Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683265



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       Abb. 10: Die drei Hüttenwerke im Dreiländereck Cleve/​Recklinghausen/​Essen um 1800, Zeichnung von Ernst Montenbruck 1978

      Durch ihre geografische Lage in einem Dreiländereck war die St. Antony-Hütte von dieser Politik besonders betroffen. Auf der einen Seite lag sie nur wenige hundert Meter von der Grenze des kurkölnischen Vestes Recklinghausen zu dem seit 1666 zu Preußen gehörenden Herzogtum Kleve entfernt, auf der anderen Seite war es nur etwa ein Kilometer bis zur Grenze mit dem Reichsstift Essen. In dieser Situation musste die Eisenhütte als neuer Gewerbezweig die Aufmerksamkeit der Nachbarstaaten erregen, zumal die Rohstoffe in jedem der drei Staaten vorkamen und schnell die Grenze überschreiten konnten. So kamen Holzkohle und Erze aus den Nachbarstaaten zur Verhüttung nach St. Antony und sogar der zum Antrieb der Hochöfen notwendige Elpenbach floss vom Vest ins Herzogtum Kleve. All dies musste den Unmut der benachbarten Landesherrn erregen und sie zu Überlegungen veranlassen, eine ähnliche Entwicklung wie im Vest im eigenen Land anzustoßen oder zumindest zu unterstützen.

       Pfandhöfer macht sich selber Konkurrenz

      Die im preußischen Herzogtum Kleve vorhandenen Erzvorkommen an Emscher und Lippe waren wahrscheinlich schon im 17. Jahrhundert bekannt. Doch blieben alle Versuche sie zu nutzen zunächst erfolglos. 1740 legte ein Herr Jamet bei der preußischen Regierung in Kleve ▶ Mutung auf Eisenstein zwischen Emscher, Lippe und Ruhr ein, machte von seinem Recht am Erz jedoch keinen Gebrauch.50 Einen zweiten Versuch startete 1743 von Wenge.51 Der erteilte Schürfschein auf Erz in der Gegend um Holten wurde ihm jedoch vom preußischen Staat 1773 wieder entzogen, da von Wenge seine Hütte im kölnischen Vest Recklinghausen und nicht im Herzogtum Kleve errichtet hatte. Dennoch lieferten Kötter aus dem Sterkrader Raum nach Betriebsaufnahme der St. Antony-Hütte auch ohne behördliche Genehmigung immer wieder Eisenstein an von Wenge.

      Auch die Zisterzienserinnen des Klosters in Sterkrade bemühten sich um das Raseneisenerz in ihrer Umgebung.52 Als ihre Auseinandersetzung mit von Wenge über den Bau seiner Hütte entschieden war, erbat die Äbtissin am 14. September 1757 im Namen des Klosters bei der Kriegs- und Domänenkammer, das war die regionale Regierung des Herzogtums Kleve, das Schürfrecht im rechtsrheinischen Teil des Herzogtums zwischen Rhein und Lippe sowie eine Konzession zur Anlegung einer Eisenschmelze und eines Hammerwerks. Auch wenn der ▶ Siebenjährige Krieg einen hohen Profit für Eisenwaren – vor allem Munition – versprach, realisierte das Kloster die Pläne aber nicht.

      Der nächste Versuch, Eisenerze im Klevischen zu fördern, ergab sich, nachdem in Orsoy am Rhein 1771 ein Eisensteingang entdeckt worden war.53 Am 29. Dezember erbat Johann Wilhelm Müser aus Blankenstein an der Ruhr einen Mutschein auf Eisenstein zwischen dem Rhein und der Grenze zum kölnischen Vest Recklinghausen. Zur Ausbeutung des Erzes schloss er sich mit Jan Peter und Diederich Walter Noot aus Orsoy bzw. Ruhrort zusammen, beides Brüder von Aletta Haniel, der Mutter von Franz und Gerhard Haniel, die später noch eine wichtige Rolle in der Geschichte der Eisenindustrie der Region spielen sollten. Zu dem Konsortium stieß noch Kommerzienrat Hellmann van Eyckellenberg hinzu. Die Antragsteller bezogen sich auf die bereits produzierende St. Antony-Hütte in Osterfeld und betonten die mögliche Sicherung der Rohstoffe für den preußischen Staat. Die ▶ Mutung unter dem Namen „Vesuvius“ planten sie mit einer Eisenhütte zu verbinden, für die sie als möglichen Standort auch einen Platz in der Nähe des Klosters Sterkrade in Erwägung zogen. Für die Laufzeit des ▶ Mutungsantrags verbot 1773 die Kriegs- und Domänenkammer auf Anweisung aus Berlin die Ausfuhr von Eisenstein aus dem Herzogtum Kleve zur Verhüttung nach St. Antony. Am 15. Mai 1774 genehmigten die preußischen Behörden in Berlin den Bau einer Eisenhütte, doch schon Ende desselben Jahres ließen die Gesellschafter ihr Recht wieder verfallen, indem sie eine von den preußischen Behörden gesetzte Frist zum Baubeginn verstreichen ließen.

