Blutiges Erbe in Dresden. Victoria Krebs

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Название Blutiges Erbe in Dresden
Автор произведения Victoria Krebs
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783948916022



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sie die Gedanken daran beiseite, zog sich die neuen Schuhe aus, die noch ziemlich drückten, und ließ sich aufs Sofa plumpsen. Gerne hätte sie die Beine unter sich hochgezogen, aber das ging wegen des engen Kleides nicht.

      »Sag mal, hast du was Bequemes zum Anziehen für mich?«

      »Moment, ich mache gerade den Cremant auf«, rief er aus der Küche. Maria hörte das Ploppen des Korkens. Dann kam er aus der Küche und drückte ihr ein Glas in die Hand.

      »Ich habe einen Jogginganzug, der wird aber viel zu groß für dich sein. Komm mit, du kannst dich gleich im Bad oben umziehen.«

      Sie folgte ihm in sein Schlafzimmer, wo er fluchend auf dem Boden des Kleiderschranks herumzuwühlen begann.

      »Ha, wer sagt’s denn«, rief er triumphierend, stand auf und hielt ihr ein dunkelblaues Stoffpaket entgegen. Mit einem misstrauischen Blick griff sie danach und ging ins Bad. »Passt er?«, rief Dess kurz darauf von draußen.

      »Perfekt«, gab sie zur Antwort und öffnete die Tür. »Voilà, die neueste Création aus dem Hause Chanel«, sprach Maria mit affektiertem französischen Akzent. »Besticht durch ihre ungewöhnliche Farbe und den großzügigen Schnitt, welcher der Trägerin viel Bewegungsfreiheit lässt.«

      Sie lachten beide laut auf.

      »Eigentlich müsste ich ein Foto machen«, überlegte Dess, als sie wieder im Wohnzimmer waren und streckte die Hand nach seinem Handy aus, das er auf den Tisch gelegt hatte.

      »Versuch es und du bist tot!«, drohte Maria.

      »Was ist denn nun mit dem Essen? Ich habe Hunger.«

      Schmunzelnd verschwand er wieder in der Küche und endlich konnte sie die Füße hochlegen und sich auf dem Sofa ausstrecken. Träge griff sie nach einem wissenschaftlichen Magazin, das auf dem Glastisch lag und blätterte lustlos darin herum, bis sie an einem interessanten Artikel hängenblieb. Sie war so in ihre Lektüre vertieft, dass sie hochschreckte, als Dess mit einer großen Salatschüssel in der Hand plötzlich neben ihr stand.

      »Wir können anfangen.«

      Maria rappelte sich hoch und folgte ihm zu dem langen Esstisch im hinteren Teil des Wohnzimmers. Jetzt erst roch sie den verführerischen Duft von gebratenem Fleisch.

      »Riecht gut, was gibt es denn Schönes?«, wollte sie wissen.

      »Nichts Besonderes. Ich hatte noch Filetsteak da und habe Salat dazu geschnippelt, ein bisschen Brot und Knoblauchbutter, das ist alles.«

      Das Fleisch war medium rare gebraten, genau so, wie Maria es mochte. Begeistert schnitt sie ein Stück nach dem anderen ab, spießte zwischendurch die Gabel in den knackigen Salat, riss Brot in kleine Stücke und verteilte die Knoblauchbutter darauf.

      »Es ist ausgezeichnet, Dess«, nuschelte sie kauend, »auch der Wein, große Klasse.«

      »Freut mich, dass es dir schmeckt«, antwortete er. Nach einer kurzen Pause sagte er: »Ich habe eine Bitte, Maria.«

       Ach du Schande, was kommt jetzt?

      »Ich würde gerne mit dir über den Fall reden, natürlich nur, wenn du Lust hast.«

      Sie hatte ihm, nachdem sie Gerd Wechter erschossen hatte, in einem langen Gespräch von ihrer gemeinsamen Methode erzählt, sich an einen Fall heranzutasten. Wie hilfreich das gewesen war, weil sich sehr oft herausgestellt hatte, dass die ersten Eindrücke die wichtigsten waren, und weil sich frühe Vermutungen oder Theorien nicht selten später als wahr herausgestellt hatten.

       Aber würde das mit Desmond genauso gut gelingen? Mit jemandem, der sich zwar mit Mord und Totschlag auskannte, der aber kein Ermittler war?

      Unbestritten war Desmond Petermann ein Experte darin, durch systematische Analysen und gründliche Autopsien die wahrscheinliche Todesursache zu bestimmen. Aber hatte er auch das nötige kriminalistische Gespür? Konnte er verstehen, dass nicht nur der Tatort, sondern auch das Opfer mit leiser, raunender Stimme zu ihr sprach und manchmal eine ganz andere Geschichte erzählte, als es die offenkundige Beweislage tat?

