Welche Farbe hat der Wind. Aleksandar Žiljak

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Название Welche Farbe hat der Wind
Автор произведения Aleksandar Žiljak
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783957771100



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würden warten müssen.

      Die Argosie ließ zwei Segel sinken und zog die Arme in ihre Schale. Roberta, Mina und Conrad hatten sich bereits ins Schiffsinnere zurückgezogen, in die längsseitigen Septa, die ihnen als Unterkunft dienten. Die Wellen schlugen höher, spülten übers Deck, und Schaum strömte die Seiten der Schale hinab. Schließlich zog die Argosie die letzten beiden Segel ein. Tagane spürte mehr, als dass sie hörte, wie die Kammern sich mit Wasser füllten und die Schale abzutauchen begann. In wenigen Minuten würden die Wellen über der Schale und den Personen zusammenschlagen, die sich darunter verbargen. Die Argosie würde in die stillen Tiefen versinken, sicher vor dem Toben eines tropischen Gewitters. »Gehen wir«, sagte Tagane und führte Slaven ins Schiffsinnere.

      Ein naher Blitz flackerte über die innere Perlmuttschicht des Septums. Tagane warf durch die Sichtluke einen letzten Blick auf die von elektrischen Entladungen zerrissene Gewitterfront, ehe die Wellen über ihnen zusammenschlugen. Die Kammern waren gefüllt, und es ging abwärts. Vom Wind gepeitscht und von Blitzen durchstochen lief das Meer über ihnen förmlich Amok: eine heulende Bestie mit Schaum vor dem Mund, die mal stöhnte, dann wieder brüllte und jedes lebende Ding tief in die Stille hinein trieb, in eine Dunkelheit, geschmückt mit schillerndem Leuchtplankton wie Sterne in der Nacht.

      Roberta lag auf einer Matratze aus getrockneten Algen. Conrad streckte sich neben ihr aus, nahm ihre Hand, küsste ihre Finger und leckte das Salz von der Handfläche. Roberta bewegte sich im Schlaf und seufzte kaum hörbar - man konnte sonst nicht viel tun unter Wasser. Mina hängte überall in der Kammer Lampen auf, kleine getrocknete Blimp-Blasen, gefüllt mit einem feinen Pulver, das aus getrockneten Fackelwürmern hergestellt wurde. Sie tauchte ihre Finger in eine Schüssel Wasser und besprenkelte das Pulver in allen Lampen. Wenn sie befeuchtet wurden, glühten sie in einem weichen grünlichen Licht, das durch die Sichtluken in die Tiefe drang. Ab und zu schlängelte sich ein Arm der Argosie durch das Licht.

      Die Argosie sank immer tiefer, und das Gewitter war zuletzt nur noch ein gedämpftes Donnern von oben. Etwas schwamm durch das grünliche Leuchten, irgendetwas Großes, das selbst die Ausmaße des größten 'kudas übertraf. Tagane strengte ihre Augen an, aber die Dunkelheit hatte das Ding bereits verschluckt. Sie starrte noch eine Zeitlang in die Schwärze, dann zuckte sie die Achseln. Wer weiß, was in diesen Tiefen lauert, dachte sie. Aber sie fühlte sich sicher in der mächtigen, stabilen Schale der Argosie, die dem Druck in 1.500 Faden Tiefe standhalten konnte. Sie fühlte sich geschützt, bewacht von Dutzenden starken Armen. Die Jahrhunderte waren der einzige Feind einer ausgewachsenen Argosie.

      Mina nickte in Richtung Roberta und Conrad, die umschlungen in den trockenen Algen lagen und sich küssten. Roberta spreizte schamlos die Beine. Conrad schob ihren knallbunten, blümchengemusterten Sarong hoch, entblößte ihren straffen Unterbauch und berührte sie dort, wo es am schönsten war. Seine Finger kraulten ihr Schamhaar, streichelten die Schamlippen und reizten ihre Klitoris. Mina verdrehte die Augen, als wollte sie sagen: »Die beiden haben auch nur das Eine im Sinn.« Aber Tagane übersah nicht das lüsterne Funkeln in Minas neckischen grünen Augen. Die Leidenschaft sprang von der Argosie auf all ihre Passagiere über. Tagane spürte, wie sie durch ihren Körper strömte, auf ihrer Haut prickelte und sie feucht zwischen den Beinen machte.

      Tagane streckte eine Hand nach Mina aus, die andere nach Slaven. Sie zog die beiden zur anderen Matratze und gab sich ihnen hin. Slaven zog sein T-Shirt und seine Jeans-Shorts aus. Sein Schwanz richtete sich stolz auf, während Mina Taganes beige Hose aufknöpfte und sie ihr über die Beine zog. Slaven zog ihr das weiße Flanellhemd aus und entblößte ihre vollen Brüste, dann wartete er darauf, dass Mina sich aus ihrem orangefarbenen Overall schälte. Schließlich nahmen sich beide ihres Kapitäns an und bedeckten ihr Gesicht und ihren Hals, ihre Brüste und ihren Bauch mit sanften, warmen und feuchten Küssen. Sie versank glücklich in einem kochenden Strudel, entflammt von ihrem schweren, heißen Atem, gereizt von ihren Fingern, Zungen und Lippen, und stöhnte in Extase, als Slavens Schwanz in ihre Möse glitt. Mina liebkoste und küsste sie beide, voll brennender Sehnsucht beim Anblick Slavens, der Tagane in langsamen, stetigen Stößen fickte, bis er schließlich erstarrte und in ihr kam, sie mit Sperma füllte. Im selben Moment kam es auch Tagane, und Mina fingerte sich fieberhaft zum Orgasmus, dann sackten alle drei auf der Matratze zusammen, Leib an Leib an Leib. Roberta und Conrad trieben es neben ihnen, er in ihr, sie um ihn, und das alles im Innern der Argosie, tief im Schoß des Ozeans, der ihr Leben war.

