Homilien über den ersten und zweiten Thessalonicher-Brief. Johannes Chrysostomos

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Название Homilien über den ersten und zweiten Thessalonicher-Brief
Автор произведения Johannes Chrysostomos
Жанр Документальная литература
Серия Die Schriften der Kirchenväter
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783849660192



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keinerlei eitle Ruhmredigkeit vorhanden ist? „Sondern Gott,“ fährt er weiter, „der unsere Herzen prüfet.“

      „Nichts thun wir,“ sagt der Apostel, „um den Menschen zu gefallen. Wem sollten wir denn auch zu gefallen suchen?“ Nachdem er von den Verkündern des Evangeliums gesagt, daß sie nicht den Menschen zu gefallen suchen und nicht menschliche Ehre und Anerkennung erstreben, fährt der Apostel fort:

      „Sondern wie wir von Gott bewahrt erfunden worden, daß er uns das Evangelium anvertraut hat.“ Das will heißen: „Nimmer hätte mich Gott auserwählt, hätte er mich nicht losgeschält erfunden von allem Zeitlichen. Wie er mich nun erprobt hat, so bleibe ich auch.“

      „Wir sind bewährt erfunden worden von Gott,“ d. h. er hat mich geprüft und mir das Evangelium anvertraut. Wie ich nun Gott bewahrt erschien, so bleibe ich auch. Beweis dieser Bewährung ist eben der Umstand, daß mir das Evangelium anvertraut ward. Hätte Gott in mir etwas Schlechtes entdeckt, so wäre ich eben nicht als bewährt erfunden worden, so hätte mich Gott nicht erprobt. — (Dieser Ausdruck „erprobt“ oder was Dasselbe bedeutet: „er hat uns bewährt erfunden und uns das Evangelium anvertraut“ heißt hier nicht soviel als „geprüft“ . Wir Menschen müssen erst lange prüfen, bei Gott ist das ganz anders.) Darob reden wir also, wie es Denen zukommt, welche Gott geprüft und für würdig erachtet hat, des Apostelamtes zu walten.

      „So reden wir nicht, um den Menschen zu gefallen,“ d. h. nicht euretwegen thun wir Dieß alles.

      Der Apostel hat eben den Gläubigen zu Thessalonich großes Lob gespendet. Damit er nun nicht in den Verdacht der Schmeichelei gerathe, fährt er fort:

       4.

      

      5. Denn niemals sind wir mit Schmeichelworten umgegangen, wie ihr wisset, noch mit gewinnsüchtigen Absichten. Gott ist Zeuge! 6. Wir suchten keine Ehre bei den Menschen, weder bei euch, noch bei andern.

      7. Wir hätten als Apostel Christi euch zur Last fallen dürfen. Denn niemals sind wir mit Schmeichelworten umgegangen.“ Damit will der Apostel sagen: Nie waren meine Worte darauf gerichtet, eure Gunst zu erwerben. So machen es Jene, die betrügen wollen, die auf Geld oder Herrschaft ausgehen. Niemand kann behaupten, daß ich euch schmeichelte, der Herrschaft wegen; Niemand kann sagen, ich sei des Geldes wegen zu euch gekommen.

      In Bezug auf den ersten Punkt nun, der äußerlich zu erkennen war, die Schmeichelei nämlich, ruft er die Gläubigen selbst zu Zeugen auf mit den Worten: „Ihr wisset es selbst, ob ich geschmeichelt habe.“ In Bezug auf den andern Punkt, der nicht äußerlich zu erkennen ist, die gewinnsüchtige Absicht nämlich, ruft der Apostel Gott selbst zum Zeugen an.

      „Wir suchten keine Ehre bei den Menschen, weder bei euch, noch bei andern. Wir hätten als Apostel Christi euch zur Last fallen dürfen.“ Damit will der Apostel sagen: Wir haben keine Ehrenbezeigungen gesucht, wir sind nicht mit prunkendem Gefolge aufgetreten, und wenn wir es gethan hätten, so hätten wir damit nichts Ungeeignetes gethan. Denn wenn Abgesandten irdischer Könige äußere Ehrenbezeigungen erwiesen werden , um wie viel mehr hätte ich Anspruch darauf!

      Beachtet wohl, daß der Apostel nicht sagt, er sei geringschätzig behandelt worden oder er habe keine ehrenvolle Aufnahme gefunden, — denn damit hätte er ihnen einen Vorwurf gemacht — nein, er sagt nur: „Wir haben solche Ehrenbezeigungen nicht gesucht.“ Nachdem ich nun eigentlich berechtigt gewesen wäre, Ehrenbezeigungen zu verlangen, und sogar die Würde meiner Sendung solche erheischt hätte, ich aber trotzdem keine suchte, kann mir dann Ehrgeiz und Ruhmsucht vorgeworfen werden? Und wenn ich sogar solche gesucht hätte, könnte man mir dennoch keinen Vorwurf daraus machen. Denn es wäre nicht mehr als billig, daß den Abgesandten Gottes an die Menschen, die gleichsam als Gesandte des Himmels erscheinen, große Ehren zu Theil werden. Allein ich thue von all Diesem Nichts, um den Gegnern den Mund zu stopfen.

