als höchst ungehörig empfinden in meiner Gegenwart.

      Das hab ich nie.

      Ich weiß, mein Liebling! Deshalb habe ich mich ja auch gewundert. Du warst schon immer höchst rücksichtsvoll. Was macht deine Gesundheit?

      Besser! Viel Besser! Nur ein paar Monate Kodein-Entzug, bis Doro auf den Dreh mit Bens Pillen verfallen ist.

      Das freut und erstaunt mich. Gibst du denn Acht auf dich? Du warst so empfindlich als Kind. Großvater hat sein Bestes versucht, aber deine Konstitution war so gar nicht die seine.

      Ich habe den Alkohol nicht so gut vertragen wie er, das ist alles. Mittelmaß sucht Mäßigung, der Mutige findet sein Maß im Unermesslichen, sagt er und stolpert mit dem Whiskeyglas in der Hand durch den Garten auf der Suche nach Sam.

      Es ist schade, dass er nicht miterleben darf, wie du dich entwickelt hast. Er wäre so stolz gewesen auf dich als seinen Erben.

      Da bin ich mir sicher. Betrug beim Krocket, Fehlspekulationen an der Börse und eine, wenn man Fredda glauben darf, unehrenhafte Entlassung aus der Marine sind ein gewichtiges Vermächtnis. Ein Auftrag geradezu!

      Dass Fredda einfach durchgebrannt ist, weißt du, oder? Von einem Tag auf den anderen! So undankbar! Die Vandenbergs, die inzwischen leider weggezogen sind, wie ja die Nachbarschaft überhaupt ziemlich gelitten hat, jedenfalls haben die Vandenbergs behauptet, ein Mann habe sie abgeholt. Spät nachts! Das sagt ja wohl alles.

      Man kann nur hoffen, dass