Tatort Alpen. Michael Gerwien

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Название Tatort Alpen
Автор произведения Michael Gerwien
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994869



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Birne mit in die Wirtschaft. Er war stolz wie ein Schulbub, er hatte so schnell Anschluss gefunden.

      Nebel zog auf, während er heimging.

      »Die wollen mich auch noch verhören«, erzählte Birne später im Jägerstand Werner. »Jetzt waren die natürlich noch sehr beschäftigt mit Spurensicherung und so weiter. Da konnte ich ihnen nicht so helfen. Aber sie kommen in den nächsten Tagen auf mich zu. Ich habe ihnen auch die Nummer vom Geschäft gegeben, nicht dass du dich dann wunderst, wenn die Polizei mal anruft.«

      »Schon logisch. Hast du etwas mitbekommen, ein Blut gesehen oder so?«

      »Nein, nein, das ist alles in der Wohnung passiert, da lassen die jetzt natürlich keinen mehr reinschauen; ein paar Informationen, die sie dort sammeln, dürfen nicht an die Öffentlichkeit, bevor der Mörder weggesperrt ist. Beim Verhör zum Beispiel verrät der sich, indem er ein Detail abstreitet, das er gar nicht wissen kann.«

      »So?«

      »Freilich.«

      »Hast du die Frau gekannt?«

      »Nur, dass sie einen Enkel hat und Frau Zulauf heißt – hieß natürlich, ich bin noch ganz drin in der Normalität.«

      »Einen Enkel? Hat sie dann ein Geld auch gehabt?«

      »Ein Geld? Das kann natürlich sein. Das würde einiges erklären.«

      »Ich hab es vorhin im Radio gehört und noch gedacht: da schau her, ein Mord. Und das bei uns.«

      »Und ich komm heim und denk nichts Böses, hab ja erst daheim ein Radio und kann erst dann davon erfahren, seh aber zuvor schon die Sonderkommission im Treppenhaus und eine Aufregung, das heißt, Aufregung gab es gar keine, die haben halt ihren Job gemacht, so wie wir unseren, obwohl unserer nicht so blutig ist.«

      »Jeden Tag haben die das auch nicht.«

      »Nein, nein, auf keinen Fall, sonst kannst du dir statistisch ausrechnen, wann mal einer von uns fällig ist.«

      »Das wär ja noch netter.«

      »Ich bin erst drei Tage hier, woher soll ich denn einen Feind haben?« Birne verschluckte sich fast an den letzten Worten seines letzten Satzes, weil er an seinen Chef und dessen letzte Worte am Tag zuvor dachte. Aber: Konnte jemand wegen eines Anzugs morden? Es lag in der Natur des Mörders, und wenn er dazu bestimmt war, einem anderen das Messer reinzujagen, würde er es früher oder später machen, der Anlass könnte plötzlich ein ganz ein nichtiger sein. Und saßen sie nicht gerade hier, waren dabei, einem Tier das Leben rauszuschießen? Waren sie besser? Steckte etwas Dunkles in ihnen? Birne hatte noch nie geschossen, Birne war noch nie dabei gewesen, als geschossen wurde. Aber was würde passieren, wenn der erste Schuss gefallen war?

      »Haben sie Fingerabdrücke genommen?« Werner kam ihm auf einmal wie besessen von dem Fall vor.

      »Sah so aus.« Birne fühlte sich von Ekel übermannt. Er wollte jetzt keine Füchse mehr töten. Er wollte weit weg sein von jedem Töten, das hatte er heute schon gehabt, als er nach Hause gekommen war. Da hatten sie die arme Frau Zulauf in ihrer eigenen Wohnung abgestochen wie eine Sau und in ihrem eigenen Blut gefunden. Birne hatte eine Weile herumstehen müssen, bis er von den Beamten die Wahrheit erfahren hatte. Die hatten ihn zunächst für einen Schaulustigen gehalten und ihn weghaben wollen, dann hatte er ihnen aber verraten, dass er hier wohnte und der Frau geholfen hatte und jetzt auch ihnen zur Verfügung stünde. Sie hatten genickt und ihn immer noch weghaben wollen, allerdings jetzt mit dem Versprechen, auf ihn zurückzugreifen. Er würde noch wichtig sein.

      »Du, jetzt pass auf«, sagte Werner. »Ich zeig dir jetzt was, das ist in Deutschland verboten, das darfst du nicht überall rumerzählen, wo du hinkommst, nicht einmal einer Frau, wenn du mal wieder eine haben solltest.«

      »Ehrensache.«

      Werner öffnete seinen Rucksack schwerfällig und suchte darin herum. Schließlich holte er eine kleine Schachtel he­raus, die ein eigenartiges Rohr enthielt. Das schraubte er ebenfalls umständlich auf seinem Gewehr fest.

