Название | Blutiges Erbe in Dresden |
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Автор произведения | Victoria Krebs |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948916022 |
Nachdenklich schüttelte Molberg den Kopf.
»War es üblich, dass Ihr Vater zu so später Stunde noch Kunden empfing?«
»Soviel ich weiß, kam das durchaus vor. Aber Genaues hat er mir nie erzählt. Jeder von uns hatte seinen eigenen Arbeitsbereich.«
»Was könnte es gewesen sein, das der Mörder unbedingt aus dem Safe an sich bringen wollte? Den Familienschmuck oder eine Expertise?«
»Ich weiß es nicht. Bringt man jemanden wegen einer Expertise um?«
»Wenn die Expertise, sagen wir mal, nicht echt ist, vielleicht? Oder einen viel höheren als den tatsächlichen Wert ausweist?«
»Was wollen Sie damit andeuten?« Molberg hatte seine Stimme erhoben. »Mein Vater ist … war ein absolut integrer Geschäftsmann und Kunstkenner mit einem einwandfreien Leumund. Denken Sie, dass sich jemand in diesem Bereich über fünfundzwanzig Jahre lang halten kann, wenn er Kunstgegenstände mit gefälschten Expertisen verkauft? Das ist ja geradezu lächerlich, was Sie da sagen!«
»Ich tue nur meine Arbeit, Herr Molberg«, entgegnete Maria ruhig.
Sein Blick traf sie wie ein eisiger Lufthauch.
»In dem Safe muss sich etwas befunden haben, das für den Mörder von größter Wichtigkeit war und das er unbedingt in seinen Besitz bringen wollte«, fuhr sie ungeachtet seiner Reaktion fort. »Ihr Vater wurde vor seinem Tod misshandelt und so wahrscheinlich zur Herausgabe des Schlüssels und der Nummernkombination für den Safe gezwungen.«
»Ich kann Ihnen nicht mehr sagen als das, was ich bereits genannt habe: Schmuck meiner Mutter, sie ist vor fünf Jahren gestorben, Expertisen und andere Dokumente. Und Bargeld, das er immer parat haben wollte. In dieser Branche ist Barzahlung üblich.«
»Wie viel war es normalerweise?«, hakte Maria nach.
»Unterschiedlich. Aber ich glaube, er hatte immer eine Summe von fünfzehn- bis zwanzigtausend Euro verfügbar.«
»Gut. Wissen Sie, ob Ihr Vater Feinde hatte?«
»Nicht, dass ich wüsste. Neider, ja. Aber Neid ist auch eine Form der Anerkennung für jemanden, der erfolgreich ist.«
»Wer wird das Geschäft übernehmen, jetzt, da Ihr Vater tot ist?«
»Ich nehme an, dass ich der Alleinerbe bin, sollte mein Vater sein Testament nicht geändert haben.« Undurchdringlich sah er sie an. »Und schlagen Sie sich den Gedanken aus dem Kopf, dass ich meinen eigenen Vater ermordet und zuvor gefoltert habe, um an die Kombination für den Safe zu kommen. Ich habe auch kein neu aufgesetztes Testament vernichtet, das mich benachteiligen würde. Wenden Sie sich an den Notar Dr. Hübscher, wenn Sie mir nicht glauben. Meines Wissens hat mein Vater seinen letzten Willen dort hinterlegt.«
Molberg stand auf. »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich jetzt gerne gehen. Ich möchte ein wenig allein sein.«
»Ja, das war’s fürs Erste«, sagte Maria.
Bevor Molberg das Zimmer verließ, drehte er sich noch einmal um.
»Ich habe meinen Vater geliebt. Der Tod meiner Mutter hat uns noch enger zusammengeschweißt. Ich hoffe sehr, dass Sie das Schwein finden, das ihn auf dem Gewissen hat.« Dann ging er grußlos.
Maria warf den angeknabberten Bleistift, den sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, auf den Schreibtisch. Sie hatte den Eindruck gewonnen, dass Alexander Molberg nicht gelogen hatte. Wieder griff sie nach dem Bleistift und fing an, das Ende mit ihren Zähnen zu bearbeiten. Nachdenklich runzelte sie die Stirn, aber noch war es viel zu früh, um irgendwelche Vermutungen anzustellen. Ihr Blick blieb an dem leeren Schreibtisch ihr gegenüber hängen. Bis vor knapp einem Jahr hatte dort ihr Kollege, Hauptkommissar Gerd Wechter, gesessen. Jetzt konnte sie sich unmittelbar nach der Besichtigung eines Tatorts nicht mehr mit ihm austauschen. Das war für Gerd und sie eine Art Ritual gewesen und hatte hervorragend funktioniert. Sie hatten die Gedanken frei und ungehindert fließen lassen und Intuitionen und Gefühle verbalisiert, um sie greifbar zu machen, ihnen Form und Gestalt zu verleihen. Nie wieder würde er sie eindringlich mit seinen grauen Augen mustern, denn sie selbst hatte ihn erschossen, hier, in ihrem gemeinsamen Büro.
