Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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der DDR in die Bundesrepublik nach sich, dass fortan Industriestandorte im Osten mit geringeren Kosten als im Westen zugleich stark verbesserte Zugänge zu nationaler und europäischer Industrie- wie Infrastrukturförderung erhielten. S. war bereits im Jahr der deutschen Einheit 1990 klar: Eine große Industrieansiedlung wurde auf unabsehbare Zeit in Oberhausen vollkommen unwahrscheinlich, da international oder auch nur überregional agierende Mittel- wie Großunternehmen die neuen Bundesländer, Osteuropa oder Ostasien bevorzugen würden.

      Zugleich war nach den großen Auseinandersetzungen um die Schließung der Großbetriebe am Stahlstandort Oberhausen während der 1980er Jahre absehbar, dass die Existenz der letzten verbliebenen Anlagen binnen weniger Jahre ebenfalls gefährdet sein würde, dass die Arbeitslosigkeit selbst nach Überschreiten des Maximums von 17,8 Prozent in 1988 dauerhaft auf einem hohen Niveau von um 14 bis 15 Prozent verbleiben dürfte und dadurch den sozialen Zusammenhalt der Stadtgesellschaft, insbesondere die Zukunftschancen der jungen Generationen tiefgreifend in Frage stellen könnte.

      In die somit verständliche Ratlosigkeit in der Stadt, genährt von der Erfahrung mangelnder politischer Akzeptanz großer Shopping-Center im Land NRW sowie einer vermeintlich abnehmenden Rentabilität von Industrie überhaupt, schlug im März 1992 die Nachricht von einer erneuten Planung für ein großes Einzelhandels- und Dienstleistungsprojekt in der Oberhausener Öffentlichkeit wie eine Sensation ein. In Stadt und Politik vermischten sich Ansätze von Euphorie mit tiefgehender Skepsis, dass es wohl nicht anders kommen werde als 1988 bei „Triple Five“: Das Mittelzentrum Oberhausen würde seitens der Landesplanung keine Großinvestition mit Strahlkraft in das gesamte Ruhrgebiet genehmigt erhalten. Erst wer diese Verfassung der Oberhausener Stadtöffentlichkeit vor Augen hat, kann ermessen, wie sehr die Entwicklung, Durchsetzung und Realisierung des CentrO in nur etwas mehr als vier Jahren bis zur Eröffnung im September 1996 eine Erfolgsgeschichte darstellt, die als solche kollektiv in der Stadt erlebt wurde und Oberhausen seitdem grundlegend verändert hat.

       Abb. 13: Planung für die „Grüne Mitte Oberhausen“, um 1985

       Abb. 14: Wiedereinführung der Straßenbahn, festlich geschmückter Eröffnungszug

      Im November 1991 hatte die britische Investorengruppe für Shopping- und Dienstleistungsimmobilien STADIUM auf ihrer Suche nach einem geeigneten Gelände für eine Shopping-Mall in Mitteleuropa mit rund 200 Einzelbetrieben höchst vertraulich Kontakt zur nordrheinwestfälischen Landesregierung aufgenommen. Die Besichtigung der noch-Industriegelände an der Essener und Osterfelder Straße ließ den Standort auf Rang eins der Standortwünsche von Investor Edwin – kurz Eddie – Healey klettern. Bereits im März 1992 wurde in enger Begleitung durch die Landesregierung ein Kaufvertrag mit der Thyssen Stahl AG und städtischen Beteiligungen als Zwischeneigentümern geschlossen. Am 25. September 1992 begannen die Abbrucharbeiten, der erste Schornstein wurde gesprengt.

      Doch was hier als Neue Mitte Oberhausen errichtet und betrieben werden sollte, bedurfte der Vereinbarkeit mit dem Landesplanungsrecht, der Zustimmung durch die Landesregierung und den Bezirksplanungsrat der Bezirksregierung Düsseldorf, in dem kritische, zuweilen neidische oder doch häufiger ungläubige Nachbarn Sitz und Stimme hatten. Der Bezirksplanungsrat stimmte nach einem engagierten Appell von Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond, Oberhausen Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen, im Oktober 1992 zu. Danach erlangte der Bebauungsplan für das CentrO als wirtschaftliches Kernstück der Neuen Mitte Oberhausen im Oktober 1993 Rechtskraft und 1994 konnte der Grundstein gelegt werden. Im gleichen Jahr begannen Planung, Grunderwerb und Bau der neuen Trasse für den öffentlichen Nahverkehr: Ein Vierteljahrhundert nach der Stilllegung der Straßenbahn kehrte das Verkehrsmittel auf einer 9,4 Kilometer langen Strecke – davon 6,0 Kilometer auf vom Straßensystem unabhängigen ehemaligen Bahntrassen – von der Mülheimer Stadtgrenze im Süden über Hauptbahnhof und Neue Mitte bis zum Sterkrader Bahnhof im Norden nach Oberhausen zurück. Erneut in Rekordzeit, nach nur zweieinhalb Jahren, gelang pünktlich vor der CentrO-Eröffnung mit dem neuen Fahrplan der STOAG im Juni 1996 der zweite Start der Straßenbahn in der Oberhausener Stadtgeschichte. Das alles beruhte auf Entscheidungsprozessen und auf einer Projektentwicklung, die sich gründlich von den Bedingungen des Scheiterns im Jahr 1988 unterschieden. Gut möglich, dass die CentrO-Ansiedlung ohne die schmerzhaften Erfahrungen mit Triple Five niemals hätte gelingen können.

