Blutiges Erbe in Dresden. Victoria Krebs

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Название Blutiges Erbe in Dresden
Автор произведения Victoria Krebs
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783948916022



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höchste Zeit. Haben Sie Dr. Hübscher erreicht?«

      »Ja, heute Nachmittag um halb drei, wenn es Ihnen recht ist.«

      »Das ist mir sogar sehr recht«, sagte sie, bevor sie auflegte. Eine Sekunde später klingelte das Telefon. Sie verdrehte die Augen, als sie die interne Nummer erkannte. Kriminaloberrat Rottge! Der hatte ihr gerade noch gefehlt.

      »Ja, Wagenried«, meldete sie sich.

      »Guten Morgen«, dröhnte er. »Ich wollte Ihnen mitteilen, dass das Auswahlverfahren für die vakante Stelle abgeschlossen ist. Nächste Woche haben Sie wieder einen neuen Kollegen. Herrn Hauptkommissar Laschkow, er wechselt aus Leipzig zu uns. Er wird am Montag kommender Woche seinen Dienst antreten.«

      »Großartig«, entgegnete Maria indifferent.

      »Scheint Sie ja nicht sonderlich zu interessieren.«

      »Papier ist geduldig. Die offiziellen Voraussetzungen erfüllt er, sonst hätte er den Posten nicht bekommen. Ich werde mir im Laufe der Zusammenarbeit selbst ein Bild machen.«

      »Ich wollte Sie nur informieren. Schon irgendwas Neues in unseren Fällen?«

      »Absolut nichts, wir sind ja gerade erst am Anfang. Heute Nachmittag werden wir Dr. Hübscher aufsuchen. Das ist der Notar, bei dem Bernhard Molberg sein Testament hinterlegt hat.«

      »Sehr gut. Wann findet denn die Obduktion statt?«

      »Heute Morgen, gleich um zehn. Um ehrlich zu sein, deswegen bin ich ein bisschen in Eile.«

      »Natürlich, grüßen Sie Dr. Petermann von mir.« Damit knallte er den Hörer auf.

      Maria verließ ihr Büro, um Hellwig Dreiblum abzuholen.

      »Ist Ihnen nicht gut?« Maria sah ihren Assistenten an, der auffällig blass und schweigsam auf dem Beifahrersitz saß.

      Gerade hatten sie die St. Petersburger Straße überquert und fuhren nun die Pillnitzer Straße entlang, weil das Terrassenufer mal wieder gesperrt war. Das bedauerte sie, denn sie liebte es ganz besonders, an der Elbe entlangzufahren, ob mit dem Fahrrad oder mit dem Auto. Insbesondere in den frühen Morgenstunden, wenn die Sonne noch nicht ganz aufgegangen war, aber ihr Erscheinen mit einem blassrosa Schimmer am Himmel ankündigte und die prachtvollen Villen und die drei Elbschlösser am gegenüberliegenden Elbhang in ein geradezu märchenhaftes Licht tauchte. Auch der Morgennebel, der wie feenhafte Schleier aus den Wiesen am Fluss hochstieg, verzauberte Maria immer wieder aufs Neue.

      »Ich bin ein bisschen nervös, muss ich zugeben.« Hellwig Dreiblum presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und räusperte sich.

      »Das sind wir alle beim ersten Mal«, versuchte sie ihn zu beruhigen. »Ist halb so schlimm. Etwas anderes wäre es, wenn wir eine Wasserleiche hätten. Der Gestank ist unbeschreiblich.«

      Hellwig Dreiblum sah sie von der Seite an, klappte den Mund auf, um etwas zu erwidern, schloss ihn aber dann wieder.

      »Wollten Sie was sagen?«

      Er schüttelte den Kopf.

      »In fünf Minuten sind wir da.«

      Sie waren pünktlich und die ganze Meute hatte sich schon versammelt. Staatsanwalt Schmücke, Dr. Stein als zweiter Mediziner, mehrere Ärzte in Ausbildung, vielleicht waren es auch noch Studenten, und schließlich Desmond Petermann, der alle ein großes Stück überragte. Maria sah in ihre Gesichter, die durch das harte, helle Licht der Neonröhren blass und konturlos wirkten.

      Bernhard Molbergs Leiche lag nackt auf einem Seziertisch. Desmond Petermann begann mit der Obduktion. Zunächst untersuchte er den tiefen Schnitt im Hals, der bei der Strangulation mit der Garotte herbeigeführt worden war. Beide Aorten waren fast vollständig durchtrennt. Dann wandte er sich den Händen zu, durch die der Mörder dicke, lange Nägel getrieben und die er damit an den Tisch fixiert hatte.

