Название | Buchstäblichkeit und symbolische Deutung |
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Автор произведения | Matthias Luserke-Jaqui |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783772002151 |
In PfeffelsPfeffel, Gottlieb Konrad Gedicht nun wird eine namenlose Nymphe genannt, die Doris einen Besuch abstattet und Cornelias Schmuck zu sehen wünscht. Diese ruft ihre beiden Söhne und erklärt der Nymphe: „Hier, dieses ist mein Staat!“39 An die gleichnamige Vestalin, die 91 n. Chr. lebendig begraben wurde, da man ihr Unzucht vorwarf, dachte Pfeffel nicht, was unter anderem durch den Hinweis auf „die Mutter der erlauchten Gracchen“40 belegt ist. Allerdings wandelt PfeffelPfeffel, Gottlieb Konrad den historischen Gehalt etwas ab, denn bei Valerius MaximusValerius Maximus ist diese Geschichte folgendermaßen überliefert: „Als der Cornelia, der Mutter der Gracchen, eine kampanische Frau, die bei ihr zu Besuch war, ihre Schmuckstücke – die schönsten jener Zeit – zeigte, unterhielt sich Cornelia so lange mit ihr, bis ihre Kinder aus der Schule nach Hause kamen, und sagte: ‚Dies sind meine Schmuckstücke.‘“41
Nach dem Widmungsgedicht An Doris folgt die eigentliche Vorrede des Verfassers, die den Hinweis enthält, wer ein Kinderspiel schreiben wolle, müsse vor allem die kindlichen Akteure und weniger die Zuschauer vor Augen haben, denn „diese will er unter dem Scheine der Ergötzung lehren und bessern: Er muß also aus der Sittlichkeit sein Hauptwerk machen, und die zarten Gemüther mit dem gefährlichen Bilde des ungestraften Lasters verschonen.“42 Goethe wird später in den Xenien gegen die ‚Schriften für Damen und Kinder‘ polemisieren:
„Immer für Weiber und Kinder! Ich dächte man schriebe für Männer,
Und überließe dem Mann Sorge für Frau und für Kind!“43
Bemerkenswert ist sowohl an PfeffelsPfeffel, Gottlieb Konrad und WagnersWagner, Heinrich Leopold Ernsthaftigkeit und der Ablehnung GoethesGoethe, Johann Wolfgang, dass sowohl die patriarchale, lyrische Polemik als auch die aufgeklärteAufklärung KinderliteraturKinderliteratur dieselben systemstabilisierenden Effekte erzielen. Beide DiskursformenDiskurs nostrifizieren die Einschreibung des GeschlechterstereotypsGeschlechterstereotype in das bürgerlichebürgerlich Familienmuster, 1769 ebenso wie 1797, als die gemeinsam mit SchillerSchiller, Friedrich verfassten XenienXenien erstmals erschienen sind.
Die Dramatischen KinderspieleDramatische Kinderspiele wurden in der Deutschen Bibliothek der schönen WissenschaftenDeutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften 1769 besprochen. Der Rezensent liest sie als „einen neuen so vortreflichen Beytrag zur Erziehung“ und stellt sie in eine Reihe mit RousseausRousseau, Jean-Jacques Erziehungsroman Émile oder Über die ErziehungÉmile oder Über die Erziehung (1762), er lobt die „Meisterhand“ des Verfassers und fragt: „Sollte ich mich irren, wenn ich Hrn. Pfeffel muthmaßlich für den Verfasser hielt?“44 Damit war die Zuschreibung des anonymen Textes in der res publica litteraria ein Faktum. Allerdings stellt der Rezensent am Ende die Frage, ob nicht die Darstellung gesellschaftlicher TugendenTugend anstelle von Heldentugenden im Sinne von Beispielreferenzen für Kinder pädagogisch wertvoller seien. Als Medium der Darstellung sollte demzufolge nicht die Textform einer TragödieTragödie, sondern vielmehr das rührende Lustspielrührendes Lustspiel gewählt werden. Zehn Jahre später findet sich nochmals ein Hinweis auf die Verfasserschaft PfeffelsPfeffel, Gottlieb Konrad im Taschenbuch für Schauspieler und SchauspielliebhaberTaschenbuch für Schauspieler und Schauspielliebhaber, wo die Dramatischen KinderspieleDramatische Kinderspiele in seiner Werkübersicht aufgeführt sind.45 Mit WagnersWagner, Heinrich Leopold KinderpastoraleKinderpastorale kann ein Text wiederentdeckt werden, der den Nachweis erbringt, dass auch die vermeintlich kleine Literaturkleine Literatur die großen Themen der Zeit widerspiegelt und nicht zwischen der Zweckbindung als GebrauchslyrikGebrauchslyrik und dem pathetischen Utopieentwurf einer Schäferwelt zerrieben wird.