       Aber ein Versuch schadet nicht.

      »Von welchem Fall sprichst du denn?«, fragte sie zurückhaltend. »Wir haben zwei Mordfälle. Und die innerhalb kürzester Zeit.«

      »Glaubst du, dass sie zusammenhängen?«

      Maria stieß die Luft aus und ließ sich zurück gegen die Lehne fallen.

      »Ein Antiquitätenhändler, den man erst gequält, dann mit einer Garotte umgebracht und dem man anschließend ein Stück Haut am Nacken herausgeschnitten hat. Und ein Schweizer, von dem wir überhaupt noch nichts wissen, außer, dass er nach Dresden gereist ist und gestern im Taschenbergpalais eingecheckt hat, wo er ein Zimmer für eine Woche gebucht hatte. Das Hotelzimmer wurde bereits von der Spusi untersucht, die Ergebnisse werde ich erst kommende Woche, hoffentlich schon am Montag, bekommen. Aber die Kollegen haben auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches gefunden, nur ein paar Kleidungsstücke im Schrank und die üblichen Hygieneartikel im Bad.«

      »Was war das heutige Opfer denn von Beruf?«, unterbrach Dess ihre Ausführungen.

      »Sein Name war Guido Brunner und er war Syndikus bei einer Stiftung«, antwortete sie. »Die Kollegen werden in Zürich noch recherchieren, ob er beruflich oder als Tourist in Dresden war. Aber am Wochenende… du weißt ja.«

      »Ich kenne zwar den Begriff Syndikus und weiß, dass er eine juristische Bedeutung hat. Aber was genau ein Syndikus macht, ist mir nicht klar.«

      »Ich musste mich auch erst belesen«, entgegnete Maria. »Im Prinzip ist er ein Rechtsanwalt, der bei einem Unternehmen, einem Verband oder eben auch bei einer Stiftung angestellt ist. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist er ein Berater für arbeitsrechtliche und vertragliche Angelegenheiten.«

      »Verstehe. Siehst du einen Zusammenhang? Ich meine, zwischen dem Antiquitätenhändler und dem Juristen?«

      »Der einzige Zusammenhang, den ich momentan erkennen kann, ist der, dass jeweils ein Haufen Arbeit auf uns zukommt. Im Mordfall Bernhard Molberg müssen wir seinen Sohn Alexander genauer unter die Lupe nehmen und als Erstes mit dem Notar sprechen, ob ein Testament hinterlegt wurde und, falls dem so ist, ob es kürzlich Änderungen gab. Mir gefällt dieses Bürschchen nicht, ich kann aber nicht genau sagen, warum. Nur so ein Gefühl.« Maria trank das Glas mit dem Rotwein leer. »Gibst du mir noch einen Schluck, Dess?«

      »Natürlich, wir sind ja nicht im Canadian und Oberkellner Wiegand kommt heute auch nicht mehr an unseren Tisch. Seine Miene, als du mit dem Restaurantchef gesprochen hast, war nicht mit Gold aufzuwiegen.«

      Beide lachten, hoben ihre Gläser und prosteten sich zu.

      »Konntest du den Schützen eigentlich genauer sehen?«, fragte Maria. »Von deinem Platz aus hattest du ja einen besseren Blick auf ihn. Ich meine, das ungefähre Alter und die Größe, dünn, dick, sportlich?«

      Jetzt war es an dem Mediziner, sich zurückzulehnen und die Stirn in Falten zu legen.

      »Es ging alles so rasend schnell. Aber im Nachhinein würde ich sagen, dass er zwischen Ende zwanzig und Anfang, Mitte dreißig gewesen sein muss. Eher klein, um die eins siebzig, schlank. Vom Gesicht hat man ja wegen der Maske nichts erkennen können.«

      »Das ist doch schon mal was. Ist dir sonst noch etwas aufgefallen?«

      Dess überlegte und schüttelte nach einer Weile unmerklich den Kopf.

      »Doch«, rief er plötzlich und beugte sich wieder vor. »Er hat irgendwas gerufen, bevor er geschossen hat!«

      »Was genau hat er gerufen? Kannst du dich erinnern?«, hakte sie nach. Auch sie konnte sich dunkel an Wortfetzen erinnern.

      »Ich habe es nicht genau verstanden, weil er die Maske vor dem Mund hatte. Aber ich glaube, es waren zwei oder drei Worte.«

      »Und die waren?«, fragte sie ungeduldig. »Lass dir doch nicht jedes Wort aus der