Cemetery Car®. Angelika Nickel

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Название Cemetery Car®
Автор произведения Angelika Nickel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847660392



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      »Nur so ein Gefühl, nur so ein Gefühl, sagt sie, und ich fahr‘ tatsächlich in die Richtung. Wer bin ich eigentlich?«, schimpfte Quentin vor sich hin.

      »Jemand, der mich liebt, so wie ich ihn liebe«, gab ihm Kim zur Antwort und strich ihm zärtlich und dankbar über seine kurzen Haare. In diesem Augenblick durchströmte ihren Körper all die Liebe, die sie für diesen Mann empfand, selbst, wenn er mitunter auch noch so dickköpfig sein konnte.

      Es brauchte auch tatsächlich nicht sehr lange und sie fanden einen Wanderer, den sie nach einem Tierarzt fragen konnten.

      »Sehen Sie dort hinten das wacklige Schild? Ja, das meine ich. Dort wohnt Doktor Morgenrot. Der kann Ihnen bestimmt helfen. Ich glaube, er hat bisher alle Tiere heilen können, die in seiner Praxis waren.« Der Mann in dem verblichenen grünen Lodenmantel zeigte mit braun gegerbter Hand in Richtung des Schildes.

      »Danke. Vielen Dank. Auf Wiedersehen«, bedankten sich die beiden und fuhren weiter.

      Gleich darauf sahen sie die Tierarztpraxis. Sie fuhren direkt auf sie zu und hielten sogleich in der Einfahrt.

      Noch bevor sie den Hund aus ihrem Auto holen konnten, stand auch bereits schon eine Frau in weißer Sprechstundenhilfeuniform neben ihnen.

      »Kann ich Ihnen helfen?«

      »Wir haben am Straßenrand einen angefahrenen Hund gefunden. Ich hoffe, dass Sie ihm helfen können«, gab Kim der Sprechstundenhilfe zur Antwort. Diese wiederum sah mit geschultem Blick auf den bewusstlosen Hund und sagte, während sie das Tier auf den Arm nahm: »Da ist allerhöchste Eile geboten. Doktor Morgenrot, schnell, ein angefahrener Hund, rasch, kommen Sie!«, schrie sie hinauf zu einem Fenster, hinter dem ein Mann in weißem Kittel stand, und dem Treiben von oben aus, zugesehen hatte. Eilig trat er vom Fenster weg, und noch bevor Quentin und Kim sich versahen, wurde der Hund auch bereits geröntgt, und gleich darauf behandelt.

      Nach zwei Stunden des Wartens im Wartezimmer, kam die Sprechstundenhilfe endlich wieder zu ihnen zurück. »Sie können jetzt zu ihm. Er hat es überstanden. Allerdings, ohne Ihre Hilfe hätte er die nächsten Stunden nicht überlebt. Kommen Sie doch bitte mit mir mit. Doktor Morgenrot will Sie noch sprechen, bevor Sie gehen.«

      »Klar, jetzt bekommen wir die Rechnung für die Operation präsentiert«, flüsterte Quentin Kim zu.

      »Woher willst du das wissen?«, zischte sie, ebenso leise, zurück.

      »Weil nichts gratis ist, und Tierärzte schon gar nicht, deswegen«, gab Quentin, etwas lauter, zur Antwort.

      »So, so, Sie sind also die Leute, die sich diesem kranken Tier angenommen haben. Schön, so etwas sieht man sehr selten. Kommen Sie doch bitte herein. Meine Sprechstunde ist jetzt auch zu Ende, so dass wir uns noch ein wenig unterhalten können.« Er wandte sich an seine Sprechstundenhilfe: »Maria, bitte drei Kaffee, mit Milch und Zucker, und wenn’s geht, auch noch ein paar Kekse dazu.«

      »Sehr wohl, Doktor, kommt sofort«, antwortete die rundliche Sprechstundenhilfe Maria, und eilte davon.

      Während des Kaffees erzählte ihnen Doktor Morgenrot, dass der Hund dafür bekannt war, immer wieder auszureißen. Sein Zuhause war, seit einem Jahr, das Tierheim, da er bisher noch niemals bei neuen Besitzern länger als einen Tag geblieben sei.

      »Herrenlos? Er ist also herrenlos?«, fragte Kim.

      »Ja, weil er das bisher wohl immer so gewollt hat«, gab der Tierarzt zur Antwort.

      Quentin wusste, was nun kommen würde. Kim würde den Hund mitnehmen und ihm ein neues Zuhause geben wollen. Und Quentin war sich sicher: Bei Kim würde er bleiben, und nicht wieder weglaufen.

      »Quentin, Schatz, wenn das arme Kerlchen doch kein Zuhause hat, niemanden, der mit ihm spazieren geht, wie wäre es, wenn wir ihn zu uns nehmen? Wir wollten doch schon immer einen Hund haben.« Kims Stimme hatte einen schmeichelnd bettelnden Ton angenommen.

