Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683265



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der sie ja jetzt selbst beteiligt war, „den in unserem Hochstifte und seinen Zubehörungen bereits entdeckten, oder noch zu entdeckenden Eisen-Erz zu suchen, zu gewinnen, und nach Wohlgefallen mit Schmeltz und Hammer zu benutzen“ sowie „ein oder mehrere Hütten und Hammer-Werke anzulegen.“79 Das Unternehmen wurde vor Konkurrenten innerhalb des Hochstifts geschützt, allerdings bezog sich der Schutz nicht auf Betriebe, die das Eisen weiter verarbeiteten. Schäden, die durch Erzförderung oder Eisengewinnung entstanden, waren zu bezahlen. Die Fürstäbtissin sagte in der Urkunde die Versorgung mit „Klafterholz“ zu einem festen Preis zu und gewährte der Hütte sowohl für den Bezug von Rohstoffen als auch für den Absatz eigener Produkte Zollfreiheit. Alle Steuern und Abgaben wurden durch eine jährliche Pauschalzahlung von 40 Reichstalern abgegolten.

      Maria Kunigunde engagierte zum Bau der Hütte Gottlob Julius Jacobi (1770 – 1823).80 Er war der Sohn des Direktors der Sayner Hütte, Johann Heinrich Jacobi, und von seinem Vater im Hüttenwesen ausgebildet worden. Die Sayner Hütte genoss zu dieser Zeit ein hohes Ansehen. Gottlob vertiefte sein Wissen durch Lehrjahre in England, dem zu diesem Zeitpunkt in der Eisenhüttentechnik führenden Land. Mit Gottlob Jacobi kam ein resoluter, technisch versierter Fachmann in die Region, der bis zu seinem Lebensende das Eisenhüttenwesen im Raum Oberhausen prägen sollte.

       Abb. 16: Maria Kunigunde von Sachsen (1740 – 1826), Fürstäbtissin von Essen und Thorn. Das Porträt wird dem Maler Heinrich Foelix (1757 – 1821) zugeschrieben.

      Jacobi baute für die Gesellschaft „Werner und Co.“ die Hütte „Neu-Essen“ direkt an der Emscher unterhalb der Oberhausener Mühle in der Gemeinde Lippern-Lirich gelegen. Die preußischen Behörden beobachteten das Vorhaben mit Argwohn. Schon im Juli 1790 untersuchte Eversmann im Auftrag des preußischen Bergamts die Essener Pläne.81 Die Konkurrenz einer weiteren Hütte sollte möglichst verhindert, zumindest aber verzögert werden. Eversmann schlug vor: „Es würde demnach sehr erwünscht seyn, ein Mittel ausfindig zu machen diese Anlage zu vereiteln“. Einen möglichen Ansatz hierzu schien die Wasserversorgung der neuen Hütte zu bieten. Zu ihrem Betrieb war ein Damm in der Emscher geplant. Da die Grenze zwischen dem preußischen Herzogtum Kleve und dem Reichsstift Essen mitten durch den Fluss verlief, hätte dieser Damm teilweise auch auf preußischem Territorium errichtet werden müssen. Das Bergamt ließ also den Bau auf preußischem Gebiet in der Hoffnung verbieten, dass die Gesellschafter von Neu-Essen dann aufgeben würden. Die jedoch ließen nun einen Seitenkanal an der Emscher zum Betrieb des Wasserrades graben, so dass der Bau der neuen Hütte sich zwar verzögerte, aber nicht verhindert werden konnte.

      1791 kam die Hütte Neu-Essen unter der Leitung Jacobis in Betrieb. Damit existierten nur wenige Kilometer voneinander entfernt drei Hütten, die sich Erze, Brennstoffe, Arbeiter und Absatzmärkte streitig machten. Bis 1794 erwarb die Fürstäbtissin sämtliche Anteile an Neu-Essen. Direktor blieb Gottlob Jacobi, der die Hütte weiter ausbaute. Eversmann lobte 1804 die Arbeit des „geschickte(n) Hütte-Faktor(s)“ Jacobi auf Neu-Essen. Er habe die ledernen Blasebälge 1797 mit großem Erfolg durch ein hölzernes Zylindergebläse ersetzt, was zu besserem Eisen und zu deutlichen Einsparungen an Kohlen geführt habe. Auch habe er einen Polierhammer für die in großem Umfang produzierte Munition gebaut.82 Aber Eversmann schrieb angesichts der Konkurrenz der drei Hütten in unmittelbarer Nachbarschaft auch:

       Abb. 17: Urkunde der Fürstäbtissin Maria Kunigunde vom 23. Januar 1791, Verleihung des Rechtes zur Suche nach Eisenstein im Hochstift Essen an Werner & Co.