Zum tausendsten Mal blitzten die Bilder des Schusswechsels vor ihrem geistigen Auge auf. Sie hatte ihn mit eindeutigen Beweisen für einen von ihm begangenen, brutalen Mord konfrontiert und ihn damit in die Enge getrieben. Er hatte nichts mehr zu verlieren gehabt und seine ungesicherte Dienstwaffe auf sie gerichtet. Maria war es gewesen, die den ersten Schuss abgefeuert und ihn am Oberschenkel verletzt hatte. Er hatte sofort zurückgeschossen. Mit einem Hechtsprung zur Seite war sie der Kugel ausgewichen und hatte ihn noch im Fallen mit einem zweiten, tödlichen Schuss außer Gefecht gesetzt.
Noch immer hatte sie das Geschehene nicht verarbeitet und es hörte einfach nicht auf, sie nachts in ihren Träumen heimzusuchen. Sie quälte sich mit Selbstvorwürfen, denn sie hatte diese Situation heraufbeschworen. Zwar war ihr von Seiten der Staatsanwaltschaft nach der Untersuchung eine Notwehrsituation bestätigt worden, aber Kommissarin Maria Wagenried wusste, dass dies nur die halbe Wahrheit war.
Seitdem saß sie alleine hier in diesem Büro. Wie sie am Rande mitbekommen hatte, wurden mehrere Kandidaten für die Neubesetzung der Stelle gehandelt, aber die Mühlen in Behörden mahlten eben langsam, auch in Personalfragen. Hin und wieder hatte sie sogar mit dem Gedanken gespielt, sich versetzen zu lassen, ihn jedoch stets gleich wieder verworfen. Sie hing an Dresden, hatte schon immer hier gelebt, geliebt und gelitten und dabei Blessuren davongetragen, von denen manche so tief waren, dass sie gedacht hatte, dass sie sich nie mehr davon erholen würde. Hier hatte sie das Leben von seiner erbarmungslosen Seite kennengelernt. Aber auch von seiner schönsten.
Kapitel 3
Seufzend warf Maria den Bleistift zurück auf die Schreibtischunterlage und starrte auf das zerbissene Ding. Es war an der Zeit, sich auch von dieser lästigen Gewohnheit zu verabschieden. Schließlich war es ihr ja auch gelungen, mit dem Rauchen aufzuhören. Ihr Handy klingelte. Mit einem Blick auf das Display erkannte sie, dass es Desmond Petermann war. Das passte ihr im Moment überhaupt nicht. Die Beziehung zu dem Rechtsmediziner wurde ihr zu intensiv. Amouröse Verwicklungen waren das Letzte, was sie im Moment gebrauchen konnte. Und sie hatte Nihat noch nicht vergessen.
»Hallo Dess«, begrüßte sie ihn sachlich, »was gibt’s?«
»Ich habe von euch diesen Bernhard Molberg auf den Tisch bekommen. Ich bin dabei auf ein sehr interessantes Detail gestoßen, das euch möglicherweise am Tatort entgangen ist.«
»Die Garotte ist gar nicht das Mordwerkzeug?«
»Doch«, entgegnete Desmond, »davon ist auszugehen. Aber dem Opfer wurde an der unteren Nackenpartie ein Stück Haut herausgeschnitten.«
»Wie meinst du das? Direkt am Tatort oder eine frühere Operation?«
»Am Tatort. Die Wunde war frisch«, antwortete Desmond. »Hat die Spurensicherung dieses Hautstück gefunden?«
Verblüfft verneinte Maria und runzelte die Stirn, sodass sich die steilen Zornesfalten über ihrer Nasenwurzel noch vertieften.
»Ist der Schnitt tief?«, wollte sie wissen.
»Nein. Der Täter hat nur die Haut herausgeschnitten. Bei der Sektion wird sich herausstellen, ob er noch mehr entfernt hat.«
»Gut, Danke. Wir sehen uns dann am Montag.« Sie wollte das Gespräch so schnell wie möglich beenden, da sie befürchtete, Desmond könnte sie um eine Verabredung am Wochenende bitten. Doch stattdessen sagte er:
»Erinnert mich irgendwie an eine der letzten Frauenleichen, die hier auf meinem Tisch lag. Da hatte dieser Verrückte einen dornigen Rosenstil in der Vagina des Opfers hinterlassen. Diesmal hat der Täter etwas mitgenommen.«
»Ja, hübsche Abwechslung«, konterte Maria lapidar und dachte mit Schrecken an die beiden Frauen, denen der Kopf abgesägt worden war und die der Täter spektakulär für die Öffentlichkeit zur Schau gestellt hatte.