Blutiges Erbe in Dresden. Victoria Krebs

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Название Blutiges Erbe in Dresden
Автор произведения Victoria Krebs
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783948916022



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      »Entschuldige, Maria, ich wollte nicht die alte Wunde aufreißen. Es tut mir wirklich leid. Nimmst du meine Entschuldigung in Form einer Einladung zum Essen an?«

      Maria schwieg. Hatte er sie nur daran erinnert, um sich anschließend mit dieser Einladung entschuldigen zu können?

      »Wollen wir heute Abend essen gehen? Das Canadian hat nach einer ›Kreativpause‹ eine neue Speisekarte aufgelegt. Klingt ziemlich verlockend, muss ich sagen.«

      Sie zögerte. Einerseits war das Essen im Sterne-Restaurant Canadian wirklich vorzüglich, andererseits bedeutete das womöglich, dass der Abend eine Fortsetzung bei ihm oder ihr zu Hause finden würde. Auch wenn sie einige wenige Male mit Desmond geschlafen hatte, war sie absolut noch nicht bereit für eine neue Beziehung. Viel zu tief saßen der Schmerz und die Erschütterung über Nihats grausamen Foltertod.

      »Maria?«

      Sie gab sich einen Ruck.

      »Schön, am Samstag, heute nicht mehr. Und anschließend möchte ich gleich nach Hause, und zwar allein«, machte sie ihm nachdrücklich klar.

      »Natürlich, kein Problem. Wir gehen essen und unterhalten uns. Ich hole dich um kurz nach sieben von zu Hause ab. Ist dir das recht?«

      Sie willigte ein und beendete das Gespräch.

      Eine Menge Schreibkram war noch zu erledigen und sie konnte sich glücklich schätzen, wenn sie das, was sie sich vorgenommen hatte, bis zum Abend schaffte. Sie vertiefte sich in die vor ihr liegende, noch ziemlich dünne Akte »Bernhard Molberg«.

      Die Zeit verging wie im Fluge. Ab und zu kam ein Kollege rein, um sie etwas zu fragen. Die Ergebnisse der Spurensicherung würden erst in der kommenden Woche eintrudeln. Als Nächstes musste das Umfeld des Antiquitätenhändlers durchleuchtet und die Frage beantwortet werden, ob sein Sohn Alexander, vermutlicher Alleinerbe, wirklich so unschuldig und trauernd war, wie er es vorgab. Aus beruflicher und eigener leidvoller Erfahrung wusste Maria, dass Eifersucht und Habgier, neben krankhafter Mordlust, die stärksten Motive für das Auslöschen eines Menschenlebens waren. Sie seufzte und griff erneut nach dem Bleistiftstummel. Hin und wieder spuckte sie gedankenverloren einen kleinen Spleiß auf den Boden.

      Kapitel 4

      Ihre Türglocke schellte. Maria hörte die von knisternden Geräuschen untermalte Stimme von Desmond Petermann in der Gegensprechanlage und betätigte den Türsummer. Dann öffnete sie die Tür einen Spaltbreit und eilte ins Badezimmer zurück, um noch ein paar Spritzer Parfum auf Hals und Haar zu verteilen und ihrem Spiegelbild einen allerletzten prüfenden Blick zuzuwerfen. Gut, nickte sie sich zu, passte alles. Dann hörte sie auch schon seine Schritte im Flur. Mit seiner eindrucksvollen körperlichen Präsenz – hochgewachsen, weit über einen Meter neunzig groß, mit einem Gesicht wie aus Granit gemeißelt – schien er den lächerlich kleinen Raum zu sprengen. Er beugte sich zu ihr hinab und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.

      »Hm, du duftest gut«, sagte er lächelnd und hielt sie ein Stück von sich weg. »Neu?«

      Sie nickte. »Nimmst du mich so mit?«, fragte Maria, machte sich sachte los und drehte sich einmal um die eigene Achse.

      »Solange du nicht wieder eine Sondervorstellung im Canadian gibst, ist das so in Ordnung«, erwiderte er und seine stahlblauen Augen blitzten amüsiert auf.

      »Dann schmierst du den Kellner wieder mit einem Mordstrinkgeld«, konterte sie schlagfertig und spielte damit auf einen gemeinsamen Restaurantbesuch an, bei dem sie zu viel getrunken und deshalb bald die Beherrschung verloren hatte. Doch gleichzeitig spürte sie den leichten Stich der Enttäuschung wegen des ausgebliebenen Kompliments. Sie war am späten Freitagnachmittag doch noch in die Stadt gefahren, hatte sich in einer italienischen Restaurantkette mit einer gigantischen Pizza und einem Glas Rotwein gestärkt und sich dann in das übliche Gewühl der Kaufwütigen gestürzt. Trotz ihrer Befürchtungen, lange suchen zu müssen, war sie relativ schnell fündig geworden. Das graue, eng geschnittene Kleid hatte ihr bereits auf dem Bügel außerordentlich gut gefallen. Dazu passend hatte sie sündhaft teure, schwarze Pumps mit hohen Absätzen erstanden, denen sie nicht hatte widerstehen können.

