Название | Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden |
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Автор произведения | Max R. Liebhart |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960180685 |
Auch der Aufbau der Südfassade, die zum Dogenpalast weist, entspricht dem der Hauptfassade. Rechts neben den drei Bogenstellungen schließt sich ein glatter, mit feinem, farbigem Marmor verkleideter Mauerblock an, der bereits genannte Tesoro, die „Schatzkammer“ von S. Marco. An der linken Ecke der Südfassade findet sich ebenfalls eine geschlossene Wandfläche, die der Südwand der Cappella Zen entspricht. Hier öffnete sich früher die sogenannte porta da mar, durch die der Narthex von dieser Seite her zu betreten war. In der oberen Etage, zwischen den Obergadenbögen mit Vergitterungen, die aus Konstantinopel stammen, wird ein byzantinisches Madonnenbild des 13. Jahrhunderts, die sogenannte Madonna del Mare, von zwei Lichtern flankiert. Gemäß der Tradition sollten sie eigentlich Tag und Nacht brennen.
Diese Tradition soll laut der legendären Überlieferungen auf die Stiftung eines Seemanns zurückgehen. Jedoch wird auch von einem ewigen Sühnezeichen für einen Justizmord berichtet, der an einem Bäckerjungen namens Pietro Faccioli begangen wurde. Der war in Verdacht geraten, einen Adeligen ermordet zu haben. Als man dessen Leiche auffand, steckte im Herz des Toten ein Dolch, der exakt in die Scheide passte, die der Bursche bei sich trug, ohne dass er genau hätte erklären können, wie sie in seinen Besitz gekommen war. Er behauptete zwar, er habe sie am Morgen nach dem Mord auf der Straße gefunden und behalten (nach Howells), doch nahm ihm niemand diese Erklärung ab. So wurde er des Mordes für schuldig gesprochen und zwischen den Säulen hingerichtet. Erst viele Jahre später konnte der Fall definitiv geklärt werden, als nämlich der eigentliche Mörder auf seinem Sterbebett in Padua die Tat gestand. Von den beiden Lampen wurde gemäß der Legende die eine für die Seele des ermordeten Adeligen, die andere für die des unschuldigen Bäckerjungen gestiftet. Der Rat der Zehn hat aus diesem Vorfall eine Lehre gezogen und verhängte nie mehr ein Todesurteil, ohne dass zuvor eines seiner Mitglieder feierlich die Worte gesprochen hätte: „Ricordatevi del poaro (povero) Fornaretto – denkt an den armen Bäckerjungen“. Seit dem Tod dieses Bäckerjungen sei es nicht schwierig – so die Legende –, in nebligen Nächten an dem Säulenstumpf aus Porphyr, der an der Südwestecke von S. Marco steht, ein paar Tropfen von brennend rotem Blut zu erblicken, ein Zeichen, mit dem der Junge seine Wut über die Republik hinausschreit, die ihm in der Blüte seines Lebens dieses raubte. Weiterhin wird berichtet, dass zu Seiten der Madonna während Exekutionen schwarze Kerzen angezündet wurden, die den Menschen, die da auf der Piazzetta gerichtet wurden, noch Stärkung bringen sollten.
Vorhallen (Narthex): Sie umgeben den eigentlichen Kirchenbau im Westen und Norden L-förmig und besitzen Nischen, in denen mehrere Dogen bestattet sind. Teile des westlichen Flügels, so die mittlere Portalnische und der Lichtschacht vor dem inneren Hauptportal, stammen noch aus der ersten Bauphase des 11. Jahrhunderts, alles Übrige entstand erst im 13. Jahrhundert. Besonders schön sind die zwölf Säulen zu Seiten der Portalnische. Eine wundervolle Arbeit ist der Mosaikfußboden aus vielfarbigem Marmor, der im 11. Jahrhundert entstand und auf den Fußboden einstimmt, der den Besucher im Inneren der Kirche erwartet. Den westlichen Teil des Narthex übergreifen Kuppeln, zwischen die Tonnengewölbe geschaltet sind. Eine Folge von vier weiteren Kuppeln findet sich im nördlichen Flügel. Die Gewölbezone wird von Mosaiken aus den Jahren 1220–1300 bedeckt, auf denen Themen aus dem Alten Testament gezeigt werden. Die Vorbilder für diese Kompositionen kamen nicht aus Byzanz, sie sind vielmehr „ausgeprägt abendländisch und stilgeschichtlich spätromanisch“ (Hubala) und gehen auf spätantike bebilderte Handschriften zurück. „Entscheidend aber ist, dass aus solchen Anregungen ein durchaus eigener, eben venezianischer Bildstil entwickelt wurde, der durch eine detailreiche Erzählung, ein oft buntes Kolorit ... gekennzeichnet ist.“ (Hubala) Der Zyklus beginnt in der südlichen Kuppel der westlichen Vorhalle mit den Schilderungen der sechs Tage der Schöpfungsgeschichte. Es sind zauberhaft naive, dabei aber ausgesprochen ausdrucksstarke Formulierungen dieses Themas. Die Bilder der folgenden Tonne erzählen mit köstlichen Einzelheiten die Geschichte der Arche Noah, die in der linken Tonne ihre Fortsetzung findet. Thema der nächsten Kuppel ist die Geschichte Abrahams, die drei folgenden Kuppeln zeigen Bilder aus der Josefslegende. In der letzten Kuppel wird die Geschichte des Moses geschildert.
