Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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Jahre später, als der Geldmangel sich überall schmerzhaft bemerkbar machte, würde man sich wehmütig an die fetten Jahre erinnern, in denen ein Großprojekt wie die Stadthalle noch realisiert werden konnte. Kurz nach der Eröffnung am 1. September 1962 wusste der „Generalanzeiger“: „Hätte man sie nicht bereits, man würde heute nicht mehr an ihre Errichtung zu denken wagen – und morgen auch nicht. […] Sie war ein Meilenstein im Aufbau des Oberhausener Kultur- und Gesellschaftslebens, aber gleichzeitig auch ein Schlussstein.“60

       Neue Schulen braucht die Stadt

      Mit dem Plädoyer für den Schulbau rannte der Oppositionsführer bei der Stadtverwaltung natürlich offene Türen ein. Renovierungsarbeiten und Schulneubauten waren seit Jahren in der Planung bzw. Ende der 1950er Jahre im Gang. Im Jahr 1959 wurde an nicht weniger als 14 Schulen gebaut. Die Liste der Bauplätze und der investierten Summen ist so eindrucksvoll, dass man es nicht bei einer pauschalen Zusammenfassung belassen sollte (siehe Tabelle 4 auf der folgenden Seite).

      Die umfangreichen Baumaßnahmen waren für die Presse Anlass für die jubelnde Schlagzeile: „Es wächst in diesem Jahr heran: Ein Wald von Richtbäumen!“62 Rückblickend bewundert – und beneidet! – der Historiker die gewaltigen Investitionen in den Bereich Bildung, gleichzeitig beschleicht ihn jedoch die bange Frage, ob in den vor fünfzig Jahren errichteten Schulgebäuden nicht zuweilen mehr für die Instandhaltung hätte geschehen können. Immerhin sind diesbezüglich seit der Jahrtausendwende kontinuierliche Anstrengungen und der gute Wille der Stadt als Eigentümerin spür- und sichtbar.

Schule Bausumme
Sternhilfsschule im Uhlandpark 1.047.000 DM
Emscherschule 851.000 DM
Concordiaschule 710.000 DM
Peterschule 760.000 DM
Antoniusschule 1.022.000 DM
Naturwissenschaftliches Gymnasium 1.075.000 DM
Herbartschule 1.560.000 DM
Hegelschule 830.000 DM
Melanchtonschule 1.056.000 DM
Realschule Sterkrade 3.240.000 DM
Schule auf dem Freitagsfeld 1.530.000 DM
Zentrale Hilfsschule Osterfeld 1.765.000 DM
Schillerschule 1.924.000 DM

       Tabelle 4: Schulbauprojekte in Oberhausen 1959 61

       Der Bau der Berliner Mauer als historischer Wendepunkt

      Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 schweißte am Anfang des neuen Jahrzehnts alle (West-)Deutschen im Widerstand gegen die Diktatur in Ostdeutschland – die Bezeichnung DDR war damals noch verpönt – zusammen. Die Oberbürgermeisterin Luise Albertz wurde in diesen angespannten Tagen von Willy Brandt persönlich nach Berlin eingeladen: „Komm und sieh es dir an.“ Luise Albertz war vor Ort, als US-Vizepräsident Johnson in Berlin von den Menschenmassen umjubelt wurde. Nach ihrer Rückkehr fand sie im Rat volle Unterstützung bei allen Parteien, als sie für die Aufnahme zusätzlicher Berlinflüchtlinge, weit über das Aufnahmesoll der Stadt hinaus, plädierte. Als besonderes Zeichen der Verbundenheit mit Berlin brachte die CDU-Fraktion den Antrag ein, den Bahnhofsvorplatz „Berliner Platz“ zu taufen.63 In der Ablehnung des kommunistischen Regimes in der DDR gab es also keinen Dissens zwischen SPD, CDU und den anderen Parteien im Rat. Schon zwei Jahre zuvor hatte sich Luise Albertz mehrfach geweigert, eine offizielle ostdeutsche Delegation aus Weißenfels im Rathaus zu empfangen. Gespräche mit Kommunisten kamen für sie nicht in Frage, solange „aufrechte Sozialdemokraten“ in der DDR noch im Gefängnis saßen.64 Diese klare Haltung der Oberbürgermeisterin schien der CSU-Innenminister Höcherl wenige Jahre später vergessen zu haben, als er sich weigerte zum „roten Filmfestival“ nach Oberhausen zu kommen.