       Abb. 15: Das CentrO als Baustelle, 1995

      Das Projekt CentrO wurde kleiner, stadt- und regionalverträglicher, vor allem aber bunter, vielseitiger und städtebaulich besser in die Stadtlandschaft zwischen dem Alt-Oberhausener Siedlungsraum auf der einen Seite, der Emscher, dem Rhein-Herne-Kanal, Osterfeld und Sterkrade auf der anderen Seite integriert als Triple Five. Sowohl die ökonomische Vernunft einer Diversifizierung der Angebote vom Shopping bis zur Freizeitwirtschaft als auch die regionale Durchsetzbarkeit kennzeichneten die Neuen Mitte Oberhausen. Dadurch wurde sie jenes komplexe Stadtentwicklungsprojekt, das mit folgenden privatwirtschaftlichen Elementen Deutschlands erstes „Urban Entertainment Center“ darstellte:

      ■ das Einkaufszentrum mit 200 Einzelhandelsbetrieben auf 70.000 Quadratmetern Verkaufsfläche,

      ■ die Gastronomie-Promenade mit über 30 Anbietern,

      ■ die Coca-Cola-Oase mit weiteren 25 Gastronomie-Betrieben,

      ■ der CentrO-Freizeitpark mit Kinder- und Familienangeboten,

      ■ die Großveranstaltungshalle König-Pilsener-Arena mit rund 11.500 Plätzen und seit 1997 über 200 Veranstaltungen im Jahr,

      ■ das Multiplex-Kino mit neun Kino-Sälen und rund 2.000 Sitzplätzen,

      ■ ferner ein Hotel, ein Fitness-Center, eine Tennis- und eine Hockey-Anlage.

      Der Anspruch der Neuen Mitte Oberhausen lautete, ein nachhaltiges Stadtentwicklungsprojekt zu bilden, das keineswegs allein den Zielen des privaten Großinvestors entsprach, sondern zugleich den ambitionierten Plänen der Kommune für Oberhausens Zukunft als zentraler Ort der Freizeitwirtschaft und des Tourismus im Ruhrgebiet gerecht werden konnte. Diese Philosophie konsequent umsetzend, besteht die Neue Mitte Oberhausen zusätzlich aus einer Vielzahl öffentlich betriebener oder initiierter Projekte. Diese sind:

      ■ der Gasometer Oberhausen, 1994 vom ehemals größten Gasspeicher Europas zur größten Ausstellungshalle der Welt umgebaut,

      ■ die Ludwig-Galerie Schloss Oberhausen, das renommierte Kunstmuseum, 1995 umgebaut und mit einer attraktiven Kombination aus populären und hochkulturellen Ausstellungen neu ausgerichtet,

      ■ die Sicherung und Attraktivierung des Kaisergartens mit dem einzigen vom Eintritt befreiten größeren Tiergehege im Ruhrgebiet,

      ■ das 1991 gegründete, später als Fraunhofer-Institut anerkannte Institut für Umwelt-, Energie- und Sicherheitstechnik, mith 430 Mitarbeitern im Jahr 2014,

      ■ das Technologie-Zentrum Umweltschutz, 1994 hervorgegangen aus dem um einen Neubau erweiterten vormaligen Casino „Werksgasthaus“ der Gutehoffnungshütte,

      ■ das Museumsdepot des LVR-Industriemuseums im Peter-Behrens-Bau, dem ehemaligen Hauptlagerhaus der GHH an der Essener Straße,

      ■ Radio NRW, der zentrale Programmproduzent für alle Lokalradiosender in NRW, seit 1992 Mieter in der ehemaligen Hauptverwaltung der GHH von 1873,

      ■ Haus Ripshorst im Gehölzgarten Ripshorst, das 1999 als Ökologische Station Ruhr West zum Informationszentrum des RVR und der Naturschutzverbände Nabu und BUND über den Emscher Landschaftspark wird,

      ■ der Yachthafen Marina Oberhausen, eröffnet im Jahr 2000, und

      ■ das Freizeitbad Aquapark der städtischen Beteiligung OGM an der Marina Oberhausen seit 2008.