Название | Handbuch Messer: 101 Dinge, die Sie schon immer über Messer wissen wollten. |
---|---|
Автор произведения | Oliver Lang |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783964530202 |
Warum gerade Solingen zur Kingenstadt wurde? Ganz einfach: Hier gab es sämtliche Ressourcen, die man zum Schmieden und Schleifen von Klingen benötigte: natürliche Eisenerzvorkommen, Eichenwälder zum Befeuern der Schmiedefeuer, viele Bäche und natürlich den Fluss Wupper, deren Wasserkraft Schmiedehämmer und Schleifsteine antrieb und deren Kühle Klingenstahl abschreckte und damit hart machte. Zu den wichtigsten Grundlagen Solingens gehörte das ansässige Fachwissen. Schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts gab es die Zünfte der Schleifer und Härter, Schwertfeger, Reider und Schwertschmiede. Die Handwerker waren streng in Bruderschaften organisiert. Schwertschmiede formten die Stahlbarren mit wuchtigen, aber gezielten Schlägen in Schwert-, Degen- oder Säbelform. Härter machten aus diesen Rohlingen durch gesteuertes Erhitzen und gezieltes Abschrecken harte und einsatzfähige Klingen, die dann zu den Schleifern gingen. Diese arbeiteten entweder im eigenen Kotten (was so viel wie kleines Haus bedeutet) oder hatten sich in große Kotten eingemietet. Typisch für die Kotten ist der Wasserzulauf von Bächen und Flüssen, der die scheibenförmigen Schleifsteine antrieb, mit denen die Klingen ihre endgültige Form und Schärfe erhielten.
Zum Schluss glätteten und polierten die Schwertfeger die Klingen, um die vorangegangenen Arbeitsschritte zu verfeinern. Sie waren es auch, die die Einzelteile montierten und Griff (»Gefäß«) und Klinge zu einem Ganzen verbanden. Die Schwertfeger brachten die Blankwaffen auch in den Handel.
Mich schuf Solingen
Mich schuf Solingen – »me fecit Solingen«: So mancher Hingerichteter dürfte diesen Schriftzug als Letztes in seinem Leben gelesen haben, zierte er doch viele Richtschwerter der damaligen Zeit.
Die handwerklichen Fähigkeiten der Bruderschaften – mit Ausnahme der Schwertfeger – wurden als so bedeutsam angesehen, dass ihnen Reise- und Tätigkeitsverbote auferlegt wurden. So wollte man verhindern, dass Fachwissen verschleppt wird. Aus dem Schwertmacherhandwerk entwickelten sich die anderen Handwerkskünste. 1571 wird die Zunft der Messermacher erstmals erwähnt, gut 200 Jahre später (1794) schlossen sich die Scherenmacher zu einer eigenen Zunft zusammen.
1,6 Kilogramm Wissen: An der historischen Darstellung der deutschen Messerindustrie im Buch »German Knife and Sword Makers« wurde 30 Jahre lang gearbeitet.
Mitte des 17. Jahrhunderts jedoch verließen immer mehr Solinger Fachkräfte die Stadt, gingen in andere deutsche Städte oder wanderten aus nach Frankreich, Schweden, England, Russland und Amerika.
Doch Solingen ist mit Herstellern wie Wüsthof, Zwilling, Böker, Windmühle, Felix, Güde, Hartkopf, Hubertus, Loewen, Otter oder Robert Klaas immer noch eines der wichtigsten europäischen Messerzentren.
Lebendig: Diese historische Gesenkschmiede in Solingen dient als ganz besonderes Museum – hier wird noch produziert.
5 Kulturübergreifend
Messerzentren der Welt
Deutsche Scharfsinnigkeit Neben Solingen verblassen die anderen Messerorte Deutschlands – zumindest fast alle. Denn die weltweit wohl legendärsten Messer zur Obstbaumveredelung stammen aus Reutlingen von der Tina Messerfabrik, deren Ursprünge sich bis 1845 zurückverfolgen lassen – ja, die Baden-Württemberger können es halt auch.
Französische Lebensart Frankreich hat eine immense regionale Messervielfalt, und natürlich gibt es auch in Nontron, in Nogent, auf Korsika und in anderen Städten exzellente Schmieden. Doch die meisten Messer Frankreichs stammen aus der im Zentralmassiv gelegenen Stadt Thiers. Die Stadt klebt förmlich an einem steilen Berghang. Das starke Gefälle, mit dem das Flüsschen Durolle hier herunterrauscht und in die Dore mündet, wurde zum Antreiben der Schleifsteine, Fallhämmer und später auch der Generatoren genutzt. Vom Dore-Hafen aus konnten die Schneidwaren in die übrigen Landesteile verschifft werden.
