Cemetery Car®. Angelika Nickel

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Название Cemetery Car®
Автор произведения Angelika Nickel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847660392



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vom Anblick dieses verträumten Häuschens.

      »Nein, nein, ich habe nur laut gedacht.«

      Sie hatten die Eingangstür erreicht. Auf dem bunten Namensschild, das einen Hahn darstellte, stand, in geschwungenen Buchstaben Madame Zink

      Etwas darunter und in etwas kleiner gewählten Buchstaben, stand ein weiterer Name: Professor Gräulich

      Die beiden schauten sich zwar verwundert an, sagten aber nichts. Sie würden wahrscheinlich noch früh genug erfahren, um wen es sich bei diesem Professor handelte.

      Denn daran, dass Nora diesen Namen erwähnt hatte, konnten sie sich beide nicht erinnern.

      Quentin betätigte die Türklingel und bereits im nächsten Moment dröhnte der dumpfe Klang eines Nebelhorns durch das Hausinnere.

      Lautes Gebell ertönte, und Schritte näherten sich der Tür.

      »Nickel, wirst du jetzt wohl still sein! Wir werden gleich sehen, wer uns besuchen kommt«, hörten sie von drinnen, eine Frauenstimme sagen.

      »Es wäre besser, wenn du Rhapsodie anleinen würdest«, schlug Quentin Kim vor.

      Doch sie war bereits dabei, ihren Hund an die Leine zu nehmen.

      »Mach‘ ich schon«, antwortete sie ruhig, und tätschelte Rhapsodie beruhigend über den Kopf.

      Die Tür öffnete sich mit einem hastigen Ruck und ein brauner Cockerspaniel kam herausgesprungen. Knurrend blieb er vor Quentin stehen, während er Kim anscheinend noch nicht einmal beachtete.

      »Hunde scheinen nicht sonderlich auf dich zu stehen, Liebling«, flüsterte Kim, die sich dem Cocker zuwandte und ihm ihre Hand zum Schnuppern hinhielt.

      Gleich darauf stellte der Cocker sein Knurren ein. Dafür beschnüffelte er jetzt Rhapsodie. Er sprang um ihn herum, als freute er sich, ihn zu sehen.

      »Rhapsodie?«, fragte die Frau in der Tür, überrascht. Sie sah die beiden jungen Leute an, und lächelte. »Wenn das Rhapsodie ist, dann müssen Sie Quentin sein.« Freundlich hielt sie Quentin die Hand zum Gruß entgegen.

      Verdutzt schaute er sie an, wobei er mechanisch ihre Hand ergriff.

      Vor ihm stand eine Frau, die ganz anders aussah, als er sie sich, nach Noras Erzählungen, vorgestellt hatte.

      Von Nora wussten sie, dass sie fast fünfzig war, doch das sah man ihr nicht an. Sie hatte langes braunes Haar, offene braune Augen, und bekleidet war sie nicht, wie er es erwartet hatte, mit einem grauen Kostüm, sondern mit einer schwarzen Jeans, einem kobaltblauen Strickpulli, während ihre Füße in lustigen breitfüßigen Froschschlappen steckten.

      An ihrem linken Handgelenk trug sie eine breite gelbe Uhr, am rechten einen noch breiteren silbernen, indianerschmuckartigen Armreif, der mit türkisfarbenen Steinen besetzt war.

      »Kennen wir uns? Waren Sie auch beim Tierarzt, als wir dort waren?«, erkundigte Quentin sich.

      »Ich, beim Tierarzt? Nein, schon lange nicht mehr. Ich versuche, meine Tiere selbst zu heilen. Habe da so meine Pülverchen und Mittelchen.« Mit offenem Blick, lachte sie ihn an. »Aber, aber, was bin ich ungastlich! Lasse Sie hier einfach vor der Tür stehen. Kommen Sie doch, bitte, herein.« Sie machte einen Schritt zur Seite und ließ die beiden eintreten.

      Auch Rhapsodie folgte, und neben ihm lief der Cocker schwanzwedelnd einher.

      Madame Zink lächelte, als sie die beiden Hunde beobachtete. Zu Kim und Quentin gewandt, sagte sie: »Seien Sie nicht verwundert, die beiden Hunde mochten sich schon immer. Mein Nickel und Rhapsodie, sie spielen gerne miteinander.«

      »Woher wissen Sie, dass der Hund Rhapsodie heißt?«, fragte Kim perplex. »Und wieso, glauben Sie, ihn zu kennen?«

      »Na, ich bitte Sie. Das ist doch Evelyns Hund! Folglich ist doch klar, dass ich den Namen von dem Hund auch kenne«, antwortete Zink, augenscheinlich doch recht verwundert, über Kims Frage.

      Kim schluckte, und sah Madame Zink mit großen Augen an.

      »Wir haben den Hund nicht von meiner Großtante. Wir haben ihn angefahren, und hilflos am Straßenrand liegend gefunden. Daraufhin haben wir uns ihm angenommen, und sind mit ihm zum Tierarzt gefahren«, erklärte Quentin.

