Gamer. Группа авторов

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Название Gamer
Автор произведения Группа авторов
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783957770714



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und zeigten irgendwelche Zahlen oder eine bescheuerte Krone. Es bimmelte, und der Automat schluckte dreißig Pfennige, sofern man nicht drei Kronen hatte.

      Der Wirt sah uns, und wir wollten ihn angrinsen, weil er ja wusste, was wir da unten machten, aber er schaute schnell weg, und wir sahen zu, dass wir leise runterkamen, die drei Mal acht Stufen hinunter zum Raumhafen.

      »Dreißig Pfennige für zwei Knöpfe drücken!«, gluckste ich auf der Treppe.

      »Solche Trottel!« Nick tippte sich an die Schläfe, als zeige er jemandem den Vogel. »Ich werde nie verstehen, warum man so was spielt!«

      »Wie viele Münzen hast du?«, frage ich.

      »Wird schon hinhauen«, meinte Nick knapp. »Der CTH ist heute jedenfalls fällig.«

      *

      Der Raumhafen bestand aus drei schäbigen, braunen Ledersesseln, zwischen denen zwei orangefarbene, kugelförmige Aschenbecher auf langen Eisenständern standen. Ihre Deckel gingen nie zu, weil wir hier fast jeden Sonntag unsere Kaugummis reindrückten, ehe wir wieder nach oben gingen.

      Auf einer schweren Tür aus Holz stand ein großes, dunkles D, an einer anderen ein H. Das Spannendste an der Herrentoilette war der Automat neben dem heulenden Handtrockner, wo SEX draufstand und Bilder von Frauen im Bikini zu sehen waren. Was da rauskam, blieb aber geheimnisvoll, und ich hatte noch nie Lust gehabt, dafür ganze zwei Mark auszugeben.

      Eine Tür aus Glas führte in den düsteren Innenhof des Landgasthofs. Da konnte man durchgucken, sah aber nicht viel, bloß parkende Autos und riesige Mülltonnen. Die Aussicht hatte man oben, deswegen hieß das Restaurant ja auch Panorama. Dabei setzten sich eh alle mit dem Rücken zum Ausblick und fraßen Knödel und tranken Bier, später noch Kaffee und Kuchen und Sahne und Schnäpse (letztere leider ohne uns), und das alles endete jedes Mal nie oder jedenfalls viel zu spät.

      Deswegen war es gut, dass wir unseren Raumhafen hatten. Der war schön dunkel und irgendwie auch gruselig, weil er nicht vier Wände hatte, sondern fünf. Die waren auch noch alle schief und krumm und auch die Decke hing ein bisschen schräg runter. Als ob die hier voll gepfuscht hätten. Und wenn man genau hinschaute, hatte man irgendwie ein ungutes Gefühl, aber man musste ja nicht. Die eigentlichen Hingucker waren eh die Spielautomaten.

      *

      Dabei war Kometen Kracher leider so fade wie der Beilagensalat vom Obergeschoss. Schwarzweiß, bestimmt eine Kopie von einem anderen Spiel von vor hundert Jahren oder so. Sicher ein Automat aus dem Osten, mit dem die Diktatoren dort ihre Leute deprimierten. Denn man verlor immer. Tat man am Automaten sowieso, aber halt erst irgendwann. Doch bei Kometen Kracher, wo man mit billigen Linien angedeutete »Kometen« in Trümmer schießen musste (was auf die immer gleiche Weise öde krachte), war man spätestens nach drei Minuten tot, egal, was man anstellte. Und wir hatten es echt oft ausprobiert: Letzten Sonntag hatten wir es wieder versucht, zwei Mark reingeballert, für nichts, für drei Minuten öde Linien in Schwarzweiß, dann GAME OVER.

      JumPiranha war scheißdoof, aber saulustig: Man war ein Fisch namens »Jumpy Piranha« und hatte eine spiralförmige Sprungfeder am Bauch. Darauf hüpfte man auf und ab, und das machte einen total geilen Sound. Mit dem Joystick konnte man nach links, rechts, höher und flacher hüpfen, Hindernisse überwinden oder gegen Hebel an der Decke springen. Feuer-Knöpfe gab es keine, man schnappte sich einfach Geld, Bonuspunkte, Hüpf-Energie und so weiter. Geil waren die Kühe, die man richtig abkahlen konnte und wo nur Skelette übrig blieben. Und wenn der Hai kam, setzte sich Jumpy in ein umgedrehtes Goldfischglas; das hielt für einige Sekunden den Hai davon ab, ihn zu fressen. Untersee-Labyrinth, Muscheln, winkende Meerjungfrauen, gesunkene Piratenschiffe (mit neuen Goldfischgläsern) – alles war saugut animiert und hatte einfach die krassesten Sounds überhaupt.

