Cemetery Car®. Angelika Nickel

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Название Cemetery Car®
Автор произведения Angelika Nickel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847660392



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kann sie auch erst loslassen, von dieser Welt gehen, wenn sie alles geklärt hat, was sie noch klären muss.« Die Lippen krampfhaft zusammengepresst, schaute sie zu Boden. »Vielleicht ist sie mit dem Dämon ja auch noch nicht im Reinen.«

      »Was redest du denn da?« Quentin hielt sie am Arm fest und zwang sie wieder einmal, ihm ins Gesicht zu sehen. »Wir sind nicht in einem Film, das hier ist unser Leben. Und da wird niemand von Geistern und Dämonen umzingelt … Du nicht, und ich auch nicht.« Seine Hand ballte sich zur Faust. »Ich könnte dieser Nora den Hals umdrehen«, fauchte er.

      »Und wenn doch?« Kim ließ sich nicht davon abbringen, dass in der Villa Punto eben doch nicht alles so war, wie es sein sollte, und wie es bei anderen Leuten normal war.

      »Und wenn doch, was?« Mit beiden Händen raufte er sich das Streichholz kurze Haar. »Es gibt keinen Dämon, hier in diesem Haus. Und auch keine herumgeisternde Tante Evelyn. Merk dir das endlich!« Er war am Rande seiner Geduld.

      »Das sagst du so einfach daher. Aber alle Zeichen sprechen dagegen.« Kims Augen glitzerten feucht. Tränen schillerten darin.

      Als Quentin dies sah, seufzte er: »Weißt du was, Kleines, morgen gehen wir diese Madame Zink besuchen. Nora behauptet, dass sie eine Freundin von Tante Evelyn war.« Mit dem Finger schob er eine Locke von ihrer Stirn. »Vielleicht weiß sie, was in diesem Haus vor sich geht. Womöglich kann sie uns etwas erzählen, das uns gewisse Vorkommnisse, in einem anderen Licht sehen lassen wird.« Seine Hand suchte nach der ihren und hielt sie fest. »Vielleicht weiß sie auch, was es tatsächlich mit diesem Modergestank und dem Lavendelduft auf sich hat.« Er ließ ihre Hand wieder los, pfiff Rhapsodie zurück, schob Kim vor sich aus dem Zimmer und verschloss die Tür. Anschließend zog er den Schlüssel ab und steckte ihn in die Hosentasche. »Damit du nicht auf noch mehr dumme Gedanken kommst.« Quentin war anzumerken, dass für heute sein Pensum an Dämonenhypothesen ausgereizt war. Es war unverkennbar, dass er nichts mehr darüber hören wollte.

      Deswegen schwieg Kim, und sagte ihm nicht, was sie auch weiterhin bedrückte und ängstigte.

      Nachdem sie wieder in der Küche waren, legte sich eine betretene Stille zwischen sie.

      Gemeinsam belegten sie nochmals Toastbrotscheiben und schoben das Blech für zehn Minuten in den vorgeheizten Ofen.

      Dieser Tag stand wahrlich unter dem Motto Hawaii Toast, denn eine andere Auswahl hatten sie nicht.

      Nach dem Essen zwangen sie sich dazu und räumten noch drei Stunden lang Kartons aus, wobei sie vergaßen, dass sie doch eigentlich längst zu Bett gegangen sein wollten, wären da nicht Rhapsodies Bellen, Evelyns offene Zimmertür und Quentins Hunger gewesen.

      Den Inhalt der Kartons breiteten sie auf der U-förmigen Couch im Wohnzimmer, auf dem Tisch und auf dem Fußboden aus, auf der Suche, nach einem neuen, geeigneten, dauerhaften Platz für diese Dinge, ihre Habseligkeiten.

      Ihr neues Leben bedeutete ein totales Umdenken; ein Absagen ihres alten, gewohnten Lebens.

      Ein Eintreten in eine fremde, unbekannte Zukunft.

      Und Fragezeichen über Fragenzeichen, was die Daseinsform von Geistern und Dämonen anging; auch, wenn Quentin den Gedanken daran zu verdrängen versuchte, und Kim sich davor fürchtete.