      Man kann auch nicht sagen, daß ich es bloß bei euch so mache, denn im Briefe an die Korinthier heißt es: „Ihr lasset es euch ja gefallen, wenn man euch knechtet, wenn man euch aufzehrt, wenn man euch das Eure nimmt, wenn man sich erhebt, wenn man euch ins Angesicht schlagt.“40 Und ein anderes Mal: „Sein persönliches Auftreten ist schüchtern und sein Vortrag erbärmlich.“41 Und wieder: „Verzeihet mir dieses Unrecht!“42 An diesen Stellen zeigt der Apostel, daß er gar demüthig sei, weil er so Vieles erduldete, hier aber spricht er auch vom Gelde, indem er sagt: „Wir hätten euch als Apostel Christi zur Last fallen dürfen.“ Aber wir haben uns schonend unter euch benommen. Gleichwie eine Säugende ihre Kinder pflegt,

       5.

      

      8. so sehnsüchtig hingen wir an euch und waren freudig bereit, euch nicht nur das Evangelium Gottes, sondern selbst unser Leben hinzugeben, weil ihr uns überaus lieb geworden seid. „Wir haben uns schonend unter euch benommen.“ Das will sagen: In unserem Benehmen lag nichts Beschwerliches, nichts Aufdringliches, nichts Lästiges, nichts Anmassendes. „Unter euch“ d. h. wie einer von euch, nicht wie einer, der einen höheren Rang einnimmt. „Wie eine Mutter ihrer Kinder pflegt.“ Fürwahr, so muß ein Lehrer gesinnt sein. Schmeichelt etwa die Mutter dem Säugling, auf daß sie von ihm geehrt werde? Verlangt sie Geld von dem Kinde? Wird sie ihm überlästig und beschwerlich? Müssen die Lehrer nicht noch liebreicher sein als die Mütter? — Hier gibt der Apostel seine mütterliche Liebe zu ihnen kund. „So sehnsüchtig hingen wir an euch.“ Damit will er sagen: So sehr lieben wir euch, so sehr hängen wir an euch, daß wir nicht nur Nichts von euch nahmen, sondern daß wir uns auch nicht geweigert hatten, unser Leben für euch hinzugeben. Sage nur, sind das Eingebungen bloß menschlichen Sinnes! Wer wäre so thöricht, Solches zu behaupten!

       Wir waren freudig bereit, euch nicht nur das Evangelium Gottes, sondern selbst unser Leben hinzugeben.

      Sonach ist das letztere etwas Größeres als das erstere. „Aber,“ wendet man vielleicht ein, „was nützt denn Das? Das Evangelium bringt doch Nutzen!“ Ganz richtig. Allein die Hingabe des Lebens ist doch etwas Größeres hinsichtlich des Opfers, das gebracht werden muß. Denn das Evangelium predigen und das Leben hingeben, diese beiden Dinge stehen einander nicht gleich. Das erstere nämlich hat größeren Werth , das letztere Erfordert ein größeres Opfer . Wir wollten, sagt der Apostel, wenn es sein sollte, sogar das Leben für euch hinopfern. Weil er sie nun vielfach gelobt hat und noch lobt, darum sagt er ausdrücklich: „Dieß thun wir aber nicht aus Gewinnsucht oder Ehrgeiz oder aus Schmeichelei.“

      Der Apostel mußte den Gläubigen zu Thessalonich, weil sie so viele Kämpfe bestanden, außerordentliches Lob spenden, um ihren Muth anzufeuern. Dieses große Lob konnte aber den Verdacht der Schmeichelei erwecken. Um diesen zu beseitigen, spricht er von den Gefahren. Damit es aber wieder nicht scheine, als rede er von Gefahren, um auf seine Mühen hinzuweisen und auf seine Ansprüche auf Ehrenbezeigungen, so fügt er, nachdem er von den Gefahren gesprochen, hinzu: „Weil ihr uns überaus lieb geworden seid,“ d. h. darum hätten wir gerne unser Leben für euch hingegeben, weil unser Herz an das eure gekettet ist. Das Evangelium verkünde ich euch auf Geheiß Gottes, mein Leben aber würde ich für euch, wenn es sein sollte, hinopfern aus Liebe.

      Ja, die Liebe des wahren Freundes muß so beschaffen sein, daß er sogar das Leben hinzuopfern sich nicht weigert, wenn dieß von ihm gefordert wird! Doch, was sag’ ich, wenn es gefordert würde! Er muß darnach selbst als nach einer Gunst eifrig streben. Es gibt nichts Beglückenderes als eine solche Liebe. Denn da kann Nichts vorkommen, was Betrübniß verursachte. Ein wahrhaft treuer Freund ist die Würze des Lebens, ist eine mächtige Schutzwehr. Was vollbringt nicht ein ächter Freund! Welches Glück bereitet er! Welchen Gewinn, welchen Vortheil verschafft er! Nenne mir tausend Schätze, keiner kann einem ächten Freunde an Werth gleichkommen.

      Reden wir zuerst von dem Glücke der Freundschaft . Beim Anblick des Freundes wallt das Herz des einen frohlockend auf,