      *

      Das Gewitter ging vorbei, und der Ozean funkelte. Die Argosie trieb an der Oberfläche, ließ ihre Arme müßig durchs Wasser schlängeln, hatte die Segel eingezogen und ließ ihre Schale sanft von den Wellen umspülen. Tagane und ihre Mannschaft traten aufs Deck hinaus, ihre Leidenschaften befriedigt. Fürs Erste. Der Himmel über ihnen war mit Sternen gesprenkelt, der Ozean ringsum brannte.

      Nach dem Gewitter war das Leben aus seiner Zuflucht in der Tiefe an die Meeresoberfläche zurückgekehrt: unermessliche Massen mikroskopischer Stachelkästchen, winzige Geschöpfe, die sich mit filigranen Schalen schützten, bewehrt mit Stacheln und ausgestattet mit Leuchtorganen. Ihnen folgten Fackelwürmer und Borstenwürmer und Lanzenköpfe; Schlangenschlucker, Gaffer und Beilfische und andere Tiefseefische, die bei Nacht an die Oberfläche kamen. Außerdem gefräßige Klinker und 'kudas und Stachelfische und wer weiß was noch, das im Ozean der Lichter, Fackeln und Laternen, die die Dunkelheit mit hellen Farben zerrissen, nach Nahrung suchte. Grün- und Blautöne, gelb, rot, weiß: glühend, miteinander verschmelzend und ineinander strömend, während das Plankton wimmelte. Schulen bildeten und zerstreuten sich und sammelten sich erneut, während rings um die Argosie das Leben wogte.

      Tagane betrachtete den Ozean, der sie umgab. Sie hatte immer schon den Eindruck gehabt, dass die Farben nach einem Gewitter am strahlendsten leuchteten. In der Ferne erblickte sie dunkle Gebilde, die durch das Grün schnellten, etwas Großes und Ungewohntes, das sie noch nicht gefangen hatten. Was vielleicht auch besser so war, dachte sie. Rund fünfzig schwarze Blimps erhoben sich sechzig Meter über die Wasseroberfläche, von marmorartigen Mustern überzogen, die organgefarben leuchteten und sie immer an glühende Magmaklumpen erinnerten, die gerade erkalteten.

      Plötzlich setzte sich die Argosie ruckartig in Bewegung. Tagane spürte ihre Unruhe für einen Moment, bevor sie ihre starken Arme hoch über die Wasseroberfläche hob und alle vier Segel ausbreitete, um möglichst viel vom leichten Wind einzufangen. Mina sprang auf die Füße, Roberta und Conrad nach ihr. »Meinst du ...?«, fragte Slaven.

      »Möglicherweise«, nickte Tagane. Sie spürte, dass sie alle von neuer Unruhe erfasst wurden. Und die Argosie auch. »Wurde auch Zeit.« Mit Lasten beladen, bewegte sich die Argosie recht schleppend und war wenig geneigt, ihren Kommandos Folge zu leisten und in die gewünschte Richtung zu segeln, den Fischen, Algen und Fackelwürmern hinterher, von denen sie lebten.

      Die Argosie segelte dahin, von einem Verlangen getrieben. Langsam und träge, aber sie segelte und zog ein helles Kielwasser hinter sich her. Als ob er das wortlose Flehen der Argosie erhörte, blies der Wind etwas stärker. Das Schiff und seine Mannschaft ließen die Blimps hinter sich, segelten über den flammenden Ozean, gefolgt von einer Schule Klinker, die sicheren Abstand zu den Armen der Argosie hielten. Tagane lehnte sich gegen die Reling. Der Wind schlug ihr kalt ins Gesicht und zerwühlte ihr Haar. Sie warf einen Blick auf Slaven, Roberta, Mina und Conrad. Die Anspannung zwischen ihnen nahm erneut zu. Auch in Tagane. Erwartungen, Nervosität, Unruhe. Sie betrachtete noch einmal ihre Seeleute, die Kameraden, mit denen sie die Argosie teilte. Ihretwegen lebte sie nicht auf den Inseln, in der Sicherheit festen Bodens unter ihren Füßen. Ihretwegen war sie auf dem Meer unterwegs und den Wind, den Strömungen und den Launen der Argosie ausgeliefert. Vor einem Gewitter konnten sie sich in die Tiefe zurückziehen. Vor den Ungeheuern waren sie durch die Arme eines wohlwollenden Ungeheuers geschützt. Ihretwegen, erkannte Tagane, segele ich. Und mit ihnen fühlte sie sich lebendig.

      Man muss nicht leben, aber man muss segeln. Ein uraltes Sprichwort, das noch von der Erde stammte. Tagane hatte es vor langer Zeit gehört. Aber auf der Argosie gab es diesen Unterschied nicht. Leben und Segeln waren ein und dasselbe. Tagane begriff, dass sie sich ein Leben ohne Segeln nicht mehr vorstellen konnte. Und in gewisser Weise - gegen jede Logik, denn sie alle wussten, das sie nur Passagiere waren, die von der Gnade eines