Seewölfe Paket 28. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 28
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954399963



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Erwachen begriff er überhaupt nicht. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren und wußte auch nicht, wo er sich befand.

      Er wähnte sich auf einem hohen Berg, von dem ihn jemand unsanft hinabstieß, aber immer bevor sein Körper in die Tiefe aufschlug, wurde sein Fall jäh gebremst und ging in ein langes Schweben über. Wie ein Vogel, der sich von der Bergspitze ins Tal gleiten läßt.

      Kehliges Lachen glaubte er einmal in seiner unmittelbaren Nähe zu hören. Ein paar geflüsterte Worte fielen. Danach versank er übergangslos in einem tiefen Wasser, das ihm machtvoll ins Gesicht schlug.

      Lange Zeit konnte er sich diesen eigenartigen Zustand nicht erklären. Er hatte so etwas auch noch nie erlebt.

      Das Auf und Ab blieb, ebenso der große und dumpfe Gong, dessen hallender Schlag an seine Ohren drang. Kaum war er verhallt, da erklang er wieder. Ein merkwürdiger Ton war das.

      Da war auch etwas Licht, wie er feststellen konnte. Das Licht wurde nur alle Augenblicke dunkel, als würde es von einem riesigen Schwamm aufgesogen.

      Dann brannte es schmerzhaft auf seiner Wange, und als er mühsam die Augen öffnete, kehrte er mit einem Schlag in die Wirklichkeit zurück und wußte sofort, was passiert war – bis zu jener Stelle, wo ihn die rote Explosion verschlungen hatte.

      Er sah sich um. Vor Entsetzen schloß er sofort wieder die Augen, denn er sah direkt in die Fratze des Scheitans, der ihn höhnisch angrinste und ihm einen Backenstreich gab.

      Die Stimmen um ihn herum wurden lauter. Dazwischen erklang rohes und bösartiges Gelächter.

      „Mach die Augen auf, du Bastard!“ brüllte der Scheitan mit donnernder Stimme.

      Ahmed riß die Augen weit auf, um weiteren schmerzhaften Backenstreichen zu entgehen. Er wollte etwas sagen, brachte aber vor Aufregung und Schreck vorerst keinen Ton heraus.

      Dafür starrte er in dämonische Fratzen. Manche blickten ihn aus zusammengekniffenen Augen gleichgültig an, andere grinsten hinterhältig, und ein paar weitere Kerle musterten ihn wie einen giftigen Fisch, den sie am liebsten wieder ins Meer zurückwerfen würden.

      Das waren Totengräber in wilder verwegener und verdreckter Kleidung, Buschräuber, Schnapphähne und Blutsäufer übelster Sorte, zwischen die er geraten war.

      Piraten waren es, wie sie die Küstengebiete um Abu Dhabi heimsuchten, Kerle, die Beute rissen wie Ali Ben Chufru und noch einige mehr, die sich auch nicht scheuten, arme Fischer auszuplündern.

      Und diese Halunken hatten ihn offenbar aufgefischt und bereiteten sich jetzt einen Spaß daraus, ihn ins Leben zurückzuholen.

      Ahmed blickte aus den Augenwinkeln scheu nach links. Dort stand ein bärtiges Ungeheuer mit finsteren Augen und drohenden Blicken. Der Kerl lehnte am Schanzkleid und schaute herüber. Ahmed sah, wie sein Körper immer auf und ab ging, wie er sich hob und senkte, wenn die Wellen das Schiff bewegten. Er sah nur diesen gewaltigen, tonnenförmigen Leib. Die Beine vermochte er nicht zu sehen.

      „Na, bist du endlich wieder bei dir?“ fragte ein unrasierter Kerl mit einem hämischen Grinsen. „Beinahe hätten dich die Haie gefressen, aber du warst ihnen wohl noch zu klein und zu mager.“

      Die anderen lachten roh und betrachteten ihn weiter. Nur der Kerl mit dem tonnenförmigen Brustkasten und dem dicken Bauch lachte nicht.

      „Schmeißt den Wurm wieder über Bord“, sagte er grollend. „Möchte wissen, warum ihr den überhaupt aufgefischt habt. Was sollen wir mit Kindern an Bord, he?“

      Die anderen schienen auch nicht so recht zu wissen, was sie mit Kindern an Bord sollten und sahen sich verunsichert an.

      „Ach was“, sagte einer, „jetzt haben wir ihn schon mal. Der Kapitän wird ihn sicher behalten wollen.“ Er packte Ahmed am Ohrläppchen und zog kräftig. Der Junge fuhr in die Höhe, als hätte ihn ein Skorpion gestochen.

