Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2. Группа авторов

Читать онлайн.
Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683265



Скачать книгу

sich ein Bild vom Stand der Technik machen. Auch führten sie Warentransporte für die Hütte Gute Hoffnung aus.142 Zolleinnehmer Noot, ein Verwandter der Haniels, war durch seine staatlichen Aufgaben und die Kontrollbefugnisse, die ihm gegenüber Pfandhöfer zeitweise oblagen, ebenfalls gut über die Hütte unterrichtet.

      Die Brüder Haniel und Jacobi vereinbarten untereinander einen Kaufpreis von maximal 30.000 Talern.143Erste Verhandlungen zwischen Franz Haniel und Amalie Krupp scheiterten an unterschiedlichen Preisvorstellungen. So vereinbarte Franz Haniel mit seinem Schwager Heinrich Huyssen – Franz und Gerhard Haniel hatten jeweils eine Schwester von Huyssen geheiratet –, dass dieser für die drei Gesellschafter den Kauf erledigen sollte. Heinrich Huyssen stammte aus einer Essener Bürgerfamilie, die Nachbarn und Bekannte der Krupps waren. Als Kaufpreis für die Hütte mit ihren Waren, Vorräten und Gerätschaften handelte Huyssen nun mit der Witwe Krupp eine Summe von 37.800 Reichstalern aus, zahlbar in Raten bis 1818. Den Kaufvertrag setzte am 14. September 1808 ein mit Huyssen befreundeter Notar auf Heinrich Huyssen als Käufer auf. Als Bürgen waren die Brüder Haniel und Jacobi eingesetzt. Doch verkaufte Heinrich Huyssen die Hütte dann nicht – wie eigentlich vereinbart – an die anderen drei Gesellschafter weiter, sondern verlangte, mit diesen gleichberechtigt in eine gemeinsame Gesellschaft für den Betrieb der drei Hütten einzutreten. Dies zog ihm den Zorn Franz Haniels zu, der darüber hinaus noch mit Vorwürfen seiner bisherigen Kompagnons überschüttet wurde.144

      Um einen Familienzwist zu vermeiden, kam es am 20. September 1808 zur Verbindung der vier Kompagnons zum gemeinsamen Betrieb der drei Hütten. Am 5. April 1810 wurde diese Gemeinschaft in einem Vertrag bekräftigt und es entstand die Firma „Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen“ (JHH), an der jeder zu einem Viertel beteiligt war.145 Dieses Unternehmen trug dann auch einen Teil der Zahlungen aus dem Vertrag mit der „Madame Krupp“, die eigentlich Huyssen zu leisten hatte. Die Beträge sollten eigentlich aus einbehaltenen Gewinnen von Huyssen gedeckt werden, doch trugen nach Ansicht von Franz Haniel die anderen Partner zur teilweisen Deckung der Kosten bei.146 Jacobi fungierte als allein verantwortlicher Direktor der drei Hütten. Es war ihm verboten, aus der gemeinsamen Gesellschaft auszuscheiden oder sich heimlich an einem anderen Hüttenwerk zu beteiligen. Er erhielt dafür aus der Hüttenkasse ein jährliches Gehalt von 600 Reichstalern sowie freien Brand, Licht, Wohnung, Arzt- und Apothekenkosten, Briefporto und „hinlänglich“ Land für einen Gemüsegarten. Für die Buchführung stellte das Unternehmen einen „Faktor“ neu ein. Weiter regelte der Vertrag detailliert, wie Entscheidungen zwischen den vier Anteilseignern abzustimmen waren und gewährte ihnen gegenseitig ein Vorkaufsrecht im Falle des Verkaufs von Unternehmensanteilen.

       Abb. 27: Heinrich Huyssen (1779 – 1870), undatiertes Gemälde

      Hüttenmeister, Aufgeber, Schmelzer und Former: Wer arbeitete auf den Hüttenwerken bei Oberhausen?

      Nach dem Zusammenschluss der drei Hütten im Jahr 1810 arbeiteten bei der JHH insgesamt 162 Personen (siehe Tabelle 1).147 Fragt man nach der Herkunft dieser Arbeitskräfte, so ist zwischen qualifizierten und ungelernten Arbeitern zu differenzieren. Facharbeiter wie Hüttenmeister, Sand- und Lehmformer, Köhler sowie weitere Fachkräfte wurden in Gebieten angeworben, in denen das Hüttenwesen bereits verbreitet war. Dies waren das Sauer- und Siegerland, der Raum Bocholt oder Eisen produzierende Gebiete der südlich gelegenen Mittelgebirge. So stammten beispielsweise die Baumeister der St. Antony-Hütte Joan Antony von Graes und Johannes Henricus Westerhoff sowie die späteren Pächter Schwartz und Hundt sowie Döeinck, Diepenbrock und Reigers aus der Nähe von Bocholt, der erste Hüttenmeister Heinrich Lichlen aus Fischbach bei Saarbrücken und sein Nachfolger Johann Assemuth von der Altenbekener Hütte. Johann Eberhard Pfandhöfer, ebenfalls Pächter von St. Antony und Gründer der Hütte Gute Hoffnug, stammte aus Hayn bei Siegen und der Formermeister Caspar Cremer wurde 1809 aus Rheinböllen im Westerwald angeworben.148 Immer wieder wurden auch hoch qualifizierte Leute aus Wallonien vor allem beim Bau der Hochöfen beschäftigt.149 Manchmal warben die Hüttenbesitzer, Pächter oder Faktoren Mitarbeiter gezielt bei anderen Hütten ab. Oft kamen sie im ganzen Team: Der Hüttenmeister brachte Aufgeber und Schmelzer, die Former Knechte, Putzer und Lehmjungen mit.