      »Warum hat der Mörder das getan? Was meinen Sie, Dr. Petermann?« Maria und Dess hatten sich darauf geeinigt, bei offiziellen Terminen das formelle ›Sie‹ zu benutzen. Es sollte nach außen nicht der Eindruck einer Vertrautheit zwischen ihnen entstehen, die die Objektivität beeinträchtigen könnte.

      »Auf mich hatte es am Tatort so gewirkt, als sollte er gezwungen werden, einen Segen zu empfangen«, fuhr Dr. Stein schnell dazwischen, bevor Dess antworten konnte. »Oder es sollte an Jesus Christus erinnern. Ihm wurden die Hände ans Kreuz genagelt.«

      Maria kommentierte keine der beiden Äußerungen, von denen ihr weder die eine noch die andere plausibel erschien.

      Dess fuhr mit der Untersuchung fort und inspizierte akribisch die Hautoberfläche mit einer starken Lupe. Doch hier war nichts Auffälliges oder Ungewöhnliches festzustellen. Dann wurde der Leichnam auf den Bauch gedreht, sodass alle Anwesenden die Wunde im Nacken sehen konnten.

      »Im Bereich des vierten und fünften Nackenwirbels wurde ein Stück Haut, circa fünf mal drei Zentimeter, entfernt«, erläuterte Desmond laut, während er die Wundränder genauer inspizierte. »Mit einem Messer herausgeschnitten. Post mortem. Keine Nachblutungen an der Wunde erkennbar.«

      Der Tote wurde wieder auf den Rücken gelegt und der Obduktionsassistent begann, den Schädel von Bernhard Molberg mit einer Handsäge zu öffnen. Das dabei entstehende Geräusch verursachte nicht nur bei Maria Unbehagen, sondern auch bei den Umstehenden, wie sie an deren Mienen ablesen konnte. Desmond entnahm das Gehirn und legte es sogleich auf eine Platte, die am Fußende des Stahltisches angebracht war. Dort schnitt er es fein säuberlich in Scheiben, um innere Blutungen auszuschließen. Seine Beobachtungen sprach er mit leiser, routinierter Stimme in sein Diktiergerät.

      Maria wusste, was jetzt folgen würde: Die Öffnung des Brustkorbes mittels des Y-Schnitts. Desmond setzte das Skalpell an und führte es von beiden Schlüsselbeinen zum Brustbein und von dort gerade bis zum Schambein hinab. Nach der Entfernung des Brustbeins und der angrenzenden Rippen, lag der innere Bauchraum mit den Organen frei. Desmond stutzte, entnahm die Leber, inspizierte sie mit gerunzelten Brauen und legte sie auf die rechteckige Fläche, auf der er schon das Gehirn untersucht hatte. Sorgfältig schnitt er einige Male in das dunkelrote Gewebe.

      »Ein großer Tumor im rechten Lappen.«

      Ein Organ nach dem anderen wurde zutage befördert und sorgfältig untersucht.

      »Krebs im Endstadium, er hatte höchstens noch zwei oder drei Monate zu leben«, sagte er schließlich und sah Maria an. »Die gesamte Bauchhöhle ist befallen, alles. Magen, Darm, sogar die Nieren.«

      Der Mörder hätte einfach seinen Tod abwarten können, dachte Maria. Vorausgesetzt, er hätte es gewusst.

      Während der Leichnam wieder geschlossen und anschließend gewaschen wurde, sprach Petermann in sein Diktiergerät und wandte sich dann der nächsten Leiche zu, die auf einem zweiten Seziertisch lag, der bisher von ihm und den Umstehenden verdeckt worden war. Maria und Hellwig Dreiblum stellten sich wieder gegenüber von Desmond an den Tisch.

      Die Sektion von Guido Brunner begann mit der Untersuchung der Schusswunden in Kopf und Brust.

      »Es handelt sich um Steckschüsse. Eines der Projektile hat mit großer Wahrscheinlichkeit das Herz getroffen«, erklärte er, »das andere dürfte sich im Gehirn befinden. Ich werde zunächst das aus dem Schädel und anschließend die Projektile aus dem Brustraum entfernen.«

      Erneut erklang das grässliche Geräusch der Knochensäge. Ein Arzt in Ausbildung trug das gelblich graue Gehirn, dessen Windungen wie platte Würmer aneinanderklebten, direkt an Maria und Hellwig Dreiblum vorbei und legte es auf ein separates Tischchen.

      Etwas rumste neben Maria. Hellwig! Er war neben ihr auf dem Boden gelandet und ganz offenbar bewusstlos. Indigniert wegen der Störung, sah Desmond auf.

      »Wie hätte er reagiert, wenn er bei der Obduktion der Frau mit dem Rosenstil in der Vagina dabei gewesen wäre?«, fragte er kühl und zog affektiert die Augenbrauen hoch. »Augen auf bei der Berufswahl, sag ich nur.« Die Umstehenden kicherten leise oder grinsten.

      Ja,