Название | Bill & Bill |
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Автор произведения | Xaver Engelhard |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752900934 |
„Rien ne va plus!“ verkündete Pierre, setzte das Rad in Bewegung und schickte die Kugel auf eine Kreisbahn, entlang der sie inmitten gebanntem Schweigen immer neue Runden drehte. Der General hatte drei Chips mitgebracht und war der einzige, der überhaupt setzte. Die anderen Spieler hielten sich zurück und hatten sogar die Chips wieder eingesammelt, die bereits auf dem Samt lagen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Kugel endlich an Geschwindigkeit verlor, in immer tiefere Umlaufbahnen geriet und schließlich in eines der Fächer des Rads fiel. Und zwar ausgerechnet in das der 3, der Zahl des Generals! Dieser verzog angesichts dieses Wunders keine Miene. Er nahm den Gewinn, den Pierre ihm zuschob, wie einen ihm selbstverständlich zustehenden Tribut in Empfang und setzte alles erneut auf die 3. Wieder beteiligte sich niemand sonst an dem Spiel, das keines war. Wieder gewann der General, und wieder ließ er den Gewinn auf der 3 stehen. Nachdem er zum dritten Mal gewonnen hatte, nahm er einen Chip von dem Haufen, den Pierre ihm mit dem Rechen zuschob, warf ihn Pierre zu, als würde er einen Straßenköter füttern, und wandte sich abrupt zum Gehen. Ein Adjutant, der ihm unauffällig gefolgt war, trat an seine Stelle, öffnete einen schwarzen Aktenkoffer und verstaute in diesem die Chips, während sein Chef, ohne irgendeinen der Umstehenden auch nur eines Blicks zu würdigen, durch die Menge schritt und dem Ausgang zustrebte. Pierre steckte den Chip des Generals zu denen des Hauses, die vor ihm in länglichen Holzschalen aufgereiht waren.
„Das war Betrug! Das war ein scheiß Betrug!“, empörte sich Bill, als er mit Pierre, die Krawatten lose um die hochgeschlagenen Hemdkrägen geschlungen, im Morgengrauen die breite Eingangstreppe des Kasinos hinabstieg. „Wie kannst du dich für sowas hergeben?”
Pierre warf seinem Freund einen amüsierten Blick zu.
„Mein Gott, Bill, du bist Dealer! Du glaubst doch nicht etwa, dass dort drinnen Glücksspiele veranstaltet werden?”
„Natürlich weiß ich, dass das Haus immer gewinnt.” Sie hatten einen Treppenabsatz erreicht. Zu ihren Füßen lag die Auffahrt mit dem Springbrunnen. Zwischen den Barockfassaden der gegenüberliegenden Häuser hindurch hatten sie Blick auf das völlig reglose, vom Morgenlicht rosa gefärbte Meer, auf dem die Fischerboote zurückkehrten. „Aber es gibt immer die Möglichkeit, dass ein einzelner doch einmal Glück hat! Es wäre sonst doch nicht auszuhalten. Das wäre wie lebenslänglich Gefängnis. Und zwar ohne Aussicht auf Begnadigung!“
„Was du Glück nennst, ist nur Zufall. Und von einer höheren Warte aus gesehen gibt es nicht einmal den. Und erst Recht keine Gnade! Das Haus gewinnt immer, egal, ob du dich an die Regeln hältst oder nicht.“
„Ich hasse solche Machenschaften und Absprachen.“ Bill riss sich die lose Krawatte vom Hals, knäulte sie zusammen und stopfte sie in die Anzugjacke.
„Tatsächlich?“ Pierre musterte seinen Freund halb verwundert, halb belustigt. „Dabei kann es dir doch eigentlich egal sein, wem das Kasino Geld zusteckt. Dass es eher zu den Militärs hält als zu den Aufständischen, sollte dich nicht überraschen. Und wenn du so ein Feind von Betrügereien bist, müsstest du dich auch über Battista und die manipulierten Wahlen oder über die United Fruit Company aufregen, die den Bauern das Land raubt.“
„Das ist Politik.“ Bill schüttelte störrisch den Kopf. „Damit habe ich nichts zu tun. Ich mag es aber nicht, dass für so ein verdammtes Arschloch in Uniform sogar hier, im Tempel des Glücks, die Regeln verbogen werden.“
„Vielleicht hast du es noch nicht mitbekommen, aber es gibt auf Kuba keine Regel außer der, dass vor allem Arschlöcher in Uniform tun dürfen, was sie wollen.“
„Meinetwegen! Aber sie sollen dabei nicht dem Zufall ins Handwerk pfuschen! Ausgerechnet hier, wo ein Zugschaffner wie Battista Diktator und die Söhne von Großgrundbesitzern zerlumpte Revolutionäre werden dürfen! Ausgerechnet jetzt, da alle hektisch kaufen und verkaufen, weil keiner weiß, was das nächste Jahr bringt: eine Revolution oder den nächsten Coup der Mafiosi aus Las Vegas.“
„Damit hast du sicher Recht.“ Pierre schmunzelte. „Es ist die Zeit gekommen, dass auch wir, die Sklaven des Hauses, die Chance nutzen und unsere mageren Chips setzen sollten.“
Bill hielt inne und musterte seinen Freund argwöhnisch.