      »Und den Namen Rhapsodie, den haben wir ihm erst gegeben. Der Tierarzt hat sogar gesagt, dass dieser Hund ein Ausreißer sei und bei niemandem lange bleiben würde, so dass er am Ende immer wieder im Tierheim landen würde«, fügte Kim Quentins Erklärung noch hinzu.

      Madame Zink rief Rhapsodie, der auch sofort angesprungen kam. Sie beugte sich zu ihm hinunter, hielt seinen Kopf in ihren beiden Händen und sah ihm in die Augen. Anschließend stellte sie sehr selbstsicher fest: »Kein Zweifel, das ist Rhapsodie, der Hund ihrer Großtante. Und, dass er zu einem Ausreißer wurde … Wen wundert’s, er hatte Evelyn über alles geliebt. Nach ihrem Tod war er plötzlich verschwunden, und niemand wusste, wo er war. Manche behaupteten zwar, ihn am Friedhof an ihrem Grab liegen gesehen zu haben, aber immer, wenn ich dorthin gegangen bin, war er nicht dort. Vielleicht war das auch einfach nur so ein Gerede. Aber es gibt überhaupt keine Frage, das ist genau der Hund, für den ich ihn halte. Sehen Sie doch selbst, wie vertraut er in meinem Haus herumläuft. Er kennt sich hier aus. Sie waren oft bei mir, Evelyn und Rhapsodie. Dabei fällt mir ein«, sie hob den Blick und schaute beide an, »wie geht es Salbei? Hat er ihren Tod einigermaßen gut verkraftet? Oh, sagen Sie nicht, dass er tot ist.« Madame Zink machte ein betroffenes Gesicht. Sichtlich ergriffen, sprach sie weiter: »Ach nein, wie schrecklich! So etwas habe ich, nach Evelyns Tod, immer befürchtet. Sie hingen so aneinander. Salbei war eine sehr menschenbezogene Krähe. Allerdings galt dies hauptsächlich für Evelyn. Außer Evelyn und Sophie ließ er eigentlich niemanden an sich heran. Schade, er war ein so außergewöhnlicher Vogel.« Zink schaute traurig von den Hunden zu Kim und Quentin.

      »Nein, nein, nur keine Sorge. Salbei lebt und ist wohlauf. Nora Frost hat ihn uns vorbeigebracht. Sie hatte sich nach dem Tod von Quentins Großtante, um ihn gekümmert. War allerdings froh, als sie ihn an uns abgeben konnte«, stellte Kim sofort richtig.

      »Das wundert mich nicht«, sagte Zink, sichtlich erleichtert darüber, dass Salbei noch am Leben war. »Nora hat nicht unbedingt ein Händchen für Tiere. Zumindest nicht für Krähen. Sie ist mehr der Pflanzentyp. Nora liebt Pflanzen über alles, und, na ja, Salbei hat manchmal die Unart, an ihnen herumzuknabbern, und das mag Nora überhaupt nicht leiden. Beide mochten sich nicht, wenn Sie mich fragen. Salbei verdrehte bei Noras Besuchen oftmals die Augen, und Nora besprengte sich dann immer mit irgendeiner Flüssigkeit. Hat wohl ‘ne Allergie, die Arme. Wahrscheinlich gegen Vögel, obwohl ich noch nie etwas von einer Vogelallergie gehört habe.«

      »Gut und schön«, versuchte Quentin, Madame in ihrem Redeschwall zu unterbrechen. »Dennoch, woher kannten Sie Rhapsodies Namen? Er hatte keinen Namen. Wir haben ihn erst so genannt. Kim ist der Namen eingefallen, wenn ich ehrlich sein soll.«

      »Tatsächlich? Sie wussten nicht, dass der Hund Rhapsodie heißt, und haben ihn dennoch so benannt. Das ist doch ein recht merkwürdiger Zufall. Wobei, ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist. Da hat mit Sicherheit Evelyn ein bisschen dazu beigetragen, ihre Hände im Spiel gehabt.« Sie lächelte den beiden zu. »Hat es nach Lavendel gerochen? Wenigstens ein bisschen?«, fragte Madame Zink, neugierig.

      »Ein bisschen? Ein bisschen viel sogar«, antwortete Kim, und war sich sicher, bei Madame Zink viele Antworten, auf so einige ihrer Fragen, zu finden.

      »Gehen wir doch ins Wohnzimmer.« Zink führte sie in ein geräumiges, lichtdurchflutetes Zimmer.

      Ein Panoramafenster gab den Blick auf den Strand frei. Hinter dem Strand wogte das Meer, über dem kreischend Möwen kreisten.

      »Das ist traumhaft schön«, schwärmte Kim, beim Anblick dieses atemberaubenden Panoramas. »Das Meer, und das, direkt vor der Haustür, einfach sagenhaft.«

      »Nun ja, nicht gerade hinter der Tür, aber greifbar nah«, lachte Zink, während Quentin sich wunderte, da er nirgendwo auch nur ein Straßenhinweisschild auf das Meer gesehen