Homilien über den ersten und zweiten Thessalonicher-Brief. Johannes Chrysostomos

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Название Homilien über den ersten und zweiten Thessalonicher-Brief
Автор произведения Johannes Chrysostomos
Жанр Документальная литература
Серия Die Schriften der Kirchenväter
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783849660192



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zu euch gesendet.

       3. Daß er euch stärke und ermuntere in eurem Glauben, damit Niemand unter den jetzigen Bedrängnissen in Verwirrung gerathe.

      Was will der Apostel mit diesen Worten sagen? Die Verfolgungen der Meister müssen nothwendig die Jünger in Bestürzung versetzen; damals aber waren über ihn viele Drangsale hereingebrochen, was er selbst mit den Worten ausspricht: „Satan hat mich gehindert.“ Diese Worte spricht er zu ihrem Troste und er wollte damit sagen: Zu wiederholten Malen wollte ich zu euch kommen, habe es aber nicht vermocht. Große Bedrängnisse haben mich gehindert. Das mußte sie nothwendig in Verwirrung bringen. Denn die Jünger werden nicht so fast durch ihre Drangsale außer Fassung gebracht, als durch die Bedrängnisse, welche ihren Meistern widerfahren, gleichwie einen Soldaten nicht so fast die Gefahr, in welcher er schwebt, in Schrecken setzt, als vielmehr die Verwundung des Feldherrn.

      „Daß er euch stärke,“ fährt der Apostel weiter. Er hatte also den Timotheus abgesandt, auf daß er die Gläubigen stärke, nicht also, als ob ihrem Glauben Etwas fehle, nicht als ob sie der Belehrung bedürften. „Und daß er euch ermuntere in eurem Glauben, damit Niemand unter den jetzigen Bedrängnissen in Verwirrung gerathe.“ 4. Denn ihr selbst wisset, daß dieses unsere Bestimmung ist; denn als wir bei euch waren, haben wir euch vorausgesagt, daß Trübsale über uns kommen würden, wie es auch eingetroffen ist, und ihr wisset.

      Lasset euch also nicht in Verwirrung bringen, will der Apostel sagen. Es ist mir ja nichts Befremdendes, nichts Unerwartetes widerfahren. Dieser Hinweis war geeignet, ihren Muth wieder aufzurichten. Darum hat auch Christus Ähnliches zu seinen Jüngern gesprochen. Höret seine Worte: „Nun habe ich es euch vorausgesagt, bevor es geschieht, damit ihr glaubet, wenn es geschieht.“53

      In der That, es liegt ein großer Trost für die Jünger darin, wenn sie aus dem Munde der Meister hören, was da für Dinge kommen sollen. Es ist hier ähnlich, wie bei einem Kranken. Wenn ihm der Arzt vorhersagt, diese oder jene Erscheinung werde eintreten, so versetzt ihn der wirkliche Eintritt solcher Erscheinungen nicht in Aufregung. Treten aber unerwartete Erscheinungen auf, welche den Arzt selbst in Verlegenheit setzen, und vor welchen die Arzneikunst rathlos dasteht, dann wird der Kranke allerdings traurig und bestürzt werden. Dieß alles hat der hl. Paulus vorausgewußt und er hat auch vorausgesagt, daß Drangsale kommen würden, „wie es auch eingetroffen ist, und ihr wisset.“ Der Apostel sagt nicht bloß hievon , daß es eingetroffen ist, sondern er sagt, daß noch vieles Andere eingetroffen sei, das er ebenfalls vorausgesagt habe.

      „Denn das ist unsere Bestimmung.“ Darum dürfen wir uns nicht nur durch das Geschehene nicht in Verwirrung und Bestürzung versetzen lassen, sondern auch nicht durch das Zukünftige, wenn uns etwas Derartiges begegnen sollte; „denn das ist unsere Bestimmung.“

       8.

      IV. Wer Ohren hat, zu hören, der höre! Das ist unsere Bestimmung, das ist die Bestimmung der Christen. Von allen Gläubigen sagt der Apostel: „Denn das ist unsere Bestimmung.“ Und uns befremdet das so sehr wie wenn wir zur Muße und Behaglichkeit geschaffen wären. Aber warum soll uns Dieß befremden, da noch keine Bedrängniß über uns kam, wir auch keine andere Verfolgung als eine bloß menschliche erduldeten? Da ist es wohl am Platze, auch euch zuzurufen: „Noch habt ihr im Kampfe gegen die Sünde nicht bis aufs Blut widerstanden.“54 Oder vielmehr passender: „Noch habt ihr nicht einmal Opfer gebracht an Geld und Gut.“

      Die eben angegebenen Worte mochten mit Fug und Recht Solchen entgegengehalten werden, die Hab und Gut um Christi willen verloren hatten. Denen gegenüber aber, die noch all das Ihrige besaßen, diesen gegenüber war wohl die Frage am Platze: „Wem von euch hat mau denn um Christi willen das Seinige genommen? Wer hat Mißhandlung und Verfolgung erlitten, außer vielleicht einigen Schmähungen? Worin liegt dein Ruhm, weßhalb deine ruhmredigen Worte? Christus hat soviel für uns gelitten, da wir seine Feinde waren; was haben wir auszuweisen, das wir für ihn gelitten hätten? Was wir vielleicht für ihn gelitten haben, ist Nichts, der Wohlthaten aber, so wir von ihm empfangen, sind unzählige. Was also wird uns frohe Zuversicht einflößen an jenem Tage (des Gerichtes)? Ihr wisset es: Wenn der Krieger den Körper voll Wunden und Narben aufzuweisen hat, dann mag er ehrenvoll bestehen vor seinem Könige. Hat er aber keinerlei hervorragende Thaten vollbracht, dann muß er sich’s gefallen lassen, unter den Letzten zu stehen, auch wenn er keine schlimme That vollbracht.