      Alles super also, bloß hatten wir den schon durch. Auf jedem einzelnen Highscore-Platz standen entweder Nick (NCK), ich (KRL) oder wir beide (NUK).

      *

      Ganz anders als bei Galactic Tentacles. Dort hatten wir uns wochenlang fast bis zur Spitze gearbeitet, sogar Rang drei erreicht. Dann plötzlich war der Automat verschwunden. Reparatur, sagte der Wirt. Was voll Mist war, weil auf den Plätzen eins und zwei ja immer noch ein Typ namens CTH vor uns lag.

      »Wer auch immer dieser CTH ist, er ist verdammt gut«, sagte ich und ging zum dritten Automaten. Er steckte noch halb in Knallfolie, unter der sich aufgemalte Sterne und Explosionen und Saugnapf-Tentakel abzeichneten.

      »Verdammt scheiße richtig gut«, sagte Nick, und dann: »Das ist jetzt nicht wahr, oder?«

      Der Galactic Tentacles stand mit dem Monitor zur Wand. Ein mit Tesafilm aufgeklebtes Papier verkündete: DEFEKT!

      »Von wegen repariert!«, maulte ich. Dabei hatte der miese Wirt versprochen, das Galactic Tentacles bald wieder funktionieren würde. Wahrscheinlich hatte er ihn noch gar nicht abholen lassen und hoffte, dass wir alles Geld an JumPiranha verfüttern würden. Was wahrscheinlich stimmte.

      Jemand kam von oben die Treppe herunter. Wir huschten schnell zu Jumpy und taten, als würden wir da irgendwas angucken. Der Erwachsene latschte quer durch unseren Raumhafen und auf die Herrentoilette.

      »Was machen wir denn jetzt?«

      Nick zog ein weiteres Nuts aus der Tasche.

      »Erst mal ein Power-up. Willst du die Hälfte?«

      »Da sag ich nicht Nein«, sagte ich, obwohl mir noch schlecht war von den letzten Nuts.

      Nick brach den Schokoriegel in zwei Teile und gab mir das kleinere Stück.

      Entrüstet hielt ich das halbe Nuts hoch.

      »Scheiße, sag mal, wieso gibst du mir denn das Kleinere?«

      Nick kratzte jetzt mit den Schneidezähnen das Karamell ab, bis nur noch das Weiße übrig war.

      »Na, wie hättest du es denn gemacht?«

      Ich zeigte auf sein Nuts.

      »Ich hätte dir natürlich das größere Stück gegeben, du Egoist!«

      »Hättest du? Und dir das kleinere Stück genommen?«

      »Klar«, behauptete ich, und war auch ziemlich überzeugt davon.

      »Na, dann ist es jetzt doch genau so, wie wenn du es gemacht hättest.« Nick grinste. »Wo ist der Unterschied?«

      Er stand auf, schob sich grinsend den Rest rein und ich wusste, dass ich verloren hatte. Er war einfach cleverer als ich. Aber er hatte sein Nuts mit mir geteilt. Hätte er nicht müssen. Insofern: patt.

      Die Klospülung rauschte, als sich die Tür der Herrentoilette öffnete. Während der Mann zur Treppe ging, taten wir wieder, als ob wir nur sinnlos rumlungern würden. Was ja irgendwie auch stimmte.

      Dann war die Luft rein.

      *

      »Die blöden Dorftrottel kriegen das doch bloß nicht hin«, sagte Nick, schob den Automaten ein Stück von der Wand weg und suchte den Stecker.

      »Nick! Wenn da was kaputt geht!«

      »Kaputter kann ich‘s ja wohl kaum machen, oder?«

      Er steckte ein. Irgendwas flackerte auf dem Monitor hässlich verpixelt. Es tat sich nicht wirklich was. Dann Buchstabensalat. Dann wieder Flackern. Nick trat gegen den Automaten, erst zaghaft, dann fester, ich steckte ihn aus und wieder an. Irgendwann hämmerten wir gegen die Seitenteile, traten auch mal dagegen. Zwischendurch warfen wir prüfende Blicke die Treppe hoch, doch niemand kam.

      »Du Drecksteil!«, fauchte Nick, und – oh Wunder! – da fuhr der Automat dann endlich hoch und zeigte nach wenigen Minuten das vertraute Sternenfeld mit dem Schriftzug

      INSERT COIN

      Galactic Tentacles wartete auf uns.

      »Machen wir heute CTH platt?«, fragte ich Nick und zerdrückte im Sekundentakt Bläschen der Knallfolie an der Seite des Automaten.