Blutiges Erbe in Dresden. Victoria Krebs

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Название Blutiges Erbe in Dresden
Автор произведения Victoria Krebs
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783948916022



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so etwas wie ›Theos Schuld‹ verstanden. Aber, wie gesagt, die Maske hat alles gedämmt. Ich kann noch nicht einmal sagen, ob die Stimme hoch oder tief war, aber sie klang irgendwie schrill.«

      »Theos Schuld«, murmelte sie nachdenklich. »Hattest du den Eindruck, dass er Guido Brunner persönlich damit angesprochen hat oder dass er es eher allgemein in den Raum hineingerufen hat?«

      Dess legte die Stirn wieder in Falten und seufzte.

      »Das kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen. Wenn du nicht gerade eben noch mal nachgefragt hättest, ob mir was Besonderes aufgefallen ist, hätte ich es glatt vergessen.«

      »Ist nicht schlimm. Deshalb hab ich dich ja gefragt.« Sie überlegte. »›Theos Schuld‹ … Nehmen wir an, dass du dich nicht verhört hast. Dann klingt es irgendwie nach einem Racheakt. Ein gewisser Theo hat sich etwas zu Schulden kommen lassen und Guido Brunner musste dafür mit dem Leben bezahlen.«

      »Es kann aber auch ›Leo‹ gewesen sein. Ich will mich da nicht festlegen.«

      »Aber das ist zumindest ein Anhaltspunkt. Wir werden im Umkreis von Brunner nach einem Leo oder Theo suchen. Außerdem werde ich mir die Vernehmungsprotokolle vornehmen. Vielleicht hat noch einer der anderen Gäste gehört, was der Mörder gerufen hat.«

      »Kann doch auch eine Art Kampfruf gewesen sein. So etwas wie ›Allahu akbar‹. Das rufen doch islamistische Terroristen, bevor sie einen Anschlag verüben.«

      »Der Syndikus wurde regelrecht hingerichtet«, bestätigte Maria nachdenklich. »Zusammen mit dem Ausruf ›Theos Schuld‹ oder ›Leos Schuld‹ oder was auch immer es genau war, erinnert mich das an die Vorgehensweise der Mafia.«

      »Stimmt«, nickte Dess, »könnte sein. Die Mafia wäre nicht gut, nicht wahr?«

      »Nein, überhaupt nicht«, bestätigte Maria. Sie wusste, dass sich die russische Mafia zwar zu einem zunehmenden Problem entwickelte, dieses aber längst noch nicht die Ausmaße wie mit der italienischen Mafia in anderen Bundesländern erreicht hatte.

      Für einen Moment schwiegen sie, jeder hing seinen Gedanken nach, bis Dess die Stille unterbrach.

      »Espresso und Eis?«

      »Welche Sorte?«

      »Schokolade und Walnuss.«

      »Dann Schokolade, bitte.«

      »Mit Baileys und Sahne?«

      Maria schwieg, klapperte stattdessen demonstrativ mit den Lidern und spitzte die Lippen zu einem Kussmund.

      »Alles klar«, meinte Dess grinsend, griff nach den Tellern und verschwand in der Küche. Kurz darauf hörte sie klappernde Geräusche, als er das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine räumte und das Dessert zubereitete. Mit einem Mal spürte sie ein starkes Verlangen nach einer Zigarette. Dess rauchte auch hin und wieder eine von diesen affigen Pyramids of Egypt, die aus einem unerfindlichen Grund nicht rund, sondern platt wie Flundern waren, sodass man sie überhaupt nicht richtig zwischen die Finger klemmen konnte.

      Zum Teufel, du hast gerade erst erfolgreich mit dem Rauchen aufgehört! Wenn sie sich jetzt auch nur eine einzige dieser verfluchten Dinger zwischen die Lippen steckte, würde sie wieder anfangen, das wusste sie sehr wohl. Vehement stand sie auf, ging zum Sofa und griff erneut nach dem Magazin, um den Artikel weiterzulesen und sich abzulenken.

      »Maria? Kommst du?«

      Als sie das Dessert auf dem Tisch sah, rief sie freudig: »Oh, lecker, das sieht einfach köstlich aus.«

      Genüsslich löffelte sie ihr Eis und schlürfte den Espresso.

      »Gar nicht so schlimm, dass wir nicht im Canadian essen konnten«, meinte sie, »und auch erheblich bequemer.« Grinsend tippte sie auf den Jogginganzug. »Natürlich kein exquisites Drei-Gänge-Menü, aber es lässt sich aushalten.«

      »Da bin ich froh«, meinte Dess lächelnd, stand auf und ging in Richtung Terrassentür. »Ich gehe eine rauchen. Du kommst sicherlich nicht mit, nehme ich an.«

      »Nein, lieber nicht. Habe eben schon innere Kämpfe ausgetragen.«

      Dess verschwand auf der Terrasse.