      „Allein jetzt,“ entgegnest du vielleicht, „ist keine Kriegszeit.“ Wenn sie aber wäre, wer (von euch) hätte gestritten, wer hätte sich in den Kampf gestürzt, wer hätte die feindlichen Schlachtreihen bedroht? Vielleicht Keiner. Denn wenn ich sehen muß, daß du nicht einmal bereit bist, um Christi willen Geld und Gut hinzugeben, wie soll ich glauben, daß du in Noth und Tod für ihn gehen willst? Sag an, erträgst du mit Geduld die Schmähungen deiner Feinde und segnest du sie? Nein, das thust du nicht, in diesem Stücke gehorchst du nicht dem Willen Gottes. Sage mir, in einem Punkte, der keine sonderliche Beschwerde verursacht, da lässest du es an dir fehlen, willst aber große Leiden und Qualen auf dich nehmen? Wißt ihr nicht, daß man sich während des Friedens auf den Krieg vorbereiten muß? Sehet, die Kriegsleute rücken, auch wenn kein Krieg bevorsteht, im tiefsten Frieden mit blank gehaltenen Waffen unter ihren Führern, die sie in der Kriegskunst unterrichten, fast Tag für Tag hinaus in Feld und Au, um dort mit größtem Eifer den Kriegsübungen zu obliegen. Nun aber frage ich: Wo sind die geistlichen Streiter, die Solches thun? Nirgends. Und das ist der Grund, daß wir dann zur Zeit des Kampfes ungestählt und ungeübt sind und so leicht besiegt werden können.

      Wie thöricht aber wäre es, zu wähnen, es sei jetzt keine Zeit des Kampfes, wenn doch St. Paulus laut ausruft: „Alle, die gottselig in Christo Jesu leben wollen, werden Verfolgung erleiden;“55 und wenn Christus sagt: „In der Welt werdet ihr Trübsale haben;“56 wenn der nämliche heilige Paulus uns mit unüberhörbarer Stimme zuruft: „Nicht gegen Fleisch und Blut haben wir zu kämpfen;“57 und ein anderes Mal: „So stehet denn, eure Lenden umgürtet in Wahrheit!“ Damals, als St. Paulus also sprach, da hat Keiner gesagt: Warum rufst du uns zu den Waffen, da doch kein Krieg ist? Warum verursachst du uns unnöthige Mühen und Beschwerden? Warum wappnest du die Streiter, während sie doch jetzt der Ruhe pflegen könnten? Hätte damals Einer so gesprochen, so wäre ihm wohl folgende Antwort geworden: Allerdings müssen wir, auch wenn kein Krieg in Aussicht stünde, uns mit den Kriegsangelegenheiten gar ernstlich befassen. Denn wer sich im Frieden auf den Krieg vorbereitet, der wird zur Zeit des Kampfes gefürchtet sein. Wer aber von Kriegsvorbereitungen Nichts wissen will, der kann auch im Frieden nicht ruhig leben. Inwiefern? Insofern er für sein Hab und Gut in Angst sein muß, da er es zur Zeit des Kampfes nicht schirmen kann, denn die Güter der Feigen und Unkriegerischen werden eine Beute der tapfern und kriegskundigen Streiter. Das ist der erste Grund, warum ich euch zu den Waffen rufe. Der zweite Grund ist folgender:

      Unsere ganze Lebenszeit ist eine Zeit des Krieges. Inwiefern? Allzeit bedroht uns der Teufel. Es steht geschrieben: „Er geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“58 Unzählige Einflüsse der Sinnenwelt stürmen auf uns los. Um uns nicht selbst zu betrügen, wollen wir einen Blick auf sie werfen. Da ist es einmal Reichthum, Schönheit, Weichlichkeit, Macht, Herrschaft, Neid, Ehre, Stolz, was uns zum Kampfe herausfordert. Dann ist es ferner unsere Ehre, wegen welcher wir kämpfen müssen, da sie uns im Streben nach Demuth hemmt, da ist es ferner fremde Ehre, die uns zum Kampfe Veranlassung gibt, soferne sie uns zu Neid und Mißgunst verleiten will. Und dann das Gegentheil von all diesen Dingen! Armuth, Schande, Verachtung, Verstoßung, Zurücksetzung. Zu diesen Dingen kommen noch viele andere Einwirkungen der Außenwelt: Bosheit der Menschen, Nachstellungen, Betrügereien, Verleumdungen, Benachteiligungen jeder Art. Und dazu kommt dann noch Das, was uns die bösen Geister zufügen, die Gewalten, Mächte, die Fürsten der Finsterniß dieser zeitlichen Welt, die Geister der Bosheit. Freude und Schmerz ändert unsere Stimmung, beide Dinge können gefährlich für uns werden, ja sogar Gesundheit und Krankheit. Was kann uns nicht Alles Anlaß zur Sünde werden! Soll ich gleich von Anfang beginnend, von Adam sprechen? Was war es, das einen Adam zum Falle gebracht? Gaumenlust und Stolz ist es gewesen. Was seinen Sohn? Scheelsucht