      „Es würde diesen drei beieinander liegenden Hütten sehr zuträglich sein, wenn wenigstens eine von ihnen einginge oder in ein Hammerwerk umgestellt würde; der Vorrat an Holz in dieser Gegend ist nicht zureichend, um einen vorteilhaften Betrieb aller drei Hütten zugleich zu gestatten.“83

      Als Franz Ferdinand von Wenge am 5. September 1788 starb, warf die St. Antony-Hütte mittlerweile Profite ab. Die Enkel seiner Schwester erbten sein Vermögen und planten bald, die Eisenhütte zu verkaufen. So schrieben sie in der „Essendischen Zeitung von Kriegs- und Staats-Sachen“ vom 21. Mai 1790 die Hütte, „bestehend in schmelz und hammer, mit zugehörigen Wohn- und Formhäuser, Kohlschoppen und Garten“, zur Versteigerung aus.84 Nach zwei weiteren Anzeigen am 27. Juni 1790 und am 23. September 1791 folgte ein regelrechter Vertragspoker.85

       Ein betrügerischer Verkauf?

      Im Juli 1790 hatte Bergrat Eversmann dem preußischen Bergamt über den anstehenden Verkauf berichtet.86 Er befürchtete, dass, wenn die Eigentümer der im Aufbau befindlichen Hütte Neu-Essen die St. Antony-Hütte erwerben würden, die Hütte Gute Hoffnung in Sterkrade von allen Holzkohlevorräten abgeschnitten wäre. Da es im Herzogtum Kleve keine ausreichende Menge an Holz gebe, plane Eberhard Pfandhöfer, den Kölner Forst in Erbpacht zu nehmen, um sich ausreichende Vorräte zu sichern. Dann wolle er die St. Antony-Hütte aufkaufen, still legen und durch einen Eisenhammer ersetzen. Zur Finanzierung des Vorhabens benötige Pfandhöfer jedoch eine finanzielle Unterstützung des preußischen Staates. Doch das lehnte das preußische Hüttendepartement in Berlin mit dem Hinweis auf die mangelnde Finanzkraft Pfandhöfers ab. Dennoch versuchte Pfandhöfer, die St. Antony-Hütte zu übernehmen. Im März 1791 begannen Wenges Erben Verkaufsverhandlungen mit Eberhard Pfandhöfer. Dieser hatte gegenüber Eversmann betont, dass der Erwerb von St. Antony für die Hütte Gute Hoffnung lebenswichtig sei. Ein Kauf der Hütte reduziere die Zahl der Konkurrenten und gleichzeitig wäre die Holzkohleversorgung für die Hütte Gute Hoffnung gesichert sowie die Versorgung mit Erzen verbessert. Auch wäre eine Absperrung des Elpenbachs und damit die Unterbrechung der Wasserversorgung durch die St. Antony-Hütte nicht mehr möglich.

      Im Lauf des Jahres 1791 trat als weitere Kaufinteressentin die Essener Fürstäbtissin Maria Kunigunde auf den Plan. Sie war im Gegensatz zu Pfandhöfer kapitalkräftig. Ihr Hüttendirektor Gottlob Jacobi führte die Verhandlungen. Für ihn spielte eine Verbreiterung der Erzbasis der in Bau befindlichen Hütte Neu-Essen die wesentliche Rolle. Auch reizte ihn, dass die St. Antony-Hütte oberhalb der Hütte Gute Hoffnung am gleichen Bachlauf lag. Dies versprach Einfluss auf den Betrieb der Konkurrenz. Was er mit der St. Antony-Hütte vorhatte, blieb zunächst unbekannt. Jacobi gab ein Gebot von 4.500 Reichstalern ab.

      Die Verkaufsverhandlungen zogen sich in die Länge. Als im Juli 1793 als dritter Interessent ein Kaufmann Theodor Schmölder aus Neuenrade – zu dieser Zeit an der Hütte Gute Hoffnung beteiligt – 5.000 Reichstaler für St. Antony bot, beschleunigten sich die Verhandlungen. Am 18. Juli 1793 wurde ein Verkaufsvertrag mit Jacobi aufgesetzt, gleichzeitig aber die Verhandlungen auch mit Pfandhöfer weiter geführt. Am Ende verkauften Wenges Erben die Hütte an zwei Interessenten – und zwar vollständig und nahezu gleichzeitig.

       Abb. 18: Gottlob Julius Jacobi (1770 – 1823), Gemälde eines unbekannten Künstlers

       Abb. 19: Erste Seite des Vertrages zwischen den Erben von der Wenges und Gottlob Jacobi vom 28. Juli 1793 über den Kauf der St. Anthony-Hütte

      Am 26. Juli 1793 schlossen die Erben einen Kaufvertrag über 6.000 Reichstaler mit Eberhard Pfandhöfer ab. Anwesend waren Peter Friedrich Krupp, Sohn von Helene Amalie Krupp, und Theodor Schmölder; beide waren zu diesem Zeitpunkt an der Hütte Gute Hoffnung beteiligt. Bei Anzahlung des Kaufpreises sollten die Kaufverträge ausgetauscht und damit der Kauf endgültig vollzogen werden. Pfandhöfer wollte am nächsten Tag die ihm von Peter Friedrich Krupp vorgestreckte87 Anzahlung übergeben. Doch erklärte der Beauftragte der Erben von Wenges, die Anzahlung käme zu spät und