Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683265



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27. Juli schloss der Vertreter der Erben von Wenges einen zweiten zunächst mündlichen, am Tag darauf dann schriftlich verfassten Kaufvertrag ab, jetzt mit Gottlob Jacobi zugunsten der Essener Fürstäbtissin.88 Der Kaufpreis betrug ebenfalls 6.000 Reichstaler, 1.000 Taler waren sofort zu entrichten. Im Vertrag wurde erwähnt, dass „die am 26ten dieses mit dem Herrn Gerhard (!) Pfandhöfer gepflogene Verkaufs Unterhandlung wegen Mangel der auf der stelle zu erlegenden Gelder zu keinen Abschluß gebracht werden konnte“. Jacobi sicherte in einer Nebenabrede außerhalb des Vertrages den Erben von Wenges zu, dass die Fürstäbtissin alle aus dem Vertrag mit Pfandhöfer entstehenden Kosten tragen würde.

      In der Folge pochten beide Käufer auf Einhaltung der Verträge. Pfandhöfer ließ am 29. Juli Eisenstein anfahren und begann mit mehreren Zimmerleuten, die St. Antony-Hütte instand zu setzen. Noch am selben Tag erschien auch Gottlob Jacobi mit mehreren Leuten und vertrieb unter Einsatz von Schusswaffen Pfandhöfer mit seinen Handwerkern von der Hütte. Jacobis Leute hielten nun die Hütte besetzt, so dass ein erneuter Versuch Pfandhöfers scheiterte, mit der Arbeit auf der Hütte zu beginnen. Zusätzlich sperrte Jacobi im August Pfandhöfer das Wasser für die bachabwärts liegende Hütte Gute Hoffnung. So musste dieser den Hochofen ausblasen, nachdem vergeblich versucht worden war, die Blasebälge durch Arbeiter zu betreiben.89 Am 14. August 1793 erhielt der Kaufvertrag mit der Fürstäbtissin die gerichtliche Bestätigung.

      Der Kaufvertrag bestimmte, dass „mit der Arbeit auf der Hütte sobald als möglich angefangen werden“ sollte. Immerhin war angesichts der kriegerischen Zeiten Eisenverhüttung lukrativ und auch für den Staat so wichtig, dass er 1794 die zugewanderten Kohlebrenner unter den Schutz der Bergordnung und damit vom Rekrutendienst frei stellte.90 Als jedoch Jacobi die Produktion auf St. Antony wieder aufnahm, kam es zu erneuten Klagen des Klosters und der Bewohner von Sterkrade.91 Sie beschwerten sich beim preußischen Landgericht in Dinslaken, dass das ansonsten sehr gute Wasser des Elpenbachs durch tägliches Erzwaschen auf der St. Antony-Hütte verdreckt und für Mensch und Vieh ungenießbar sei. Die Mühl- und Fischteiche würden verschlammt, was die Fischzucht unmöglich mache und zum Stillstand der Mühlen führen werde. Bei einem Ortstermin am 3. Dezember 1793 – die neue Äbtissin des Zisterzienserinnenklosters wies dabei auf die Auseinandersetzung der 1750er Jahre hin – fand das Gericht die Beschwerden „vollkommen begründet“ und forderte am 10. Dezember vom kölnischen Hofrat in Bonn schleunigste Abhilfe. Die Hofkammer bat nun die Verwaltung des Fürstbistums Essen um Stellungnahme, schließlich galt die Essener Fürstäbtissin als Eigentümerin der Hütte. In Essen gab man sich erstaunt über die Vorwürfe. Indem sich die Verwaltung eine Stellungnahme von Jacobi zu eigen machte, behauptete man, es sei unbegreiflich,

      „wie sich seit zwei Jahren, welche Zeit die Antoni Eisenhütte stillestand, der Geschmack der Einwohner und des Viehs zu sterkrade so sehr verzärtelt haben kann, dass ihnen nun die Bache durch das Waschen der Eisenerde ganz unbrauchbar scheint, im Gegenteil sollte die ganze Gemeinde vom menschen bis zum Vieh längstens ihren Gaumen daran gewöhnt haben, weil seit der Entstehung der Hütte bis auf diese Stunde das Eisenerz immer auf nämliche art gewaschen worden […].“

       Abb. 20: „Geometrischer Grundriß der Bockmühle mit allen darin gelegenen Bau, Weide und Eichelnkampe, gemessen 1793 durch G. W. Strack sen.“

      Zudem würden sich die ausgewaschenen Bestandteile rasch auf dem Boden des Bachs absetzen, so dass sie gar nicht bis Sterkrade gelangen würden. Dennoch wurde die Verschlammung der Teiche zugegeben, allerdings gegen die Beschäftigung von „40 armen Taglöhnern“ durch die Hütte aufgerechnet. Das Waschen des Erzes sei für eine rationelle Produktion notwendig. Dass die Sterkrader Hütte kein Erz wasche, läge allein daran, dass es ihr bei der Gründung verboten worden wäre. Auch vermutete man hinter der Beschwerde die Konkurrenz der Hütte Gute Hoffnung in Sterkrade. Diese Stellungnahme aus Essen reichte der Bonner Hofkammer, um Anfang 1794 die Beschwerde aus Sterkrade als unbegründet zurückzuweisen.

