Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683265



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einzige Zahlung aus dem Pachtvertrag. Schwartz und Hundt führten mehrere Hochofenkampagnen durch, doch kämpften auch sie bis zum Ende der Pachtzeit mit zahlreichen Schwierigkeiten. So führte beispielsweise erneut Holzkohlemangel zum Abbruch der letzten Kampagne 1777. Doch müssen sich die Produkte nun zügig abgesetzt haben. Sie wurden zumeist wieder über Ruhrort in die Niederlande verschickt.

      Im November 1775 schaltete von Wenge erneut das Gericht ein, um rückständige Pachtzahlungen in Höhe von mittlerweile 3.500 Talern einzuklagen. Bald stellte sich heraus, dass auf der Hütte bereits zahlreiche Werte von anderen Gläubigern beschlagnahmt worden waren. Die Pächter sagten vor Gericht zu, den ausstehenden Pachtzins nach Eingang von Zahlungen aus Holland zu begleichen. So wartete das Gericht mit der Beschlagnahme des Warenlagers, da sein Abtransport sehr kostspielig gewesen wäre. Erst im März 1778, also nach Ablauf des Pachtvertrags, klagte von Wenge erneut auf Zahlung der ausstehenden Pachtsumme, jetzt insgesamt 5.500 Taler. Zugleich verlangte er die Räumung der Hütte, da die Pachtzeit abgelaufen sei. Die Pächter erreichten, dass eine vom Gericht auf den 24. März gesetzte Frist um zwei Wochen verlängert wurde. In der Zwischenzeit flüchteten Schwartz und Hundt über die Grenze nach Bocholt und nahmen den größten Teil der vorhandenen Waren sowie viele weitere Gegenstände der Hütte mit. Sie verließen die Hütte in nicht mehr betriebsfähigem Zustand. Bis zur Begleichung von Teilen der Schuld dauerte es noch viele Jahre. 1785 erhielt von Wenge aus einem Konkurs der Familie Schwartz 622 Taler. Die Erben der Familie Hundt bezahlten ihren Anteil vollständig, aber erst im Januar 1795 an Wenges Erben. Die von den Pächtern ebenfalls nicht entrichteten Abgaben an den Landesherrn, den Erzbischof von Köln, schlug dieser zu Gunsten von Wenges nieder.

       Pfandhöfer & Co. – endlich Profit für von Wenge

      Nachdem Schwartz und Hundt die Hütte verlassen hatten, suchte von Wenge einen neuen Pächter für St. Antony. Er fand ihn in Eberhard Pfandhöfer (1743 – nach 1804) aus dem Siegerland, der bereits auf verschiedenen Eisenhütten Erfahrungen gesammelt hatte.42 Der preußische Fabrikenkommissar Friedrich August Alexander Eversmann beurteilte ihn später als interessante Persönlichkeit. Er stellte fest:

      „Eine Biografie dieses Mannes würde interessant und zugleich belehrend seyn, indem Pfandhöfers Leben ein merkwürdiges Beyspiel gibt, wie ein Mann, mit gesundem Menschenverstande ausgerüstet, mit Beharrlichkeit und Zuversicht auf sein Glück wirken kann […].“43

      Pfandhöfer arbeitete schon mit 19 Jahren in einer Eisenhütte. Später schaffte er es bei der Sundwiger Hütte im Sauerland vom Hüttenmeister über den Faktor und Pächter bis zum Miteigentümer, musste dann allerdings seine Anteile wieder verkaufen und 1777 Konkurs anmelden.

      Im Juli 1779 kam Pfandhöfer nach St. Antony und erhielt Anfang November als Pächter die notwendigen Werkzeuge und Materialien ausgehändigt. Doch von Wenges Probleme gingen zunächst weiter. Der neue Pächter blieb bereits im ersten Pachtjahr sowohl die Abgaben an den Erzbischof als auch die Pachtzahlung an von Wenge schuldig. Als Grund nannte er unerwartet hohe Kosten für die Aufnahme des Hüttenbetriebs. Auch hätte die Hütte durch die vorherigen Pächter einen schlechten Ruf erhalten, so dass Tagelöhner und Bauern für ihre Dienste Barzahlung verlangen würden, wo er auf Kreditierung gehofft habe.44

      Abb. 9: Erste Seite des Pachtvertrages vom 19. Oktober 1780 zwischen von Wenge und Pfandhöfer, Döeinck & Co.