Die Messerausstellung Coutellia (www.coutellia.fr) zieht jedes Jahr hunderte Messerschmiede aus Frankreich und der Welt an. Ein ganzes Wochenende lang spiegeln die kunstvollen Messer die Kultur ihrer Herkunftsländer wider und werden in der Ausstellung auch zum Kauf angeboten. Die Atmosphäre hier ist ganz besonders lebhaft.
Englische Ingenieurskunst Das zentral in England gelegene Sheffield war lange Zeit die größte Konkurrenz für Solingen. Bereits 1297 wurden hier Messer geschmiedet. Im »Zeitalter der Wasserkraft« war Sheffield mit seinen zahlreichen Flüssen und dem Vorkommen von Kohle und Sandstein, der zur Herstellung hochwertiger Schleifsteine geeignet war, geradezu privilegiert. Auch Feilenschmiede, Nägel-, Knopf- und Scherenmacher siedelten sich hier an. Die ganze Stadt war damals einer riesigen Fabrik ähnlich, deren einzelne Abteilungen die Stadtbezirke waren. Als es den Engländern um 1740 gelang, den für damalige Zeiten unübertroffenen Gussstahl zu produzieren, wurde Sheffield zur Welthauptstadt des Stahls.
Amerika war der wichtigste Markt für die Sheffielder Messerhersteller. Sogar für den Handel mit den amerikanischen Ureinwohnern wurden spezielle Messer gefertigt. In Aufzeichnungen aus den 1830ern werden »Skalpier-Messer« aus Sheffield genannt. Auch das uramerikanische Barlow-Taschenmesser, das durch Mark Twains Roman »Huckleberry Finn« zu Ruhm gelangte, ist ursprünglich ein Sheffielder Messertyp.
Italienische Eleganz: Das von Fantoni gefertigte Dweller ist ein Slipjoint, das mit Understatement und Funktionalität punktet.
Heute ist von dieser Pracht und Macht kaum mehr etwas erkennbar. Dank des Know-hows eingewanderter Messerprofis aus Solingen und Sheffield fertigten die Amerikaner bald ihre eigenen Messer. Und in den Weltkriegen wurde Sheffield als Zentrum der britischen Waffenindustrie fast völlig zerstört und hat sich davon nicht mehr erholt. Heute gibt es nur noch wenige Hersteller.
Italienischer Stil In der Kleinstadt Maniago im Nordosten Italiens wurden schon in der Mitte des 15. Jahrhunderts Messer in größerem Maßstab gefertigt. Heute ist Maniago einer der Produktionsstandorte mit der weltweit höchsten Fertigungsqualität. Scarperia befindet sich 300 Kilometer weiter südlich bei Florenz. Das Messerhandwerk lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Von den teilweise stark handwerklich ausgerichteten Unternehmen wie Coltellerie Berti (seit 1895), der Coltellerie Consigli und der Coltelleria Saladini werden zahlreiche historische Taschenmessertypen Italiens gefertigt sowie eine kleine Auswahl an schönen Kochmessern.
Spanischer Esprit Im »Handbook for Travellers in Spain« des englischen Autors Richard Ford aus dem Jahr 1855 wird eindrucksvoll geschildert, wie die spanischen Klappmesser zur Lebenskultur Albacetes und ganz Spaniens gehören. Sie seien dazu da, das »Brot zu teilen und Männer zu töten«. Sie sind »wie die Zunge einer Frau geformt – lang, scharf und spitz«, so Ford. Die Messerherstellung im zentral gelegenen Albacete ist seit dem 16. Jahrhundert gut dokumentiert und kann heute in ihrer ganzen Vielfalt im Museo de la Cuchillería de Albacete bestaunt werden. In Santa Cruz de Mudela werden Messer seit Jahrhunderten – und auch heute noch – mit besonders hohem Handarbeitsanteil hergestellt. Die Kanaren haben mit dem feststehenden Naife einen ganz eigenen Messertyp und in Asturien wird mit dem Taramundi ein ebenso charakteristisches Klappmesser gefertigt. Beim Familienbetrieb Pallarès Solsona in Katalonien werden ebenfalls einfache, aber tolle Arbeits- und Kochmesser gefertigt. Das mittelalterliche Toledo in Zentralspanien ist Unesco-Weltkulturerbe und seit dem Mittelalter berühmt für seine Schwertschmiede. Der Toledo-Stahl ist bekannt dafür, extreme Federkraft zu besitzen.
Moderner Klassiker: Das in den USA gefertigte Benchmade