Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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Citys von Metropolen mit meist über einer halben Million Einwohnern vermochten ihre Position seitdem Stück für Stück zu verbessern. Unter den verschärften Wettbewerbsverhältnissen der Städtelandschaft Ruhr ging diese Entwicklung zu Lasten der kleineren Großstädte. Oberhausen wurde besonders betroffen, weil seine Raumstruktur in Folge der Städtezusammenlegung von 1929 Alt-Oberhausen zwar eine Zentral-Funktion für die Gesamtstadt zuwies, aber eben doch eine eher schwache Versorgungsfunktion für den Norden der Stadt und kaum Ausstrahlung über die Stadtgrenzen hinaus. Deshalb identifizierten Handel wie Politik in Oberhausen das CentrO als Chance und Herausforderung zugleich. Die Chance bestand in der Aussicht auf die Aufwertung als Einkaufsstadt in der Region, vielleicht gar mit so genannten „Überschwappeffekten“ neuer Kundengruppen in die City. Die Herausforderung indes erkannte man in der Gefahr eines beschleunigten Bedeutungsverlustes der Marktstraße und ihres Umfeldes, dem nur mit erhöhten Anstrengungen zur Attraktivitätssteigerung erfolgreich würde begegnet werden können. Burkhard Drescher, seit 1997 Oberbürgermeister, verband dieses Ziel mit der spektakulären Investitionsplanung in ein zwölf Meter hoch aufgeständertes, transparentes Dach von 475 Meter Länge über den Kernbereich der Marktstraße zwischen Altmarkt und Düppelstraße. Vor der Jahrtausendwende wurde darüber in der Stadt heftig und strittig diskutiert. Bau- und planungsrechtliche ebenso wie politische Bedenken ließen den Rat vom Dach Abstand nehmen. Seine möglichen Wirkungen waren höchst umstritten. Doch es blieb nicht bei einer Planung in Stahl und Glas. 1999 erfolgte die Ausweitung der Aufgaben der schon 1997 zur Tourismusförderung gegründeten TMO um das Stadtteilmarketing. Der zugleich gegründete Verein City O. Management ist seitdem bestrebt, die Interessen der Innenstadt zu bündeln und zu gemeinsamem Handeln zu organisieren. Von neuen Veranstaltungsformaten bis zu Investitionsprogrammen in Fassaden und in öffentliche Plätze reicht das Arbeitsspektrum der City-Verantwortlichen. Vieles wurde veranlasst, der schleichende Bedeutungsverlust des Einzelhandelsstandortes City jedoch nur abgebremst. Zu stark wirken die Strukturveränderungen im Einzelhandel, zu denen seit der Jahrtausendwende verstärkt der Internethandel und die Verlagerung der Publikumsgunst vom Kaufhaus zu den Shopping- wie den Fachmarkt-Zentren zählen. Und auch die übrigen Stadtteilzentren Oberhausens erlebten einen Schub an Aktivitäten sowohl der Stadt als auch der jeweils örtlichen Werbegemeinschaften, wie der STIG in Sterkrade, der Werbegemeinschaft Osterfeld und der IGS in Schmachtendorf. Verkehrsmaßnahmen, die bauliche Aufwertung von Einkaufsstraßen und vor allem die Attraktivitätssteigerung durch Festveranstaltungen bildeten für Kommune wie Öffentlichkeit ein gleichbedeutendes Maßnahmenbündel ergänzend zu den so genannten Strukturwandel-Projekten in der Neuen Mitte.

      Ob es sich bei den Veränderungen der Stadtteilzentren um eine Schattenseite des CentrO handelte oder doch eher um einen unumgänglichen Bestandteil des Strukturwandels in Oberhausen im Zeitalter nach Kohle, Eisen und Stahl – das mag von Befürwortern wie Kritikern des CentrO seit 1992 kontrovers beurteilt werden: Die Schaffung der Neuen Mitte Oberhausen hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das Zentrengefüge der Stadt Oberhausen und verlangte daher nach planerischen Antworten der Kommune. Oberhausens City verfügte im Vergleich zu anderen Großstädten ohnehin traditionell über eine eher schwache Versorgungsfunktion für die Gesamtstadt. Das lag sowohl an der nur mäßigen Kaufkraft der Arbeiterbevölkerung als auch an einem Stadtraum, der nicht um die Innenstadt, sondern um die Werke der Gutehoffnungshütte gewachsen war. Sterkrade als größtes Stadtteilzentrum profitierte zudem über ein halbes Jahrhundert nach 1955 von der so genannten Suburbanisierung, der Ausdehnung von Vororten im Norden mit Wohnvierteln vornehmlich für Mittelschicht-Familien. Während die Einwohnerschaft Alt-Oberhausens von 1963 bis 2010 von rund 128.000 auf 93.000 absank, erhöhte sich Sterkrades Bewohnerschaft von gut 77.000 auf über 85.000 in 2001, betrug aber auch 2010 noch fast 83.000. Dieser Trend minderte die Bedeutung des Stadtteils Alt-Oberhausen und darüber die Chancen der Innenstadt auf Zentralität. Somit verlangten nicht allein die Neue Mitte, sondern auch die Besonderheiten der Oberhausener Raumstrukturen nach einem neuen Zentrenkonzept, einer Neuorientierung auf die Zukunft.