      14 - Madame Zink

      »Ich weiß nicht, Schatz, ob wir einfach so, ohne, dass wir uns vorher angemeldet haben, zu dieser Madame Zink gehen sollen. Gehen können.«

      »Hör zu, Kim, ich habe ganz einfach die Nase voll, von all dem Dämonengeschwätz, der Einbildung von Gerüchen, und all dem Zeug. Wenn es überhaupt jemanden gibt, der meine Großtante gut gekannt zu haben scheint, dann ist es diese Madame Zink. Obwohl ich zugeben muss, dass ich, bei dem Wort Madame, auch bereits wieder in Habtachtstellung gehe. Etwas eigenartig ist dieser Name ja schon.«

      »Quentin, vermute doch nicht hinter allem und jedem etwas.«

      »Dass ausgerechnet du, das sagst. Du bist es doch, die, seit wir diese Nora kennen gelernt haben, immer wieder glaubt, Gerüche zu riechen …«

      »Das ist jetzt aber sehr unfair. Wer hat denn heute Nacht gesagt, dass es nach Moder riecht?«

      »Zugegeben, das war ich. Nach dem Lüften war der Gestank aber auch weg. Von daher, wenn es einen Dämon in unserem Haus geben würde, glaubst du tatsächlich, dass dann auch der Gestank verschwunden wäre? Oder, dass er sich, einfach mal so, weglüften lassen würde?«

      »Der Gestank würde aber auch dann verschwunden sein, wenn der Dämon den Raum wieder verlassen hätte«, antwortete Kim leise.

      Quentin konzentrierte sich auf die Straße, ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, während Kim in ihrer roten Handtasche nach ihren Zigaretten kramte.

      »Du solltest dir das Rauchen abgewöhnen, Kleines, dann bräuchtest du nicht ewig nach diesen verdammten Dingern zu suchen.« Er betrachtete sie mit einem schrägen Seitenblick. »Und gesünder wäre es auch!«

      »Ph, um dann wie eine Tonne durch die Gegend zu wandeln? Nein danke. Außerdem, ich mag meine Zigaretten, und dazu eine schöne Tasse Kaffee oder ein Glas Rotwein.«

      »Das brauchst du mir nicht zu sagen. Niemand weiß das besser als ich.« Er wechselte das Thema. »Sieh mal, dort vorne, das Haus. Ob es das wohl sein könnte? Wo diese Madame wohnt?«

      »Woher soll ich das wissen?«, antwortete Kim schnippisch. Sie mochte es nicht leiden, von Quentin immer wieder auf ihr Laster angesprochen zu werden.

      Bisher hatte sie noch keinen Grund gesehen, mit dem Rauchen aufzuhören, auch wenn die ganze Welt derzeit, die Raucher verdammte, sie ausschloss, ihnen sogar verbot, in öffentlichen Lokalen zu rauchen, und all so ’n Scheiß.

      »Ph!«, sie holte tief Luft.

       Doppelmoral und Verlogenheit, nichts weiter, ist das!

      In Kim brodelte es, wenn sie nur daran dachte.

      »Hab‘ ich’s nicht gesagt! Du solltest damit aufhören.«

      »Ach, hab‘ mich gern.« Nach einem neuerlichen Hustenanfall, fauchte sie: »Du kannst mich mal!«

      »Aber, Süße, Liebes, dich gern haben, das hab‘ ich doch sowieso«, gab Quentin eilig, in spaßigem Ton zurück, denn er bemerkte, dass Kims Laune auf den Nullpunkt zu sinken drohte. »Schau doch nur, Rhapsodie, wie zufrieden er auf dem Rücksitz liegt«, versuchte er, sie vom Thema abzulenken und auf andere Gedanken zu bringen.

      Kim drehte sich auch prompt zu dem Hund um. »Na, Rhapsodie, gefällt es dir bei uns?« Zum Dankeschön streckte er sich und schleckte bereits wieder Kims Hand ab.

      »Nicht, Rhapsodie, du weißt doch, dass ich diese Ableckerei nicht mag.« Sie wanderte mit der Hand zu seinem Bauch und strich ihm darüber.

      »Wir sind da!«, rief Quentin aus und steuerte Cemetery Car auf eine große sandige Fläche und parkte ihn dort.

      Vor ihnen lag ein kleines Häuschen, das sehr an das Hexenhaus aus Hänsel und Gretel erinnerte. Es war ein kleines, etwas schiefes Haus. Nur, dass es, anstelle von Lebkuchen, aus rotbraunen Klinkersteinen bestand.

      Neben dem Haus wuchs eine alte Birke. Schief gewachsen, streckte sie ihre dicken Äste schützend über dem Dach des Hauses aus.

      Der Vorgarten war mit großen und kleineren, runden und dickbauchigen Steinen ausgelegt. Zwischen ihnen wuchsen Bodendecker heraus.

      Auf der anderen Seite grünte es. Dort wucherten bunte Blumen aus der Erde, und über der Eingangstür hingen getrocknete Sträucher.

      Hinter den Fensterscheiben waren Pflanzen der unterschiedlichsten Sorten nebeneinander angereiht, und davor hingen dünne Vorhänge, auf denen Krähen und Papageien aufgedruckt waren.

      Als Quentin dies sah, murmelte er leise vor sich hin: »Na wunderbar, noch eine Krähenliebhaberin. Wer weiß, die hat vielleicht einen