      Als er von draußen wieder reinkam, setzten sie sich auf die Couch und tranken ein weiteres Glas Rotwein, während sie sich unterhielten. Doch das Gespräch wurde immer schleppender, weil sie beide müde wurden. Maria legte die Beine hoch und Dess hing mehr in dem Zweisitzer gegenüber, als dass er saß. Mit einem Mal fielen Maria die Augen zu und sie schlief ein.

      Ein schrilles Läuten weckte sie. Im ersten Moment fiel es ihr schwer, sich zu orientieren. Doch dann erkannte sie im dämmrigen Morgenlicht Dess’ Wohnzimmer. Er selbst war auf die Seite gesackt und schnarchte wie ein Bär.

      Wer, in drei Teufels Namen, ruft an einem Sonntag zu solch einer unchristlichen Zeit an? Das konnte eigentlich nichts Gutes bedeuten. Vielleicht war jemandem aus seiner Familie etwas zugestoßen? Womöglich seiner betagten Mutter, die, wie Maria wusste, schon über neunzig war.

      Mühsam rappelte sie sich hoch, stolperte zu Dess und rüttelte ihn unsanft an der Schulter. Schlaftrunken sah er sie an.

      »Wach auf, Dess! Das Telefon. Es klingelt schon die ganze Zeit!«

      »Was?«, murmelte er und schloss die Augen wieder.

      »DAS TELEFON!!! Vielleicht gehst du besser ran. Ist bestimmt wichtig.«

      »Herrgott noch mal! Wehe, das ist es nicht, ansonsten bringe ich denjenigen eigenhändig um. Satansbrut!«

      Schwankend ging er zur Anrichte neben dem Esstisch und nahm den Hörer von der Basisstation.

      »Ja?«, grunzte er mit belegter Stimme. »WAS? Das ist ja wohl ein schlechter Scherz! Ja, okay, aber fassen Sie um Gottes Willen nichts an!« Er sah rüber zu Maria, die sich bei seinen alarmierten Worten aufrecht hingesetzt hatte. »Haben Sie schon die Polizei verständigt? Gut. Ich bin in einer Dreiviertelstunde da.«

      Langsam legte er den Hörer auf und sah Maria mit großen Augen an.

      »Im Institut wurde eingebrochen. Jemand hat sich an einer Leiche zu schaffen gemacht.«

      »Das ist nicht dein Ernst!«

      »Ich befürchte, doch.«

      »Ich komme mit!«, entgegnete Maria bestimmt. Sie war neugierig, was im Institut vorgefallen war. Außerdem wollte sie nach Hause, ihre Wohnung lag nicht weit entfernt, um sich umzuziehen und ihr Auto zu holen. Sie musste anschließend ins Präsidium fahren, obwohl Sonntag war. Mordermittlungen waren an den Wochenenden nun mal nicht auf Eis gelegt.

      Als sie sich nach dem Duschen wieder in der Küche trafen, beobachtete Maria ihn aus den Augenwinkeln. Sehr gesprächig schien er heute Morgen nicht zu sein. Nur zu gerne hätte sie mehr über die Ereignisse im Rechtsmedizinischen Institut erfahren, sie lechzte geradezu nach weiteren Einzelheiten. Aber Dess hatte eine verschlossene Miene aufgesetzt. Wenn er nicht darüber sprechen wollte, würde er es auch nicht tun, selbst wenn sie ihn danach fragte. So gut kannte sie ihn. Doch in wenigen Minuten würde sie mit eigenen Augen sehen, was genau passiert war. Schweigend frühstückten sie. Bevor sie aufbrachen, schluckten beide noch eine Aspirin.

      Das Institut für Rechtsmedizin war in einem Gebäude auf dem weitläufigen Areal der Universitätsklinik untergebracht. Zwei Polizeiwagen standen im absoluten Halteverbot auf der Zickzacklinie direkt vor dem Haupteingang.

      Dess stieg schnell aus, öffnete die Tür und stürmte mit weit ausholenden Schritten zu den Kellerräumen, in denen die Toten aufbewahrt und obduziert wurden. Maria hatte Mühe, ihm zu folgen und wäre beinahe in ihn hineingerannt, als er abrupt stehen blieb. In einer Ecke standen zwei Polizisten und ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. Das kalte Neonlicht betonte hart und unbarmherzig die Müdigkeit auf ihren Gesichtern.

      »Petermann«, stellte Dess sich vor. »Ich bin der leitende Rechtsmediziner und das ist Frau Hauptkommissarin Wagenried.«

      Die Uniformierten