      »Du, Kim, du wolltest schon lange einen Hund. Und jetzt, da wir so weit draußen aufs Land ziehen, wird es auch das Beste sein, damit du nicht den ganzen Tag alleine bist, sondern einen kleinen Beschützer um dich herum hast, dass wir uns einen Hund zulegen. Salbei kann dir wohl keinen großen Schutz bieten«, schmunzelte Quentin, der damit bereits seine Zustimmung, zu dem neuen vierbeinigen Mitbewohner gab.

      »Salbei, sagten Sie? Meinen Sie den Salbei von der verstorbenen Evelyn li Nola? Die Krähe?«, fragte Doktor Morgenrot überrascht. Ein Blitzen durchzog seine Augen.

      »Wie? Ja. Ich bin ihr Großneffe«, antwortete Quentin etwas perplex.

      »Ah ja, dann sind Sie sicherlich hier, um das Haus zu verkaufen?«, erkundigte sich der Tierarzt, sehr interessiert.

      »Oh nein! Quentin hat sich dazu entschlossen, dass wir in dem Haus wohnen werden. So hat es letztendlich auch seine Großtante in ihrem Testament bestimmt.«

      »Tatsächlich? Dann sind wir bald so etwas wie Nachbarn.« Seine Augenbrauen schoben sich zusammen. »Da werden wir uns mit Sicherheit noch öfters sehen. Ich glaube, dass Sie morgen den Hund abholen können. Für heute Nacht möchte ich ihn allerdings noch gerne zur Beobachtung dabehalten. Aber morgen, gegen Mittag, können Sie ihn abholen kommen.« Morgenrot nahm die Brille von der Nase, wischte die Gläser mit dem Kittelärmel sauber, um sie gleich darauf wieder aufzuziehen. »Seien Sie unbesorgt, Maria wird heute Nacht bei dem Hund bleiben und mich sofort benachrichtigen, sollte sich sein Zustand verschlechtern.«

      Kim bedankte sich und stand auf.

      »Danke, Doktor. Was sind wir Ihnen schuldig?« Quentin zückte seine Geldbörse.

      »Nichts, gar nichts. Als Verwandter von Evelyn li Nola sind Sie mir gar nichts, aber auch überhaupt nichts schuldig. Und wenn es Salbei einmal nicht gut gehen sollte, dann scheuen Sie sich nicht, sondern kommen Sie einfach mit ihm herüber. Bei jeder Tages- und Nachtzeit. Ich habe dort oben meine Wohnung, von daher bin ich immer erreichbar. Doch jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich bin heute Abend mit einem Kollegen aus dem Nachbarort, einem Gynäkologen«, dabei sah er Kim augenzwinkernd an, »verabredet. Und er hat es nicht besonders gerne, wenn ich mich verspäte«, lachte Morgenrot, und seine weißen Haare hingen ihm wirr in die Augen. Er nahm die Brille erneut ab und blies die Haare weg. »Auf Wiedersehen, bis morgen.« Mit kräftigem Händedruck verabschiedete er sich von den beiden, um gleich darauf das Zimmer zu verlassen.

      Die Sprechstundenhilfe Maria, die, gleich bei Ankunft des verletzten Hundes, sich und die Arztpraxis mit einem Spray be- und ausgesprüht hatte, führte sie hinaus.

      »Na toll, schon wieder dunkel.« Kim schüttelte sich.

      »Jetzt beschwer‘ dich aber bloß nicht bei mir. Du bist es gewesen, die das Tier unbedingt hat retten wollen …«

      »Ja, und es ist uns ja auch geglückt!«, freute sie sich.

      Quentin drehte den Zündschlüssel um. Mit lautem Krachen startete der gemietete Wagen und sie fuhren die letzten paar Meilen bis zu ihrem neuen Zuhause.

      In der Villa Punto angekommen, trugen sie eiligst alle Kartons ins Haus, stellten sie inmitten der großen Diele ab.

      Danach machten sie eine Dose Würstchen auf, erwärmten sie in einem alten verbeulten Topf, aßen Butterbrote dazu, und tranken zusammen eine Flasche Bier. Anschließend fielen sie todmüde ins Bett.

      In Doktor Morgenrots Praxis jedoch war Schwester Maria die ganze Nacht damit beschäftigt, sich und die Praxisräume auszusprayen.

      Und auch Doktor Morgenrot tat es ihr gleich. Wie bereits bei der Ankunft von Quentin und Kim mit dem verletzten Hund, besprühte er sich auch jetzt wieder mit einer geheimnisvollen Flüssigkeit aus einem Flakon, den er versteckt in einer Schublade aufbewahrte.

      12 - Rhapsodie

      Leises Vogelgezwitscher ließ Kim erwachen. Verschlafen schlug sie die Augen auf und sah das frühe Morgenlicht langsam durch die Rollladenschlitze in den Raum eindringen. Sie drehte sich