      Als Eberhard Pfandhöfer erkannte, dass die Eisenverhüttung im Dreiländereck ein gutes Geschäft werden könnte, wurde auch für ihn die Nutzung der Erze des rechtsrheinischen Teils des Herzogtums Kleve attraktiv. Am 22. September 1780 legte er ▶ Mutung auf Eisenerz unter dem Namen „Gute Hoffnung“ ein.54 Von Anfang an plante er die Errichtung einer Eisenhütte im Klevischen und nicht die Verhüttung der Erze auf St. Antony. In seinem offensichtlich beim Bergamt in Hagen niedergeschriebenen Antrag stellte er fest, er sei

      „Willens in der Gegend von Dinslacken zwischen den 3 Flüßen Rhein, Rhur und Lippe, an dem mir dazu am besten convenable scheinenden, und beym Augenschein zu bestimmenden Orte, auf den daselbst erfindlichen Eisen Stein, eine Eisenhütte anzulegen“.

      Er bat um Eile bei der Entscheidung über seinen Antrag, da in Kürze eine große Menge Bauholz, die er für die Errichtung der Hütte benötigen würde, im Vest Recklinghausen verkauft werden sollte. Gegenüber dem preußischen Bergamt sicherte Pfandhöfer zu, auf seiner neuen Hütte den Einsatz abgeschwefelter Kohlen ausprobieren zu wollen.

      Als Standort der Eisenhütte wählte Pfandhöfer einen Platz in der Nähe des Klosters in Sterkrade. Erfolglos erhoben die Zisterzienserinnen Einspruch beim preußischen Bergamt gegen das neue Gewerbe, weil es wie schon im Fall der St. Antony-Hütte um seine Wasserrechte fürchtete. Um weiteren Problemen aus dem Weg zu gehen, schloss Pfandhöfer am 6. Januar 1781 einen Vertrag mit der Äbtissin.55 Darin erhielt er vom Kloster Land für den Hüttenbau und die Genehmigung, dort eine Eisenhütte anzulegen. Im Gegenzug übereignete er dem Kloster für zwölf Jahre ein Viertel der Anteile am Hüttenwerk. Nach Ablauf der Frist hatte Pfandhöfer das Recht, die Anteile zurück zu kaufen. Weiter sicherte er zu, die Mühlteiche und den Elpenbach schlammfrei zu halten. Das Kloster gewährte ihm zusätzlich einen Kredit von 1.000 Reichstalern zum Bau der Hütte, Geld, das Pfandhöfer angesichts seiner knappen Finanzen sicherlich benötigte. Schon vor Ablauf der 12-Jahresfrist schied das Kloster am 8. August 1786 als Anteilseigner der Gute Hoffnung wieder aus und wurde von Pfandhöfer entsprechend entschädigt.56

       Abb. 11: Erste Seite der Verleihungsurkunde über das Eisendistriktfeld „Gute Hoffnung“ vom 10. September 1781

      Nachdem im März 1781 die preußischen Bergräte Heinzmann und Wünnenberg Pfandhöfers Anliegen befürwortet hatten, erging am 3. Mai auf „allergnädigsten Special-Befehl“ des preußischen Königs ein Schreiben an das Märkische Bergamt zu Wetter, das die Verleihung der Rechte zur Erzförderung und zur Errichtung einer Eisenhütte an Pfandhöfer enthielt.57 Am 10. September stellte das Bergamt Pfandhöfer eine Urkunde mit allen Vereinbarungen, Vergünstigungen und Vorschriften aus:58 Pfandhöfer erhielt für sich und seine Arbeiter die Bergfreiheit; das heißt, er durfte die Erze fördern, auch ohne Eigentümer des darüber liegenden Grund und Bodens zu sein. Kohlen konnte er aus dem Märkischen über die Ruhr beziehen. Rohmaterialien, die er benötigte, unterlagen keinem Zoll und ihm wurden sechs „Freyjahre“ zugestanden, was bedeutete, dass er für diese Zeit keine Abgaben zu entrichten hatte. Im Gegenzug war Pfandhöfer verpflichtet, alle bergrechtlichen Bestimmungen einzuhalten.

      Zur Stärkung seiner finanziellen Basis übertrug Pfandhöfer im Juni 1781 für 3.000 Gulden ein Viertel der Hüttenanteile an Joan Godfried Meeler aus den Niederlanden. Pfandhöfer verpflichtete sich, Meeler die hergestellten Waren zum Absatz in Holland zu überlassen.59 Doch schon im Oktober 1783 kündigte Meeler den Vertrag und stieg aus der Hütte Gute Hoffnung wieder aus. Es dauerte aber über zehn Jahre, bis Meeler sein Geld zurückerhielt und als Anteilseigner aus dem Berghypothekenbuch beim Bergamt gelöscht wurde.60

       Abb. 12 bis 14: Produktbeispiele aus dem Musterbuch der St. Antony-Hütte von 1840

      Im Sommer 1781 begann Pfandhöfer den Bau der neuen Eisenhütte. Er betreute die Arbeiten von der St. Antony-Hütte aus. Um Ostern 1782 nahm die Hütte Gute Hoffnung den Betrieb auf. Sie bestand aus einem Hochofen mit einer Formerei, dem Kohlen- und dem Erzmagazin. Der Hochofen war an seiner Basis quadratisch mit einer Kantenlänge von 18 Fuß, das waren 5,65 Meter. Die Höhe des Ofens betrug ebenfalls 18 Fuß.61 Fast jährlich liefen nun die Kampagnen. Erzeugt