Innenraum: „Ich schwimme in einem Traum aus Gold. Ich bin gefangen in Netzen aus Gold, ich stehe auf Gold, ich tauche unter in Gold. Ein Geruch von Gold berührt mich. Ich habe das Gold unter den Füßen. Ich habe Gold auf dem Kopfe. Die tiefen und fernen Fenster sind goldene Filter; und das Gold dringt wie eine ganz feine Welle zwischen die Pfeiler ... Die Grundpfähle von San Marco müssen aus Gold sein, Wälder aus goldenen Barren in die Lagune gepflanzt“, so schwärmt André Suarès (1866–1948). Und in der Tat: Dem Eintretenden verschlägt es schier den Atem ob der Pracht und Fülle, die allenthalben herrschen und das Aufnahmevermögen sprengen.
Die Architektur stammt im wesentlich aus dem 11. Jahrhundert. Marmorinkrustation und Mosaiken entstanden im 12. bis 14. Jahrhundert. Der Grundgedanke der Architektur von S. Marco, als sogenannte Kreuzkuppelkirche, wurde prägend für zahlreiche spätere Sakralbauten Venedigs. Bei diesem Typus der Sakralarchitektur wird ein zentraler Kuppelraum an seinen Ecken von vier kleineren überkuppelten Trabantenräumen flankiert, zwischen denen sich Tonnen spannen. Die insgesamt fünf Kuppeln sind dabei so angeordnet, dass sich im Grundriss ein Bild ergibt wie bei der „Fünf“ des Spielwürfels, was auch als quincunx bezeichnet wird. Diese Grundform kann für sich alleine ausgeformt sein. Hier in S. Marco sind jedoch jeweils drei dieser Systeme ineinander verzahnt, und zwar dadurch, dass eine Tonne und zwei Trabantenräume jeweils zu zwei Systemen gehören. Diese Art der Verzahnung geschieht dabei sowohl in der Längs- als auch in der Querachse des Raumgebildes. Es sind hier fünf große Kuppeln so angeordnet, dass sich ein griechisches Kreuz (mit gleichlangen Schenkeln) ergibt, das jedoch nicht ganz rein geformt ist. So ist der Durchmesser der mittleren Kuppel, welche die Vierung von Längs- und Querarmen übergreift, größer als derjenige der vier übrigen. Das typische System der quincunx ist im Bereich der Presbyteriumskuppel in der Weise modifiziert, dass der entsprechende Kuppelraum gleichzeitig die mittlere Chorkapelle eines dreiteiligen Presbyteriums und somit von anders geformten Räumen umgeben ist. Die Kuppeln werden von mächtigen quadratischen Pfeilern getragen, die nicht kompakt sind, sondern jeweils zwei kleine, übereinander angeordnete und überkuppelte Räume enthalten, die nach drei Seiten offen sind. Zwischen den Pfeilern verlaufen weite Tonnen mit halbkreisförmigem Querschnitt, sie flankieren die Kuppeln an vier Seiten. Eigentlich ist die Kirche als Zentralbau angelegt, doch entsteht durch architektonische Besonderheiten die Betonung einer bestimmten Richtung. Dies geschieht einerseits durch die Apsis mit ihren Nischengruppen, andererseits durch die Säulenarkaden, die zwischen die Pfeiler gespannt sind und Säulchenbalustraden tragen, die sogenannten Katzenstege, Reste der Emporenanlage der früheren Contarinikirche. Diese Säulenarkaden „teilen“ den Raum jedoch nur in der unteren Zone, lassen die Wölbungszone dagegen frei. Der Eindruck der Dreischiffigkeit entsteht somit nur unten, um darüber vollkommen verwischt zu werden. Wichtig für den Raumeindruck ist schließlich die große Chorschranke (Lettner, Ikonostasis), die von den Brüdern dalle Masegne in den Jahren 1394–1404 ausgeführt wurde und so gewichtig ist, dass sie den östlichen Kuppelraum optisch abgetrennt.
Mosaiken: Bei der Entstehung des Baus war eine Dekoration mit Mosaiken noch nicht geplant. „Man muss sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass die Kirche im 11. und frühen 12. Jahrhundert nur eine teilweise, auf Apsis (und Portale im Narthex) beschränkte Mosaikdekoration aufwies.“ (D. Demus bei Hubala)
Mosaiken hat man auch Gemälde für die Ewigkeit genannt, weil sie sich nicht verändern und insbesondere ihre Farben nicht verblassen. Die Kunstform des Mosaiks reicht bis zum Hellenismus zurück, doch kann vermutet werden, dass die eigentlichen Wurzeln noch tiefer liegen. Die Römer übernahmen diese Dekorationsform und perfektionierten sie, um sie sowohl im sakralen (z. B. Santa Costanza, Rom), als auch im profanen Bereich (Fußböden in Pompei u. a.) zu verwenden. In der Spätantike wurde die musivische Kunst bevorzugt von der Kirche eingesetzt (S. Maria Maggiore und zahlreiche weitere Kirchen Roms). Die später zu datierenden Mosaiken von Ravenna stehen dann schon ganz in byzantinischer Tradition. Für Mosaiken werden Glas- und Marmorwürfel mit einer Kantenlänge von etwa einem Zentimeter benutzt. Mit Hilfe von Vorlagen, den sogenannten Kartons,