Plädoyer für eine historisch-kritische Schubart-Ausgabe
Hermann HesseHesse, Hermann schreibt in der Vossischen ZeitungVossische Zeitung vom 5. Januar 1926 über unsere, der Philologen Tätigkeit: „Man kann darüber streiten, ob das Ausgraben und Neuherausgeben alter Dichtungen und die dafür aufgebrachte mühsame Philologenarbeit wirklich etwas Wertvolles, ob es nicht bloß Tuerei und Historikerwahn sei“Heinse, WilhelmSchüddekopf, CarlSchubart, Christian Friedrich Daniel1. Hesse scheint „der Luxus sehr erlaubt, sich einige Philologen zu halten und je und je wieder etwas edleren Lesestoff aus der Vergangenheit zu holen“2. Er erkennt den „Widerspruch“ in der gesellschaftlichen Akzeptanz der Philologenarbeit, aber auch bei sich selbst, „daß ich die jahrzehntelang an einem alten Dichter kratzenden Philologen eigentlich für bedauernswert halte und wenig verehre, mir dagegen das Resultat ihrer Arbeit sehr gern gefallen lasse“.3 Nach so viel mitleidsvoller Schelte kommen wir zu den philologischenPhilologie Kratzgeräuschen. Ich gliedere den Beitrag in zwei Teile: Erstens, die textkritischen Bemerkungen zu SchubartsSchubart, Christian Friedrich Daniel Gedicht Die FürstengruftDie Fürstengruft, die Darstellung der Recensio am Beispiel der ersten Strophe. Und zweitens, Reflexionen über die philologische Denkfigur der Zuschreibung am Beispiel von Schubart und Ludwig Philipp HahnHahn, Ludwig Philipp.
Zunächst zu den textkritischen Bemerkungen zu Schubarts Gedicht Die Fürstengruft und zur Darstellung der Recensio am Beispiel der ersten Strophe. Das Gedicht Die Fürstengruft ist mutmaßlich Ende 1779 entstanden, nachdem der Herzog seine Zusicherung, Schubart werde bald freikommen, nicht eingehalten hatte. „Die Fürstengruft entstand nicht vor, sondern während Schubarts Gefangenschaft, und zwar entweder 1779 oder, was StraußStrauß, David Friedrich wahrscheinlich zu machen gesucht hat, 1780 […]“4. Andreas Streicher, der SchillerSchiller, Friedrich auf seiner Flucht von Stuttgart nach Mannheim am 22. September 1782 begleitet hat, berichtet, Schiller habe nachts zwischen ein und zwei Uhr auf der Poststation in Enzweihingen ein Heft mit ungedruckten Gedichten von Schubart hervorgezogen und daraus vorgelesen:
„Das merkwürdigste darunter war die Fürstengruft, welches Schubart in den ersten Monaten seiner engen Gefangenschaft, mit der Eke einer BeinkleiderSchnalle, in die nassen Wände seines Kerkers eingegraben hatte. […] In manchen dieser Gedichte fanden sich Anspielungen, die nicht schwer zu deuten waren und die keine nahe Befreiung ihres Verfassers erwarten ließen“Streicher, AndreasBeethoven, Ludwig van5.
Dass SchillerSchiller, Friedrich bei Konzeption, Inhalt und Sprache seines eigenen Gedichts Die Gruft der FürstenDie Gruft der Fürsten von Schubarts FürstengruftDie Fürstengruft maßgeblich beeinflusst wurde, und nicht umgekehrt, Schubart von Schiller zu seinem Gedicht angeregt wurde, ist offensichtlich. Schillers eigener Musenalmanach, die Anthologie auf das Jahr 1782Anthologie auf das Jahr 1782, erschien im Februar 1782, die Vorbereitungszeit fiel also in den Herbst/Winter 1781/1782. Und da kannte Schiller bereits Schubarts Fürstengruft aus dem Manuskript, und die ersten beiden Drucke waren bereits erschienen, nämlich 1781 im FrankfurterFrankfurter Musenalmanach und im Leipziger MusenalmanachLeipziger Musenalmanach (s.o.). Hat Schiller Schubarts Text möglicherweise durchgestochen und zum Druck in den Frankfurter Musenalmanach vermittelt? Ohne Schubarts Wissen? Um welche Gedichte von Schubart es sich handelte, die Schiller seinem Reisegefährten auf der Poststation vorlas, ist nicht überliefert – mit Ausnahme der Fürstengruft. Auch lässt sich nicht mehr feststellen, ob diese Gedichte tatsächlich ungedruckt waren. Schiller verlässt Stuttgart am 22. September 1782. Seine eigene Anthologie auf das Jahr 1782 ist da bereits im Druck, der Almanach erscheint im Februar 1782. „Schiller hatte für die dichterischen Talente des Gefangenen, sehr viele Hochachtung. Auch hatte er ihn einigemale auf dem Asperg besucht“6, schreibt Andreas StreicherStreicher, Andreas. Im November 1781 lernt Schiller Schubart persönlich kennen, als er ihn auf dem Hohenasperg besucht.7 Schubarts Sohn LudwigSchubart, Ludwig Albrecht ist jedoch schon seit 1777 Karlsschüler. Bis Ende 1780 war Schiller selbst noch Karlsschüler gewesen. Außerdem trägt Ludwig Schubart auch zu Schillers