      Tatsächlich war wegen des schlechten Zustands der Hütte eine grundlegende Instandsetzung vor der Wiederinbetriebnahme nötig. Doch von Wenge erreichte, dass weitere, diesmal kapitalkräftige Pächter in den Pachtvertrag mit eintraten. Dies wird vermutlich auch Pfandhöfer, der ja weitgehend mittellos nach Osterfeld gekommen war, recht gewesen sein. Unter der Überschrift „In Gottes Namen, amen“ schlossen alle Beteiligten am 19. Oktober 1780 auf von Wenges Familiensitz Haus Dieck einen neuer Pachtvertrag. Pfandhöfer pachtete eine Hälfte, die drei Bocholter Gerhard Döeinck, Friederich Reigers und Joseph Diepenbroek die andere Hälfte der Hütte „in Compagnie, auf sechs aufeinanderfolgende, 1781 prima Januarii angehenden, und 1787 prima Januarii sich endigenden Jahren“.45 Die drei neuen Pächter stammten aus angesehenen Familien, waren miteinander verwandt und betätigten sich bereits erfolgreich auf mehreren Hütten im Bocholter und im angrenzenden holländischen Raum.46 Von Wenge versuchte, sich im neuen Vertrag nach möglichst allen Seiten abzusichern. Vierteljährlich fiel nun ein Pachtzins von 312 ½ holländischen Gulden an. Von Wenge ließ sich zur Sicherheit ein Pfandrecht für alle Dinge auf der Hütte einräumen. Alle Reparaturen und Verbesserungen hatten die Pächter binnen eines halben Jahres auf eigene Rechnung auszuführen. Der noch bestehende Eisenhammer und das Fischereirecht im Hüttenteich behielt sich von Wenge vor. Auf seine Kosten entstand auch eine Schlackenmühle. Die Abgaben an den Erzbischof waren von den Pächtern zu entrichten, doch konnten sie den Betrag von der Pachtsumme abziehen. Nach Ablauf der Pachtzeit hatten sie die Hütte in einwandfreiem Zustand an von Wenge zu übergeben.

      Von Juli bis Dezember 1781 lief die erste Hüttenkampagne der neuen Pächter. Von dieser berichtete der bereits genannte Eversmann seinen Vorgesetzten beim preußischen Bergamt:47 Pfandhöfer setze je zur Hälfte Eisenstein aus dem Kölnischen und Klevischen ein. In 24 Stunden würden 54 bis 60 Fass Eisenstein – zum Teil zuvor gewaschen –, vier Karren Kalk aus Hiesfeld oder ersatzweise sechs bis acht Karren Mergel sowie sieben bis acht Karren Kohle in 18 bis 20 ▶ Gichten in den Hochofen eingegeben. Dreimal wurde in dieser Zeit abgegossen und dabei im Durchschnitt 2.400 bis 2.500 Pfund Roheisen in Form von Gusswaren, insbesondere Kanonenkugeln, produziert. In den unruhigen Zeiten mit zahlreichen Kriegen versprach die Munitionsherstellung ein gutes Geschäft. Die Kampagne soll dreißig Wochen gedauert haben. Die Absatzlage war gut. Noch 1781 begannen die Pächter damit, einen neuen Hochofen zu errichten und ließen zugleich ein neues oberschlächtiges Wasserrad von 16 Fuß Höhe, das waren etwa fünf Meter, einbauen. Mit diesen neuen Anlagen führten sie ab April 1782 eine wiederum dreißigwöchige Kampagne durch, die 1.000.000 Pfund Gusswaren erzeugte.48

      Die neuen Pächter aus Bocholt waren kapitalkräftig und zahlten pünktlich. Schwieriger war es mit Pfandhöfer. Er zahlte seine erste Pachtrate in zu leichtem Gold und die weiteren Raten nur schleppend. Auch mit behördlichen Stellen geriet Pfandhöfer in Konflikt. Bei einer Kontrolle der Hütte verwehrten seine anwesenden Verwandten im Mai 1781 dem Bottroper Amtsleiter unter Androhung von Gewalt den Zutritt. Wie Pfandhöfer später zugab, hatte er etwas zu verbergen: Zu diesem Zeitpunkt lagerten auf der Hütte 200 Pfund aus Holland geschmuggelter Kaffee.49

      Während Eberhard Pfandhöfer auf der St. Antony-Hütte arbeitete, engagierte er sich gleichzeitig auch andernorts in der Eisenindustrie: So war er beispielsweise Pächter eines Eisenhammers in Rödinghausen bei Menden im Sauerland. Entscheidender für die Entwicklung Oberhausens war jedoch seine Tätigkeit in Sterkrade. Dort baute er parallel zu seiner Pachtzeit in Osterfeld die erste Konkurrenz zur St. Antony-Hütte, die Hütte Gute Hoffnung, auf.

      Um den Aufbau weiterer Hüttenwerke in unmittelbarer Nachbarschaft der St. Antony-Hütte zu verstehen, ist es notwendig, die wirtschaftpolitischen Vorstellungen der damaligen Zeit zu erläutern. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bemühten sich aufgeklärte Herrscher verstärkt, die ökonomische Entwicklung ihrer Länder zu verbessern. Eine der Grundlagen der vorherrschenden wirtschaftspolitischen Denkweise, des Merkantilismus, war es, dass Bodenschätze im eigenen Land genutzt und zu handelbaren Waren verarbeitet werden sollten. Daher wachten Fürsten und Könige eifersüchtig über die Entwicklung ihrer kleineren oder größeren Staaten. Die staatliche Verwaltung unterstützte Gewerbetreibende mit geeigneten Maßnahmen, um sie gegenüber ausländischen Produzenten konkurrenzfähig zu machen oder zu halten. Fachbeamte berieten Gewerbetreibende, aber auch Zollvergünstigungen, Abgabennachlässe und ähnliche Privilegien wurden gewährt, wie sie auch von Wenge seitens seines Landesherrn erhalten hatte. Der mögliche Profit sollte im eigenen Staat verbleiben und damit nicht zuletzt in erheblichen Teilen dem aufgeklärten Herrscher