Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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1983 kaufte die Essener Firma Messer Griesheim, spezialisiert auf technische Gase, ein 30.000 Quadratmeter großes Grundstück. Im Dezember 1984 erfolgte die Grundsteinlegung für die erste Firmenansiedlung mit 150 Mitarbeitern. Die zentrale Lage und die gute Verkehrsanbindung sorgten in den folgenden Jahren für eine zügige Vermarktung der Flächen. Im Jahr 2011 arbeiteten hier wieder rund 2.000 Menschen in rund 80 Betrieben und Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen, von Elektrotechnik über die Werkstatt für Behinderte der Lebenshilfe bis zu einem Feinschmeckerlokal.

      Das ehemalige Schlackenberggelände an der Duisburger Straße, heute der Gewerbepark „Am Kaisergarten“, wurde 1984 ebenfalls von der LEG angekauft. Firmenansiedlungen erfolgten hier allerdings erst Mitte der 1990er Jahre. In fast 50 Betrieben hatten im Jahr 2011 hier über 1.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.

      Auch auf anderen ehemals industriell genutzten Flächen entstanden neue Arbeitsplätze, so beispielsweise auf dem Grundstück der ehemaligen Oberhausener Glasfabrik durch die Ansiedlung des Getränkegroßhandels Ahr mit 160 Mitarbeitern28.

      Um den gleichwohl noch immer vorhandenen hohen Bedarf an Gewerbeflächen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur und damit zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu befriedigen, war die Ausweisung neuer Gewerbegebiete an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet erforderlich. Im Bereich der Feldstraße und der Max-Eyth-Straße in Buschhausen entstanden neue Gewerbegebiete. In einigen Fällen, wie beim Gewerbegebiet Lessingstraße ebenfalls in Buschhausen, war dies heftig umstritten. Erst nach langen Verhandlungen wurde hier ein Kompromiss gefunden zwischen der Ansiedlung von Gewerbebetrieben und der Sicherung von Grünflächen (WAZ, 4. August 1982). Auf dem Gelände der Schächte IV/​V der ehemaligen Zeche Concordia zwischen der Buschhausener Straße und dem Kaisergarten entstand das Gewerbegebiet „Zum Eisenhammer“, das am 12. Juli 1986 von Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond eingeweiht wurde (NRZ, 11. Juli 1986). Zunächst wurden vornehmlich kleinere Unternehmen aus Wohngebieten hierher verlagert, später erfolgte die Ansiedlung auch von Betrieben mit hohem Flächenbedarf, vom Kfz-Handel bis zu den Wirtschaftsbetrieben der Stadt Oberhausen (WBO).

      Weichenstellungen für die Neuausrichtung Oberhausens als Stadt des Handels und der Dienstleistungen

      Am Ende dieses Jahrzehnts bewegten vor allem zwei Themen die Menschen in Oberhausen. Einerseits war dies der geplante aber letztlich nicht realisierte Bau einer Sondermüllverbrennungsanlage und andererseits die Planungen der kanadischen Brüder Ghermezian für die Ansiedlung des „World Tourist Center“ auf der zwischen Essener Straße und Rhein-Herne-Kanal gelegenen ehemaligen Thyssen-Fläche. Der Streit über beide Projekte wurde in der Bürgerschaft, der Politik und in den Medien mit großer Heftigkeit geführt.

      Die erstmals im Sommer 1988 bekannt gewordenen Planungen der kanadischen „Triple Five Corporation Ltd.“ zum Bau einer „Euro-Mall“ in Oberhausen waren gigantisch: Hier sollte das größte Einkaufs- und Vergnügungszentrum der Welt mit mindestens 15.000 Arbeitsplätzen, 800 Läden, vielen weiteren Attraktionen und einem Investitionsvolumen von 2,5 Milliarden Mark entstehen (NRZ, 16. November 1988).

      In den Monaten nach dem Bekanntwerden des Projektes wurde in Oberhausen ebenso wie im Düsseldorfer Landtag und in den Nachbarstädten je nach Interessenlage um Zustimmung oder Ablehnung gerungen. Teilweise mit großer Heftigkeit wie z. B. vom damaligen Duisburger Oberbürgermeister Josef Krings, der in einer Rundfunkdiskussion die Planungen mit den Worten „100 Hektar Unkultur sind eine Horrorvision“ entschieden ablehnte (WAZ, 28. März 1989).

      Der Traum vom „neunten Weltwunder“ in Oberhausen fand dann am 14. Juni 1989 im Düsseldorfer Landtag ein jähes, aber zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr unerwartetes Ende. Zu groß war die Ablehnung in den Nachbarstädten und bei vielen Parlamentariern in Düsseldorf geworden. Die überregionale Aufmerksamkeit, die das Projekt in „Superhausen“ erzeugt hatte, sollte sich schon in wenigen Jahren mit der Neuen Mitte und dem CentrO für die Stadt auszahlen, denn, wie Irmhild Piam am 21.Juni 1989 in der WAZ schrieb: „Aus dem Aschenputtel war plötzlich eine umworbene Diva geworden“.