      »Weißt du, was das ist?«

      »Keine Ahnung.«

      »Jetzt pass auf.«

      Werner drückte einen Knopf und hielt das Gewehr aus dem Loch hinaus. Die ganze Wiese war in ein giftgrünes Licht getaucht. »Was sagst du jetzt?«

      »Nichts. Was ist das?«

      »Nachtsichtlicht, das ist in Deutschland verboten.«

      »Hilft dir ja auch nichts.«

      »Denkst du, aber für die Tiere – Füchse, Rehe, Hirsche, Wildschweine, Hasen – ist es absolut unsichtbar. Und du schießt die weg. Bamm. – Ich mach es jetzt wieder aus.«

      »Ja.«

      Sie saßen eine Weile im Dunkeln und sagten nichts.

      »Du«, blies Werner zum Aufbruch. »Ein Freund von mir an dem Stammtisch, wo ich dich heute mitnehm, der ist bei der Kripo, der weiß vielleicht mehr, das wird interessant, wenn der keine Sonderschicht schieben muss.«

      Birne fühlte sich zwar als Zeuge erster Hand leicht degradiert, war aber trotzdem froh, nicht mehr ansitzen zu müssen, sondern im Warmen beim Weizen mehr über die Vorkommnisse in seinem Haus zu erfahren.

      Sie standen auf und gingen los, zunächst noch etwas steif vom langen Sitzen.

      Der Korbinian war abends voller, und es wurde mehr geraucht und lauter geredet. Birne musste fest schauen, um alles aufzunehmen, während er Werner folgte, der zielsicher zu einem Tisch im Eck des zweiten Raums ging, wo ein Schild den Stammtisch auswies, an dem bereits drei Kameraden saßen und etwas traurig in ihre Gläser schauten, weil nur einer zum Schafkopfen gefehlt hätte und es noch zu früh am Abend zum Politisieren war. Birne erschrak etwas, als er seinen gestrigen Feind vom Fitnessstudio, den Schnauzbart, erkannte. Er bekam ihn als Bruno, den Mann von der Polizei, vorgestellt. Die anderen beiden waren Hans und Erwin, beide ein bisschen jünger als Birne, beide sagten nicht viel, der eine, Erwin, erwies sich als Norddeutscher. Mehr gab es über die beiden nicht zu sagen. Vielleicht hätten sie Karten gespielt, wenn sie jetzt nicht zu fünft gewesen wären. Sie hatten nicht von dem Mord gesprochen, sie hatten vielleicht auch nichts davon gehört, und Bruno, der Kriminaler, hatte allein auch nichts davon gesagt. Oder sie waren schon durch mit den Fakten. Werner fing an, bevor sie richtig saßen.

      »Du sag mal, da hört man ja nette Sachen von euch.«

      »Ja, ja.« Bruno sah aus, als wollte er ganze Romane loswerden, tat aber so, als sei nichts Besonderes passiert. Arschloch, dachte Birne.

      Hans hob einen riesigen Kopf und sagte unter einem braunen Schnurrbart, für den er noch nicht alt genug war: »Was war denn los?«

      Werner: »Hast du es nicht gehört? Im Radio?«

      »Nein.«

      »Mord.«

      »Nein.«

      »Doch.«

      »Wer nachher?«

      »Eine alte Frau in dem Haus, wo mein Kollege wohnt. Jetzt, Bruno, erzähl halt endlich was, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.«

      »Sie wohnen da? In dem Haus?« Bruno siezte Birne.

      »Ja. Brauchen Sie Information? Ich kenne die Tote ziemlich.«

      »Du darfst ruhig Bruno zu mir sagen.« Bruno streckte Birne sein Weizenglas entgegen zum Anstoßen, aber Birne hatte noch nicht bestellt, er sagte: »Bruno.«

      Bruno sagte: »Ihr werdet verstehen, dass ich euch nicht viel sagen kann, auch wenn ihr meine Freunde seid. Das sind heikle Ermittlungen, eine unbedachte Äußerung und alles ist dahin, und wir müssen wieder bei null anfangen. Nur so viel: Wir stehen kurz vor dem Durchbruch. Ich denke, schon nächste Woche könnte es sein, dass wir unser Protokoll schließen und der Staatsanwalt seine Arbeit aufnimmt.«

      »Dann habt ihr schon eine Spur?« Werner war aufgeregt, auch Birne rutschte auf seinem