       Patt im Rat – die städtischen Finanzen, Teil 2

      Wie in der Abwehrhaltung gegen die Bedrohung aus dem Osten so demonstrierten die Ratsherren und –frauen auch bei der Hundertjahrfeier im Februar 1962 die Einigkeit der Demokraten. Bei den praktischen Problemen der Kommunalpolitik jedoch war Anfang der 1960er Jahre von harmonischem Zusammenwirken nicht mehr viel zu spüren. Die Kommunalwahl vom März 1961 hatte im Rat eine Pattsituation verursacht: Den 24 Stimmen der SPD stand die gleiche Zahl von Oppositionsstimmen der CDU und der FDP gegenüber. Um bei der Oberbürgermeisterwahl einen rechtlich möglichen Losentscheid zu vermeiden, schlossen die Parteien im April 1961 einen „Vertrag“, wonach Luise Albertz nach zwei weiteren Amtsjahren durch den CDU-Bürgermeister Dr. Rohe abgelöst werden würde.65 Diese Vereinbarung kündigte die SPD aber nach der Etatdebatte vom Februar 1963 auf.

       Abb. 7: Neue Hallenbäder – hier der Neubau in Osterfeld von 1971

      Rückblickend aus heutiger Sicht klingen die in der Haushaltsdebatte vorgetragenen kritischen Anmerkungen erstaunlich aktuell. 70 Millionen DM zusätzlicher Darlehen würden den jährlichen Schuldendienst auf 15 Millionen DM hochschrauben. Damit war für die CDU die Grenze der vertretbaren Verschuldung überschritten; sie lehnte den Bau der Sporthalle am Vincenzhaus, der dreieinhalb Millionen DM kosten sollte, ab. Die SPD dagegen wollte die Strategie des Wiederaufbaus noch nicht auslaufen lassen und trat weiter für umfangreiche Bauinvestitionen ein. Zwei Hallenbäder, weitere Schulbauten und ein großzügiger Ausbau der Straßen und des Kanalsystems standen noch auf dem Programm. Nach einem heftigen Schlagabtausch im Ratssaal verursachte die CDU ein lokalpolitisches Erdbeben, indem sie den Etat ablehnte. Sie glaubte damit sicherlich, große Teile der Öffentlichkeit hinter sich zu haben, denn der „Generalanzeiger“ kommentierte unter Hinweis auf die ungünstigen Konjunkturerwartungen: „Dann [beim Ausbleiben einer Konjunkturerholung] werden die Spendierhosen, die jetzt immerhin noch die (Finanz-)Blöße bedecken, wirklich ausgezogen werden müssen – es sei denn, es käme wirklich zu einer Neuverteilung der Steuern zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.“ Dies sei aber eine „Illusion […], die gerade dazu taugt, die roten Zahlen im Etat mit einem Fragezeichen zu schmücken!“66

       Abb. 8: Elly-Heuss-Knapp-Stiftung

      Die SPD reagierte empört, vor allem auch, weil ein zur Sparsamkeit mahnender Brief des Regierungspräsidenten in die Öffentlichkeit lanciert worden war. Auch aus Kreisen der FDP wurden die Vorwürfe des Regierungspräsidenten als „Zerrbild unserer Arbeit“ zurückgewiesen. „Durch solche Einmischung wird die kommunale Selbstverwaltung ausgehöhlt. Wir haben keine Luderwirtschaft getrieben.“67

      Die SPD nahm die Ablehnung des Haushalts und die Indiskretion, die sie auch der CDU zur Last legte, zum Anlass, das Abkommen über die OB-Wahl von 1961 aufzukündigen. Die Delegierten des Unterbezirksparteitags der SPD standen einstimmig hinter dieser Konfliktstrategie. Zusätzlich angeheizt wurde die Stimmung zweifellos durch die „Spiegel-Affäre“ des Winters und durch die von der Adenauer-Regierung vom Zaun gebrochene Diskussion über „Notstandsgesetze“.