      Ein wichtiger Baustein für den Strukturwandel in Oberhausen war die Beteiligung an der Internationalen Bauausstellung Emscher Park, die als Zukunftsprogramm des Landes Nordrhein Westfalen von 1986 bis 1996 realisiert wurde. Von zentraler Bedeutung für die wirtschaftliche Weiterentwicklung der Stadt waren und sind die IBA-Projekte: Umbau des ehemaligen Werksgasthauses auf dem Thyssen-Gelände zum heutigen Technologiezentrum Umweltschutz TZU, die Umgestaltung des Hauptbahnhofs, der Erhalt des Gasometers am Rhein-Herne-Kanal sowie der Garten Osterfeld auf dem Gelände der ehemaligen Kokerei, 1999 Schauplatz der Landesgartenschau (OLGA).

      Weniger erfolgreich verliefen dagegen die Bemühungen, Oberhausen als die auch im Ausland bekannte Stadt der „Westdeutschen Kurzfilmtage“ zu einem Medienstandort auszubauen. Nach der erfolgreichen Ansiedlung von „Radio NRW“ im Gebäude der ehemaligen Hauptverwaltung des GHH-Aktienvereins an der Essener Straße weckten die Pläne für ein Medienzentrum in Osterfeld große Hoffnungen. Das von dem Filmregisseur Michael Pfleghar entwickelte Konzept sah auf dem Gelände der stillgelegten Kokerei Osterfeld eine Einrichtung vor, „in der die Möglichkeiten der Computer-Animation, der Laser- und Tricktechniken erschlossen, das hochauflösende Fernsehen (HDTV) in der Praxis erprobt und ferngesteuerte Kameras und Licht-Einheiten eingesetzt werden könnten“ (NRZ, 4. Februar 1989).

      Eine wichtige Funktion in den Planungen von Pfleghar nahm ein eindrucksvolles Bauwerk der Zeche Osterfeld ein: „Die ehemalige Kokskohlen-Vergleichmäßigungsanlage als größte freitragende Halle Europas soll zur Produktionshalle (DOM) mit der stationären HDTV-Technik umgebaut werden“29. Das Medienzentrum wurde zwar gebaut, aber der wirtschaftliche Erfolg sollte sich nicht wie erhofft einstellen.

      In den späten 1980er Jahren beherrschten zwiespältige Gefühle die Menschen in Oberhausen. Man hatte Abschied nehmen müssen von Kohle und Stahl und blickte nun in eine wirtschaftlich ungewisse Zukunft. Die „großen“ Themen standen im Mittelpunkt des Interesses: Der Streit um die Sondermüllverbrennungsanlage, das Projekt des World Tourist Centers (WTC) oder das Medienzentrum Osterfeld. Das WTC war für die einen die große Hoffnung für andere der Alptraum einer neuen amerikanisierten Stadtentwicklung.

      Erst aus heutiger Sicht wird deutlich, welche Bedeutung Maßnahmen in dieser Zeit für den späteren Strukturwandel der Stadt hatten. Um nur einige zu nennen: Sanierung der ehemaligen Zinkfabrik Altenberg zum Zentrum Altenberg mit den Rheinischen Industriemuseum, Umgestaltung des Ebertbades, Neugestaltung der Sterkrader Innenstadt, die Planungen für das heutige „Hirsch-Zentrum“ in Sterkrade oder auch die Disco-Zelte am Stadion Niederrhein bzw. am Werksgasthaus, die Oberhausen weit über die Stadtgrenzen hinaus den Ruf einer „Disco-Metropole“ einbrachten.

      Eine statistisch exakte Darstellung der Beschäftigtenentwicklung bis zum Ende der 1980er Jahre ist leider nicht möglich, da die letzte umfassende Zählung aller Arbeitsstätten und der in ihnen tätigen Personen im Jahr 1987 erfolgte. Der beginnende Wandel in der Struktur der Oberhausener Wirtschaft kann aber durch den Zeitraum bis 1987 gut belegt werden. Von 1979 bis 1987 erlebte die Stadt erneut einen massiven Arbeitsplatzabbau, sowohl in der Produktion (minus 10.750) als auch erstmals im Bereich der Dienstleistungen, bei denen 3.900 Stellen abgebaut wurden. Die Organisationen ohne Erwerbscharakter, Gebietskörperschaften und die Sozialversicherungen steigerten dagegen ihre Beschäftigtenzahl von gut 5.600 (1979) auf über 14.400 (1987) und damit um 8.800 Mitarbeiter. Insgesamt wurden im Zeitraum vom Juni 1979 bis zum Mai 1987 rund 14.650 Arbeitsplätze abgebaut, denen 9.600 neue Stellen gegenüber standen. Die Gesamtbeschäftigtenzahl ging von 85.200 (1979) auf 80.130 (1987) zurück.

      1987 arbeiteten erstmals mehr Menschen in den Arbeitsstätten des tertiären Sektors, also im Handel, in Dienstleistungsbetrieben oder in den Organisationen, als in den Betrieben des primären und sekundären Sektors, zu denen insbesondere der Bergbau, das Verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe zählen. 1979 waren noch 47 Prozent aller Beschäftigten im tertiären Sektor tätig, 1987 waren es mit 57 Prozent bereits mehr als die Hälfte aller in Oberhausen tätigen Personen.30 Der lange Weg zur Stadt des Handels und der Dienstleistungen, der sich in den folgenden Jahrzehnten fortsetzte, hatte unumkehrbar begonnen. Noch ahnten wohl nur wenige, welchen Stellenwert