      „Du hast uns dein lausiges Leben zu verdanken, also benimm dich anständig und sei unterwürfig, sonst fliegst du wieder zurück über Bord und kannst dich mit den Fischen unterhalten. Wie heißt du überhaupt?“

      „Ich heiße Ahmed.“

      „Und wie bist du da ins Wasser gelangt?“

      Ahmed entschloß sich, die Wahrheit zu sagen. Wenn ihn die Kerle beim Lügen erwischten, dann brachten sie ihn vielleicht um.

      „Ich war zum Fischen draußen, und da gerieten wir in einen Sturm. Ich fiel über Bord, und dann weiß ich nichts mehr.“

      Der Tonnenmann lachte verächtlich. Er sah so aus, als wollte er den Jungen gleich persönlich über Bord werfen. Ahmed sah, daß er zwei große Pistolen im Hosenbund trug.

      „Wo bin ich hier?“ fragte Ahmed zaghaft. Dann entsann er sich gerade noch rechtzeitig, daß sie Unterwürfigkeit von ihm verlangten, und er bedankte sich überschwenglich bei seinen Rettern.

      „Du bist bei …“

      Der Kerl in der geflickten Kleidung wollte weitersprechen, doch von achtern erklang eine barsche und laute Stimme.

      „Was ist das für ein Krach da vorn, verdammt noch mal?“

      Die Kerle flitzten nur so zur Seite, als die Stimme erklang.

      Ahmed sträubten sich die Nackenhaare, als er den Mann sah. Gleichzeitig überlief ihn eine Gänsehaut, und er spürte, wie es in allen seinen Gliedern zu kribbeln begann.

      Der Mann, der sich da aus einem Schott zwängte, war kein anderer als Ali Ben Chufru, der Küstenpirat vom Stamme der Beni Yas, der Mörder, der so feige und hinterhältig seinen Vater umgebracht hatte.

      Ahmed zitterte jetzt am ganzen Körper. Er hatte sich immer geschworen, diesen Mann eines Tages zu töten, um seinen Vater zu rächen. In allen Einzelheiten hatte er sich das ausgemalt.

      Jetzt aber war alles ganz anders und sah auch ganz anders aus. Ahmed wurde das fürchterliche Gefühl nicht los, daß man diesen Halunken gar nicht umbringen konnte. Der würde sogar mit einem Messer zwischen den Rippen noch verächtlich lachen, und selbst die Kugel aus einer Pistole würde ihm nichts anhaben. Und er hatte weder ein Messer noch eine Pistole. Sein Tauchermesser zum Lösen der Muscheln hatte er im Wasser irgendwo verloren.

      „Wir haben einen Wassermann gefangen“, sagte einer lachend und deutete auf Ahmed, dessen Gesicht völlig blutleer war.

      „Bringt ihn zu mir!“ befahl Ali Ben Chufru herrisch.

      Zwei Kerle schnappten Ahmed bei den Achseln und schleiften ihn mehr, als daß sie ihn schoben, nach achtern, wo Ali breitbeinig auf den Planken stand. Der Pirat musterte ihn verächtlich von oben bis unten. Aber als er den Blick abwenden wollte, ruckte er mit dem Kopf herum, runzelte die Stirn und sah Ahmed genauer an.

      „Habe ich dich nicht schon einmal gesehen, Bürschlein?“ fragte er.

      Ahmed schüttelte angstvoll den Kopf.

      „Nein, Sidi, ich glaube nicht. Ich habe dich jedenfalls noch nie gesehen, Herr.“

      „Irgendwo habe ich dich kleinen Bastard schon mal gesehen“, sagte Ali. Dann lachte er roh. „Ist ja auch egal. Es interessiert mich einen Dreck, wo du her bist. Wer von euch Halunken hat den Bengel aus dem Wasser gefischt?“

      „Das war ich, Sidi“, sagte einer, der einen Schritt vortrat.

      Ali packte den Kerl mit spitzen Fingern an seinem Bart, zwirbelte ihn ein bißchen, bis dem Kerl das Wasser in die Augen stieg, und schlug ihm dann die Faust hart an den Schädel.

      Der Kerl raste zurück, als hätte ihn eine besonders harte Bö getroffen, knallte mit dem Kreuz an den Mast und fiel auf die Planken.

      „Ohne meine Erlaubnis wird niemand aufgefischt“, sagte Ali. „Hast du das verstanden, du Sohn einer räudigen Hündin?“

      „Du warst aber nicht an Deck, Sidi, und es ging alles sehr schnell“, jammerte der Kerl.

      „Ich bin immer an Deck“, sagte