Seewölfe Paket 26. Roy Palmer

Читать онлайн.
Название Seewölfe Paket 26
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954399949



Скачать книгу

denken, denn dann wurde ihm erst richtig flau im Magen. Die Männer staunten nur immer, was Philip und er so alles vertilgen konnten, bis sie endlich einmal richtig satt waren.

      Die Erklärung, die sie alle sofort bereit hatten, lautete dann immer, daß die Sprößlinge des Seewolfs eben etwas Kräftiges in die Knochen brauchten, weil sie noch im Wachstum begriffen waren.

      Hasard und Philip hörten solche Sprüche nicht übermäßig gern, da sie sich schon recht ausgewachsen fühlten. Immerhin standen sie mittlerweile in den meisten Bereichen der täglichen Anforderungen ihren Mann, und es gab sowieso keine Aufgabe, vor der sie sich etwa gedrückt hätten.

      Plymmie hatte sich zu Hasards Füßen zusammengerollt und schlief wie ein Murmeltier. Der Junge wußte aber, daß die Wolfshündin sogar im Schlaf eine Gefahr schon dann witterte, wenn „ihre“ Menschen noch nicht einmal das geringste davon ahnten.

      Was die „San Jacinto“ betraf, hatten die Männer richtig vermutet. Die Dons hatten keine Neigung verspürt, noch in der Nacht irgend etwas zu unternehmen.

      Offenbar hatten sie es vorgezogen, sich in ihre Kojen zu packen und die Strohsäcke abzuhorchen. Vielleicht hatten sie vorher auch noch ein Quantum Rum oder Wein genossen, um die richtige „Kojenschwere“ zu erlangen.

      Hasard blickte nachdenklich zu der Galeone hinüber und dachte darüber nach, durch was Menschen wohl ihre unterschiedlichen Verhaltensweisen erwarben. Gab es sie wirklich, eine typisch englische Art und eine typisch spanische Art?

      Sein Vater, so wußte Hasard aus vielen Gesprächen, war dagegen, Menschen aufgrund von Vorurteilen innerhalb enger Bereiche einzustufen. In allen Ländern der Welt, so pflegte der Seewolf stets zu sagen, gibt es diese und jene Menschen. Die Engländer sind nicht besser als die Spanier, und wer das nicht begreifen will, formt sich ein ungerechtfertigtes Feindbild.

      Gewiß, nach dem Willen der Majestäten – Elizabeth I. auf der einen und Philipp II. auf der anderen Seite – befanden sich die Weltmacht Spanien und das als Seemacht noch junge England im Kriegszustand. Doch berechtigte das einen Engländer, jeden Spanier rundweg als bösen Feind abzuqualifizieren?

      Nein, sagte sich Hasard junior, die Engländer gehören genausowenig einer bestimmten Sorte Mensch an, wie das bei den Spaniern der Fall ist.

      Nicht alle Dons waren faul und träge wie jene dort auf der „San Jacinto“. Nicht alle Engländer waren aber auch fair und geradeaus wie die Arwenacks. Don Juan de Alcazar, der sich dem Bund der Korsaren angeschlossen hatte, war das eine gute Beispiel. Und Sir John Killigrew, der Galgenstrick aus Cornwall, war das schlechte Beispiel andererseits.

      Hasard erinnerte sich an die Schwierigkeiten, die die Seewölfe in England erlebt und die letztlich dazu geführt hatten, der Alten Welt endgültig Lebewohl zu sagen. In keinem Land dieser Welt war fraglos alles nur zum Besten gestellt. Intriganten- und Verbrechertum gab es hüben wie drüben. Das lehrte die Erfahrung, und am besten konnte man es erkennen, wenn man sich die Geschichte des Seewolfs und seiner Gefährten einmal vor Augen hielt.

      Daß die Kerle an Bord der „San Jacinto“ nicht zur aufrichtigen spanischen Kategorie gehörten, war dem Sohn des Seewolfs längst klargeworden. Einiges erschien höchst merkwürdig an dieser Galeone, wenn man es sich in Ruhe überlegte.

      Die „Viento Este“, vor der Nachbarinsel aufs Riff gebrummt, hatte als Einzelfahrer eine höchst wertvolle Goldladung in den Laderäumen gehabt. Mit allen verfügbaren Jollen war die Schiffsbesatzung losgesegelt, um Florida zu erreichen.

      Zweifellos hatten der Kapitän und seine Offiziere aber nicht nur vorgehabt, sich an Land als beklagenswerte Schiffbrüchige umsorgen zu lassen. Wenn man folgerichtig überlegte, konnte der Kapitän unter keinen Umständen vorgehabt haben, die „Viento Este“ einfach im Stich zu lassen.