      »Du siehst toll aus«, sagte Dess anerkennend.

      Doch so richtig konnte Maria sich nicht mehr freuen. Sie nahm an, dass er ihr die Enttäuschung am Gesicht abgelesen und das Kompliment schnell nachgeschoben hatte, um sie bei Laune zu halten.

      »Ich habe einen Tisch um halb acht reserviert. Bist du so weit?«

      Sie nickte, griff nach ihrer Handtasche, stopfte das Handy und das kleine Schminktäschchen hinein und zog sich einen kurzen Sommermantel über.

      Das Edelrestaurant lag auf der anderen Elbseite, im Stadtteil Weißer Hirsch. Sie kamen gut durch, denn der Verkehr war am Samstagabend deutlich schwächer als in der Woche. Fünf Minuten vor der Zeit waren sie da.

      Das Canadian war trotz der relativ frühen Stunde voll besetzt. Sie waren offenbar nicht die Einzigen, die die neue Speisekarte gereizt hatte und die ihren Gaumen mit kulinarischen Köstlichkeiten verwöhnen lassen wollten.

      Während sie an ihren Tisch gebracht wurden, ließ Maria ihre Blicke schweifen. Das gleiche Publikum wie üblich, gut angezogen, die Damen zurechtgemacht und die Herren frisch rasiert, saß an weiß gedeckten Tischen und unterhielt sich in gedämpfter Lautstärke. Innerlich schmunzelnd dachte sie an ihren ersten gemeinsamen Besuch des Restaurants. Alkoholisiert und unpassend gekleidet hatte sie vor Vergnügen die Hände krachend auf den Tisch geschlagen, als Dess ihr die kuriosen Vornamen seiner Geschwister offenbart hatte. Das auf Hochglanz polierte Besteck war klirrend über den Tisch gehüpft und die langstieligen Gläser hatten bedrohlich geschwankt. An diesem legendären Abend war ihr Lachen wie eine Bombe in diese distinguierte Atmosphäre eingeschlagen. Empört hatte man sie angesehen und unmissverständlich die Köpfe geschüttelt. Doch das wahrscheinlich Allerschlimmste war gewesen, dass sie sich die Missbilligung des Oberkellners zugezogen und es sich vermutlich bis in alle Ewigkeit mit ihm verdorben hatte. Nur dem Umstand, die Begleiterin von Dr. Desmond Petermann zu sein, hatte sie es zu verdanken gehabt, nicht umgehend hinauskomplimentiert worden zu sein. Im Nachhinein schämte Maria sich für ihr Auftreten, aber mein Gott, sie war eben auch nur ein Mensch. Sie hatte sich nicht unter Kontrolle gehabt, der angestaute berufliche und private Druck hatte sich mit einem Mal entladen.

      Als sie sich an ihren Tisch gesetzt hatten, nahm Dess ihre Hände und lächelte sie an.

      »Ich freue mich auf diesen Abend, Maria. Und ich bin sehr gespannt auf das Essen.«

      Bevor Maria etwas erwidern konnte, erschien die Bedienung mit einem kleinen Tablett, auf dem sie zwei Champagnergläser balancierte.

      »Guten Abend, Herr Dr. Petermann«, flötete sie und stellte die Gläser auf den Tisch, »schön, Sie wieder hier begrüßen zu dürfen.« Und mit einem kühleren Blick auf Maria: »Guten Abend.«

      Sie setzte die Gläser ab. »Ich bringe Ihnen sofort die Speisekarte. Herr Wiegand wird Sie dann beraten«, zwitscherte sie und verschwand wieder.

      »Mein spezieller Freund kommt gleich«, grinste Maria, rollte mit den Augen und erhob ihr Glas. »Zum Wohl, Dess, und danke für die Einladung.« Sie tranken jeder einen Schluck. »Mhm, herrlich.« Sie stellte das Glas auf den Tisch zurück. »Mach dir keine Sorgen, ich werde ganz brav sein.«

      »Ich mache mir keine Sorgen, Maria. Schöne Frauen dürfen sich fast alles erlauben. Außerdem«, er klopfte auf die Brusttasche seines Jacketts und beugte sich verschwörerisch zu ihr, »habe ich genug Geld dabei, um ihnen das Maul zu stopfen.«

      »Droh ihnen doch einfach mit einer Vivisektion, ist bestimmt auch sehr wirkungsvoll.«

      Desmond Petermann warf den Kopf in den Nacken und lachte wiehernd wie ein Pferd. Wie immer betrachtete Maria verwundert dieses Schauspiel.

      Die Speisekarten wurden gereicht. Sogleich vertiefte sich Dess darin, machte »Ah«, »Oh« und »Mhm«. Maria hatte keine Lust, sich etwas auszusuchen. Sie überließ ihm gern die Entscheidung. Bei ihren bisher