Название | Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden |
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Автор произведения | Max R. Liebhart |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960180685 |
Kurz vor dem letzten Raum links des Korridors, der Sala degli Stucchi mit schönen Wanddekorationen, führt eine kleine Treppe nach oben. Ersteigt man hier einige Stufen und dreht sich dann um, so hat man Tizians Hl. Christophorus vor sich. Dieses Fresko entstand 1523/24. Der Heilige ist als derbe Gestalt dargestellt, die kraftvoll durch die Lagune watet. „Die Pinselführung ist von herrlicher Freiheit und formbezeichnender Kraft“, schreibt Hubala. Links unten ist ein in venezianischem Stil gehaltener Turm dargestellt, während rechts von ihm die Kuppeln von S. Marco zu sehen sind. Die Berge ganz rechts im Bilde sind die Ausläufer der Alpen in der Gegend von Cadore, dem Geburtsort Tizians. Die Treppe war dem Dogen vorbehalten, der auf ihr schneller von seiner Wohnung zu den Repräsentationsräumen im darüber gelegenen Stockwerk gelangen konnte. In den drei Gemächern gegenüber ist eine kleine Pinakothek untergebracht. Erwähnt sei eine Pietà Giovanni Bellinis, bei der das offene Grab Christi als Altar dargestellt ist. Insgesamt sind die Dogengemächer in allen Details sehr edel gestaltet, durchaus auch mit einem gewissen Prunk, jedoch mit erstaunlicher Zurückhaltung – ganz sicher waren die privaten Paläste der Dogen üppiger ausgestattet.
Über den zweiten Lauf der Scala d’Oro gelangt man in das dritte Stockwerk des Palastes mit den Repräsentations- und Versammlungsräumen der Republik und betritt zunächst das Atrio quadrato, in dem sich der ursprüngliche, vergoldete soffitto erhalten hat, der unter dem Dogen Girolamo Priuli (1559–67) entstanden ist. Sein Dekorationssystem hat W. Wolters als „System kommunizierender Kassetten“ bezeichnet. Das achteckige Hauptbild stammt von Tintoretto (1561–64) und zeigt den Dogen in Gegenwart seines Namenspatrons Hieronymus vor der Venetia. Begleitet von Justitia, überreicht ihm diese das Zeremonienschwert. Interessant ist bei diesem Bild die Gruppierung der vier Figuren: Sie sind „abwechselnd in Untersicht (Justitia, Venetia), in Frontalsicht (Doge), in Draufsicht (Hieronymus) und in Anlehnung an das achteckige Format gegeben, so dass die Darstellung nicht nur von einem einzigen Betrachterstandpunkt aus lesbar ist und das Auge den räumlichen Zusammenhang aus den Wendungen der Figuren stillschweigend ergänzt.“ (Hubala)
Es folgt die Sala delle Quattro Porte, die sich quer über den ganzen Flügel erstreckt und ihren Namen von den vier aus wundervollen Steinen errichteten Prachtportalen erhalten hat. Die Anlage, für die Palladio die Pläne geliefert hat, entstand 1574–77. Die Deckengemälde entstammen überwiegend der Werkstatt Tintorettos. Unter dem Gewölbe der rechten Schmalseite des Raumes hängt eine Kopie von Tiepolos Gemälde Neptun bringt Venedig Schätze des Meeres dar, das Original steht am Boden auf einer Staffelei. Ein großes Gemälde rechts an der Wand, das den Dogen Antonio Grimani (1521–23) darstellt, wurde von Tizian begonnen und von Marco Vecellio vollendet. Von großem Interesse ist das gegenüberliegende Wandbild, auf dem der Empfang König Heinrichs III. von Frankreich in Venedig gezeigt wird (1574). Die darauf abgebildete Festarchitektur stammt von Palladio, der mehrere Triumphbögen entworfen hatte, die dann von Tintoretto und Veronese bemalt wurden. Das Bild kann einen Eindruck von dem Prunk vermitteln, den die Republik bei solchen Anlässen entfaltete.