      Unqualifizierte Arbeiter stammten dagegen aus der näheren Umgebung. Die Tätigkeiten wie Fuhrdienste, Erzschürfen oder andere ungelernte Tätigkeiten boten der ansässigen Bevölkerung einen guten Nebenverdienst. So vermutete Engelbert, dass aus der 1773/​75 gegründeten Pfälzerkolonie Königshardt 1805 sieben Tagelöhner auf der Eisenhütte arbeiteten und ihre Zahl bis 1822 auf 16 Arbeiter anstieg.150 Transportarbeiten führten zumeist die Bauern der Umgebung durch, was während der Saat- und Erntezeiten immer wieder zu größeren Problemen führte, da die Bauern dann ihre Felder nicht verlassen konnten.151

      Kolonisten und andere ortsansässige Arbeiter hatten ihre Kötterstellen und damit ihre Wohnungen in der Nähe. Die Facharbeiter weilten dagegen oft nur während der Hochofenkampagnen, die zumeist nicht länger als 20 bis 30 Wochen dauerten, auf der Hütte. Manchmal wanderten sie auch zwischen verschiedenen Hütten hin und her, um die zu unterschiedlichen Zeiten laufenden Kampagnen auszunutzen. Sie dürften während ihrer Tätigkeit in Oberhausen auf den Hütten selbst gewohnt haben.152 Noch auf einem Plan der St. Antony-Hütte von 1859153 finden sich Hinweise auf Schlafstuben für 14 Mann über der Lehmformerei und für zehn Mann über der Schmiede. Nach und nach wurden die Fachkräfte auch ansässig. Doch auch dies konnte mit Problemen verbunden sein. Als der im Oktober 1810 auf der St. Antony-Hütte beschäftigte Schwefler Johann Schmitz, der ursprünglich aus Altenburg im Herzogtum Nassau stammte, die Osterfelder Witwe Michels (genannt Egelbusch) heiraten und sich mit ihr in deren Kotten niederlassen wollte, benötigte er eine besondere staatliche Genehmigung.154

      Mit der Gründung der JHH waren alle Eisen erzeugenden Anlagen des Ruhrgebiets, die 1810 existierten, in einem Unternehmen vereint. Auf diesem Gebiet erwuchs dem Unternehmen erst Mitte der 1820er Jahre in der Region neue Konkurrenz. Ab 1824 produzierte die Eisenhütte Friedrich Harkort & Comp. auf der Burg Wetter und für 1826 wird eine Stahlfabrik Tacke in Steele erwähnt. 1828 nahm dann die zwei Jahre zuvor gegründete Eisenhütte Westfalia bei Lünen den Hochofenbetrieb auf. Vier Jahre später erhielt auch die Friedrich-Wilhelm Hütte in Mülheim an der Ruhr, die aus einer Eisenschmelze der Brüder Dinnendahl hervorgegangen war, die Konzession zum Betrieb zweier Holzkohlehochöfen, von denen aber nur einer 1841 angeblasen wurde. Gussstahl erzeugten in der Region ab 1812 (versuchsweise) Friedrich Lohmann in Witten und ab 1816 (regelmäßig) Friedrich Krupp in Essen.155 Auch Gottlob Jacobi soll 1809 schon Versuche zur Herstellung von Gussstahl durchgeführt haben.156

       Maschinen nach Dinnendahls Vorbild als Zukunftsmarkt

      Neben der Gesamtleitung der JHH übernahm Gottlob Jacobi auch die technische Betriebsführung der Hütte Gute Hoffnung in Sterkrade. Auf der St. Antony-Hütte und der Hütte Neu-Essen wurden Hütten- bzw. Platzmeister eingestellt.157 1810 standen jeweils ein Hochofen auf St. Antony und auf Gute Hoffnung unter Feuer. Beginn und Ende der Hüttenkampagnen, aber auch Neu- und Umbauten boten den Arbeitern Anlass, mit größeren Mengen Bier und Branntwein zu feiern.158 Verhüttet wurden weiterhin örtliche Erze. In einem Schreiben von 1816 werden sie von der JHH näher beschrieben: Es handele sich um Rasen- oder Heideeisenstein, der drei bis zwölf Zoll unter trockener Heide liege, aber nur drei bis sieben Zoll mächtig sei. Er wäre vor allem an den Stellen zu finden, wo im Winter Wasser stehe. Weiter nutze man Mooreisenstein aus sommertrockenen Mooren, das sechs bis zwölf Zoll mächtig in sechs bis fünfzehn Zoll Tiefe liege, sowie Sumpfeisenstein, das in einer Mächtigkeit von sechs bis zwölf Zoll in zwölf bis vierundzwanzig Zoll Tiefe unter Strauch- und Erlenholz lagere.159

      Die modernere der Hüttenanlagen war zu diesem Zeitpunkt noch die St. Antony-Hütte. Gottlob Jacobi skizzierte den dortigen Hochofen von 1812/​14 in einem Notizbuch. Der Ofen hatte eine Gestellhöhe von 8,70 Meter, die ▶ Gichtöffnung war etwa 80