„Du meinst, dieser verrückte Castro könnte es bis nach Havanna schaffen?“
„Unser General zumindest scheint Angst zu haben. Warum sonst würden er und die Junta sich zu so einer Machtdemonstration hinreißen lassen?“
„Die Kugel rollt also in mehr als einer Hinsicht.“ Bill nickt und fühlte sich bestätigt.“
„Sie rollt; und die Dinge sind in der Schwebe wie schon lange nicht mehr.“ Pierre gab seinem Freund zum Abschied einen Klaps auf die Schulter und floh, als hätte er Angst, zu viel zu verraten.
Schaut verfallen aus, das Haus. Wie das Haus Usher! Als wäre es zusammengeschrumpelt und mit jedem, der es verlassen hat, ein bisschen kleiner geworden. Als würde gar keiner mehr drin wohnen, aber zumindest das hätte ich doch erfahren oder? Der First hängt durch; die Wände haben Risse. Ein richtiger Schandfleck, und ich wette, die ganzen Millionäre in der Gegend hassen sie dafür. Und das ist kein Rasen mehr, das ist eine Prärie, ein Spielfeld für Büffel und Indianer, aber nicht für Krocket, dem Zeitvertreib wahrer Gentlemen. Da würde man nicht einmal mehr die Tore sehen, von den Bällen ganz zu schweigen. Ein Strategiespiel nannte er es, einen Charaktertest, und dann ließ er keine Chance aus, zu betrügen, was mir zu denken hätte geben sollen, aber ich war noch dumm damals, blind, und wurde richtig frei erst in der Zelle. Wehe, mein Ball landete im Rhododendron! Das gab gleich Strafpunkte, dabei hat er den Rhododendron gehasst und des Wucherns und der Maßlosigkeit bezichtigt im Gegensatz zu den züchtigen Rosen, seinen Lieblingen. Wehe, Sam hat es mal gewagt, sie anzupinkeln oder seinen Knochen zwischen ihnen zu verbuddeln! Am Ende wurde er selbst zwischen ihnen begraben. Rosendünger! Zu mehr hat der Köter eh nicht getaugt, aber nein, er war ja das Idealbild eines Hundes, das Gott vor Augen stand, als er die verdammten Kläffer schuf, und dann drischt er ihm mit dem Krocket-Schläger die Birne ein, bloß weil er hinkend und furzend dem Idealbild immer weniger gerecht wird. Und ich bin mir sicher, ich war nur deshalb dauernd krank, weil ich immer im Regen mit ihm spielen und als besonderes Handicap seinen Schirm für ihn halten musste, weshalb ich nur mit einer Hand schlagen konnte und selbst immer nasser wurde; und diese verdammten Dauerläufe in diesen verdammten Hosen, die Großmutter mir gestrickt hat, als wäre ich ein zu groß geratener Säugling, und die ich ab der zweiten Runde irgendwie daran hindern musste, mir in die Kniekehlen zu rutschen, weil sie sich mit Regenwasser vollgesogen hatten, und die Hochsprunganlage, die mich unter sich begrub, wann immer ich riss, und die halbe Stunde Hüpfseil mit nacktem Oberkörper und die scheiß kalten Bäder, das hat auch alles überhaupt nicht zu meiner Gesundheit beigetragen, wie er immer behauptet hat, sondern hatte genau den gegenteiligen Effekt und bewirkte, dass ich für zwei Tage, die ich gesund war, einen im Bett verbrachte, und wenn ich das früher gewusst hätte, das mit dem Kodein im Hustensaft und dem Alkohol in den Toddys, vielleicht hätte ich mich gewehrt, aber ich war schon süchtig, bevor ich überhaupt wusste, was Drogen sind, süchtig nach ihrer Liebe und seiner Anerkennung, und Befreiung ist, allem zu entsagen, was uns bindet, allem, was uns freut und liebt, was schwierig ist für ein Kind, ein Kind,