Es lohnt sich, von einer solchen Festlichkeit etwas mehr zu hören, wobei allerdings festgestellt werden muss, dass die (zeitgenössischen) Berichte den Pomp bis ins Phantastische steigern. Der Besuch des erst 23-jährigen Königs hatte zwar keine besonderen positiven Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Venedig und Frankreich, doch hatte die Republik anscheinend hohe Erwartungen an ihn geknüpft. So wurde Heinrich „in die Stadt eingeholt mit einem von 400 Rudersklaven fortbewegten Schiff, das von einer Eskorte von vierzehn Galeeren begleitet war. Während diese Flotte über die Lagune fuhr, bliesen Glasbläser auf einem Begleitfloß zur Belustigung des Königs alle möglichen Figuren; ihr Ofen war ein gigantisches Seeungeheuer, das Flammen aus Backen und Nase spie. Diesem Geleitzug fuhr eine zweite Armada entgegen, die aus seltsam dekorierten, phantastisch oder symbolisch aufgemachten Schiffen bestand und mit Delphinen und Meeresgöttern verziert oder üppig mit Tuchwerk behangen war. In Venedig war der am Canal Grande gelegene, „Ca’ Foscari“ genannte Palazzo eigens für den Besucher hergerichtet worden. Man hatte ihn verschönert mit golddurchwirktem Tuch, Teppichen aus dem Osten, seltenem Marmor, Seidenstoffen, Samt und Porphyr. … Die Bilder, speziell für diese Gelegenheit erworben oder in Auftrag gegeben, stammten von Giovanni Bellini, Tizian, Paris Bordone, Tintoretto und Veronese. Für das Hauptbankett im riesigen Großen Ratssaal des Dogenpalastes wurden die in der Stadt geltenden Gesetze gegen übermäßigen Aufwand vorübergehend aufgehoben, und die schönsten Frauen Venedigs erschienen alle in blendendem Weiß, ‚geschmückt‘, wie uns ein Historiker berichtet, ‚mit Juwelen und Perlen von erstaunlicher Größe, nicht nur an Schnüren um den Hals, sondern auch die Haartracht bedeckend und die Umhänge auf ihren Schultern‘. Auf der Speisekarte waren 1200 Gerichte verzeichnet, die 3.000 Gäste aßen alle von silbernem Geschirr, und die Tafeln waren mit Figuren aus Zucker dekoriert, die Päpste, Dogen, Götter, Tugenden, Tiere und Bäume darstellten, allesamt entworfen von einem berühmten Architekten und hergestellt von einem talentierten Apotheker. … Als das Mahl dem Ende entgegenging, wurden dreihundert verschiedene Sorten von Bonbons verteilt, und nach dem Essen erlebte der König die erste Oper, die je in Italien und damit auf der Welt aufgeführt wurde. Als er schließlich in die Nacht hinausschritt, entdeckte er, dass eine Galeere, die man ihm vorher in Einzelteile zerlegt gezeigt hatte, während des Banketts draußen am Kai zusammengesetzt worden war. Als er den Palast verließ, wurde sie, fix und fertig, in die Lagune hinaus vom Stapel gelassen ...“ (Morris) Heinrich sei laut einigen Berichten nach diesem Erlebnis nie mehr ganz zu sich gekommen und lebte den Rest seines Lebens im Zustand ständiger Benommenheit dahin. Weiterhin wird überliefert, dass er geäußert haben soll, wenn er nicht König von Frankreich wäre, so wollte er am liebsten Bürger von Venedig sein. Zu dieser Äußerung mag vielleicht auch ein diskret behandelter Besuch bei Veronika Franco, der damals berühmtesten Kurtisane der Stadt, beigetragen haben – für Heinrich, wie berichtet wird, nicht nur der Höhepunkt seines Aufenthaltes in der Stadt, sondern sogar der seines Lebens.
In der Raumflucht folgt nun das Anticollegio, also das Vorzimmer zum Collegio, zum Staatsrat. Das wundervolle Ensemble erhielt seine heutige Form und Ausstattung erst im Jahre 1713, damals kamen Gemälde Tintorettos, Veroneses und Bassanos hierher. Es wurde in Anbetracht der Tatsache, dass der Raum als Wartezone für hochgestellte Gäste der Republik diente, besonders kostbar ausgestattet. Die vier beinahe quadratischen Gemälde über den Türen stammen von Tintoretto und entstanden in den Jahren 1577/78. Ihre Themen sind: Minerva trennt Krieg und Frieden, Vulkan schmiedet mit Hilfe des Kyklopen Waffen, Die drei Grazien und Merkur und Bacchus bietet Ariadne den Hochzeitsring an. Letzteres bezeichnet Hubala als das schönste Werk des Meisters überhaupt: „ein honiggelbes Schimmern fasst die lautlose, wie verzauberte Szene zusammen, in der sich die Figuren von herrlicher Freiheit der Leiber und hohem Adel des seelischen Ausdrucks wie Meereswesen zu bewegen scheinen.“ An der Wand hängt der Raub Europas von Veronese, ein Bild, das mit reicher, ja üppiger Farbigkeit gestaltet ist und ein wenig auf französische Rokoko-Idyllen vorausdeutet. Daneben sei noch auf Bassanos in erdigen Farben gehaltenes Gemälde Jakobs Rückkehr von Kanaan hingewiesen. Aufmerksamkeit verdient ebenso die übrige, sehr würdevolle Ausstattung des Raumes mit üppiger Stuckdekoration, dem Kamin sowie dem Portal zum Collegio, das aus dunklen Steinen zusammengefügt ist und einen gesprengten Dreiecksgiebel besitzt. Auf ihm stehen von Vittoria geschaffene Figuren: In der Mitte sitzt Venezia auf einem Löwenthron und wird von den allegorischen Darstellungen von Eintracht und Ruhm flankiert, die deutlich ihre Herkunft von Michelangelos Medici-Gräbern in der Neuen Sakristei von San Lorenzo