      Der Streit um das Eigentum an der St. Antony-Hütte war aber immer noch nicht entschieden. Pfandhöfer wehrte sich juristisch, was bei den aneinander grenzenden Kleinstaaten mehrere Prozesse in verschiedenen Staaten bedeutete. Auch schaltete er den Freiherrn vom Stein als Vermittler ein und verklagte Jacobi wegen dessen Gewaltanwendung auf der Hütte. Es folgten langjährige Auseinandersetzungen vor verschiedenen Gerichten. Selbst für die Gerichte und die Regierungen scheint der Fall sehr verworren gewesen zu sein. Zwischenzeitlich wurde Jacobi sogar von den preußischen Behörden bei einem Aufenthalt in Duisburg verhaftet und bis Ende 1793 auf der Festung Wesel inhaftiert. Erst Ende 1795 kam es zur endgültigen Klärung der Besitzverhältnisse. Noch am 16. März hatte der Kölner Erzbischof Max Franz den Kaufvertrag mit der Fürstäbtissin anerkannt.92 Im November wurde dann aber letztinstanzlich doch Pfandhöfer das Eigentum an der Hütte zugesprochen, allerdings war er mittlerweile nicht mehr in der Lage, den Kaufpreis zu entrichten. So kam es am 21. Dezember 1795 zu einem Vergleich zwischen der Fürstäbtissin und Pfandhöfer. Das Eigentum an St. Antony ging an die Fürstäbtissin über, aber sie hatte die Hütte bis 1801 für 600 Taler jährlich an Pfandhöfer zu verpachten. 1796 blies Pfandhöfer den Hochofen auf St. Antony für acht Wochen, den Ofen auf der Hütte Gute Hoffnung gar nicht an.93 1797 arbeiteten von Mitte Juli bis Anfang September beide Hütten letztmals unter der Ägide Pfandhöfers.94

       Pfandhöfer geht pleite

      Noch in den 1780er Jahren hatte sich Pfandhöfer an verschiedenen Hüttenprojekten sowie an einer holländischen Glashütte beteiligt.95 Mit Beginn der 1790er Jahre verschärften sich allerdings seine Finanzprobleme wieder. Gegenüber verschiedenen Gläubigern häufte er erhebliche Schulden an.96 Hauptgläubiger blieb die Familie Krupp aus Essen. Hier machte man sich schon 1793 keine Illusionen mehr über die Solvenz ihres Schuldners. Außerdem sahen sie Anzeichen, dass Pfandhöfer „dem Tranke so sehr ergeben ist.“97 Pfandhöfer geriet in eine aussichtslose Lage. Am 5. August 1796 beantragten Doeinck und Co., seine ehemaligen Kompagnons von der St. Antony-Hütte, mit denen er immer wieder Geschäfte gemacht hatte, eine Pfändung wegen einer ausstehenden Forderung von 1.000 Reichstalern.98 Noch im gleichen Monat ließ auch die preußische königliche Forstkasse Mobiliar und Vieh von Pfandhöfer wegen Zahlungsrückständen pfänden. Nochmals zahlte Amalie Krupp die Schulden, wahrscheinlich um ihre eigenen Forderungen zu retten.

      Am 17. September 1797 zog der überschuldete Pfandhöfer seine Konsequenzen. Er verließ Sterkrade und Osterfeld. Sein neuer Aufenthaltsort war zunächst unbekannt.99 Tatsächlich hatte er sich nach Holland abgesetzt, wo er später wieder im Eisenhüttenwesen tätig war.100 Am 11. Januar 1798 wurde der Konkurs über das im Herzogtum Kleve befindliche Vermögen Pfandhöfers eröffnet. Bis zum 26. April waren alle Forderungen bei Gericht zu melden.101 Sie summierten sich auf fast 30.000 Taler, von denen allein der Familie Krupp über 24.000 Taler geschuldet waren. Am 29. August wurde die Versteigerung des Pfandhöferschen Vermögens erstmals angekündigt. Helene Amalie Krupp ersteigerte am 29. März 1799 die Hütte Gute Hoffnung für 12.000 Reichstaler. Den endgültigen Zuschlag erhielt sie jedoch erst am 12. April 1800.102 So sicherte sie sich zumindest einen gewissen Gegenwert für ihre hohen Forderungen.

      Auf der St. Antony-Hütte übernahm nach Pfandhöfers Flucht wieder Gottlob Jacobi die Leitung und vereinigte sie mit der Hütte Neu-Essen. Er selbst zog mit seiner Familie in die Direktorenwohnung nach Osterfeld. Dort modernisierte er die Hütte grundlegend, was sie zur vorbildlichen Anlage machte. Am Hochofen installierte er ein Kastengebläse und ließ den ersten ▶ Kupolofen in Deutschland außerhalb Oberschlesiens errichten. 1799 ging St. Antony wieder in Betrieb und Jacobi konzentrierte die Produktion von Roheisen auf dem Werk am Elpenbach. Die Kampagnen dauerten etwa dreißig Wochen. Der preußische Fabrikencommissarius Eversmann nannte Jacobi in seiner 1804 erschienen „Übersicht der Eisen- und Stahlerzeugung auf Wasserwerken in den Ländern zwischen Lahn und Lippe“ einen experimentierfreudigen Hüttenfaktor und „Mann von einer vollkommenen hüttenmännischen Kenntnis“.103 Auch lobte er den technischen Stand der St. Antony-Hütte und beschrieb sie ausführlich: Der Hochofen war 22 Fuß (= 6,90 Meter) hoch. Ein 16 Fuß (= 5,00 Meter) hohes Wasserrad trieb das Kastengebläse an. Für die Hütte arbeiteten 80 Personen,