      Nein, wenn dieser Kapitän ein Mann von der aufrichtigen Sorte war, dann mußte für ihn die Pflichterfüllung an erster Stelle stehen. Und die Pflicht besagte in seinem Fall, daß er das Gold seinem rechtmäßigen Eigentümer zuführen mußte – nämlich dem König von Spanien. Darüber mochte man denken, wie man wollte, doch in Sachen Pflichtauffassung war der persönliche Spielraum eben nicht besonders groß.

      Merkwürdig also, daß nur diese „San Jacinto“ aufgekreuzt war, um wegen des Havaristen und seiner Ladung nach dem Rechten zu sehen – noch dazu mit einer relativ kleinen Crew an Bord, die man nicht anders als einen Haufen von Galgenstricken bezeichnen konnte.

      Wenn sich der Kapitän der „Viento Este“ nach Fort St. Augustine durchgeschlagen hatte – was nach Lage der Dinge wahrscheinlich gewesen wäre –, dann hatte als logische Konsequenz ein kleiner Verband aufmarschieren müssen, der zumindest aus Bergungs- und Bewacherschiffen bestand.

      Statt dessen war lediglich dieser armselige Handelsfahrer mit mäßiger Armierung und einer zahlenschwachen Besatzung erschienen. Einer Besatzung überdies, die sich weniger von seemännischen Grundsätzen als von menschlichen Schwächen leiten ließ.

      Die Gier nach Gold war bei diesen Kerlen unverkennbar.

      Hasard liebte es, als sinnvolle Zeitausfüllung das Aneinanderfügen von Fakten zu betreiben und daraus Schlußfolgerungen zu ziehen, mögliche Konsequenzen in ihrer Tragweite gegeneinander abzuwägen und für sich selbst die Entscheidung zu treffen, die er an der Stelle der Erwachsenen getroffen hätte, die die Verantwortung trugen.

      Die Folgerungen waren in diesem Fall einfach.

      Der Kapitän der „Viento Este“ befand sich nicht an Bord der „San Jacinto“.

      Der Schwarzbärtige, der das Kommando an Bord führte, war auch nicht der Kapitän der „San Jacinto“, denn er und seine Galgenstricke hatten sich dieses Schiff angeeignet, um sich die Goldladung der „Viento Este“ zu holen.

      Woher aber hatten sie die Position der aufgebrummten Gold-Galeone gekannt?

      Darauf gab es nach Hasards Erkenntnis nur eine mögliche Antwort: Die Kerle unter dem Schwarzbart hatten zur ursprünglichen Besatzung der „Viento Este“ gehört. Daraus folgerte wiederum, daß sie sich den unglückseligen Kapitän des Einzelfahrers irgendwie vom Hals geschafft hatten.

      Es war Mordgesindel, was sich an Bord der „San Jacinto“ befand.

      Eine andere Erklärung gab es nicht, so sehr Hasard auch sein Hirn anstrengte. Dieses Mordgesindel würde alles daran setzen, um in den Besitz des Goldes zu gelangen. Das hatte der Schwarzbärtige in der jüngsten Vergangenheit bewiesen, als er sinnlos Männer opferte, ohne über die Erfolgsaussichten einer Aktion ausreichend nachzudenken.

      Deshalb, und das war die nächste Folgerung, mußte man mit dem Schlimmsten rechnen. Dieser Gegner war nicht mit normalen Maßstäben zu messen, Fairneß durfte man gar nicht erst voraussetzen. Und obwohl die Kerle kein Beiboot mehr hatten, würden sie sich noch die bösartigsten Tricks einfallen lassen, um doch noch in der Bucht zu landen.

      Dieser neue Tag, das spürte Hasard, konnte bereits die Entscheidung bringen. Aber es konnte ebensogut eine Menge Überraschungen geben. Schließlich wußte bestenfalls der Teufel, welche hinterhältige Taktik die Mörderbande an Bord der „San Jacinto“ ausbrütete.

      Unvermittelt hob Plymmie den Kopf und schnupperte. Hasard strich ihr lächelnd über das Fell. Allein an ihren Augen sah er, daß es keine Gefahr war, die da drohte oder sich näherte. Vielmehr etwas Vertrautes, Altbekanntes.

      Sekunden später sauste dieses Vertraute in der Gestalt von rotem Gefieder heran. Ein greller Farbtupfer, der sich aus dem Dunst vor der steilen Felswand löste und zielstrebig auf das Ufergestrüpp am südlichen Hang zuhielt.

      Mit einem kurzen Flügelklatschen landete Sir John auf der Schulter des: Jungen. Als wollte er sich einschmeicheln, rieb der Papagei seinen Kopf an Hasards Ohr. Der Junge gab ihm einen Brocken Hartbrot, und der Krummschnabel Sir Johns begann sich mit mahlenden Geräuschen zu bewegen. Dazu ließ er leise, rollende Laute des Wohlbehagens hören.

      „Untersteh dich, jetzt herumzukrakeelen“, sagte Hasard warnend. „Die Männer schlafen noch, auch Philip. Wenn du sie aufweckst, drehe ich dir den