       Abb. 23: Animation für ein Dach auf der Marktstraße

      In den 1990er Jahren jedoch waren die Eindrücke des CentrO offenbar zu frisch, um sich dieser großen Aufgabe mit aller Konsequenz zuzuwenden. Stattdessen erfolgte die Verarbeitung von Erfahrungen der Veränderung im intensiven öffentlichen Diskurs. Die Stadtgesellschaft Oberhausen bewies auch damit ihre Stärke und Lebendigkeit. Nach der Jahrtausendwende aber wurden wichtige Schritte auf dem Weg zu einem neuen Zentrengefüge getan: 2001 mit dem Masterplan für die Neue Mitte Oberhausen von Albert Speer, vor allem aber 2006 mit dem Stadtentwicklungskonzept zum Regionalen Flächennutzungsplan (RFNP). Von nun an wurde der Neuen Mitte ausdrücklich die Funktion des erstrangigen Versorgungsstandortes im Handel zugewiesen, während die City von Alt-Oberhausen der zentrale Ort für öffentliche Dienstleistungen war, jedoch auch die Stadtteilzentren von Sterkrade, Osterfeld und Schmachtendorf eine bedeutende Funktion in ihren jeweiligen Teilräumen bestätigt erhielten.

       Tabelle 7: Bevölkerungsentwicklung Oberhausen gesamt und nach Stadtbezirken 1960 bis 2010

       * Rückschreibung auf Grund der Volkszählung vom 6. Juni 1961

       ** Fortschreibung auf Grund der Volkszählung vom 27. Mai 1970

       Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich 4 - 5 Statistik und Wahlen

      Durch die Veränderungen des Stadtraumes im Zuge des Strukturwandels gerieten auch kleinere Stadtteile verstärkt in das Blickfeld der städtischen Öffentlichkeit. Vorbild für viele andere Stadtviertel im Land Nordrhein-Westfalen, aber auch für Lirich, Tackenberg und die Innenstadt von Alt-Oberhausen wurde das Knappenviertel als Musterbeispiel für einen „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“. Von 1996 bis 2002 nahm das Knappenviertel am gleichnamigen Landesprogramm teil, erhielt über zehn Millionen Euro für rund 200 Einzelprojekte und schuf die Grundlagen für eine lebenswerte Zukunft. Die über 6.000 Bewohner des Stadtteils im Südosten der Neuen Mitte waren vom Sterben der Stahlindustrie besonders hart betroffen. Einkommen sanken, Einzelhandel und Handwerk gerieten in die Krise. Mit dem Stadtteilprojekt gelang dann die aktive Einbindung zahlreicher Bewohner in die Projekte der Wohnumfeldverbesserung, der Aufwertung von Freizeitangeboten und in die Stärkung der lokalen Ökonomie. Die Koordination der Projekte leistete ein Beirat unter dem tatkräftigen Vorsitz des späteren Oberbürgermeisters Klaus Wehling. S. steht die Initiative der Gewerbetreibenden K.In. O e. V. (Knappen-Initiative-Oberhausen) bis heute für gelungene Nachhaltigkeit und bürgerschaftliches Engagement als Ausfluss der Stadtteilarbeit. 2002 erhielt das Knappenviertel den „Preis Soziale Stadt“ des Landes NRW.32

      Mit ihren Auswirkungen auf das innere Gefüge der Stadt Oberhausen stellte die Neue Mitte Oberhausen die lokale Identität vieler Oberhausenerinnen und Oberhausener in Frage. Zu sehr prägte die polyzentrale Struktur mit den drei recht eigenständigen Stadtbezirken das Bewusstsein der Menschen. Das Bedürfnis nach persönlicher Lebensorientierung griffen führende Kommunalpolitiker der 1990er Jahre, wie die Oberbürgermeister van den Mond und Drescher, die Fraktionsvorsitzenden Groschek (SPD) und Eckhold (CDU) mit ihrer Aussage auf, der Strukturwandel müsse und werde die Menschen wirtschaftlich und sozial auffangen, er müsse ihnen zugleich aber auch persönlichen Halt in ihrer Identität, in ihrem Heimatgefühl, in ihrer Lebensplanung geben. Die Oberhausener Bürgerschaft sollte im Strukturwandel „mitgenommen“ werden. Dem entsprachen die kommunalen Zielsetzungen nach einer neuen Identität der Stadt als Tourismus-Hauptstadt des Ruhrgebiets und nach einem Gleichklang städtebaulicher Aktivitäten in den vier Stadträumen Alt-Oberhausen, Sterkrade, Osterfeld und Neue Mitte.