Название | Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden |
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Автор произведения | Max R. Liebhart |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960180685 |
Wieder zurück in der Vierung, also dem Raum unter der Mittelkuppel, hat man die Ikonostasis der Brüder Jacobello und Pierpaolo dalle Masegne aus den Jahren 1394–1404 vor sich. Sie erhebt sich über der Krypta (erkennbar an der Stirnmauer mit Säulenarkaturen und Fenstern) und ist aus polychromem Marmor gefertigt. Auf ihr steht eine Kreuzigungsgruppe, die von den großen Figuren der Apostel flankiert wird. Herrliche Charaktere sind hier in der Formensprache der Spätgotik gestaltet. An den Pfeilern beidseits des Presbyteriums stehen zwei Kanzeln, deren rechte zu Zeiten der Republik pergolo grando genannt wurde und aus Porphyr besteht. Auf ihr wurden bei bedeutenden Zeremonien die wichtigsten Reliquien aus dem Besitz von S. Marco ausgestellt. Der jeweils neu gewählte Doge wurde auf ihr dem Volk präsentiert zur collaudatio, den obligatorischen Beifallsrufen, und zwar mit dem traditionellen Satz: „Questo xe Missier lo Doxe, se ve piaxe“ – Das ist der neue Doge, wenn es euch gefällt“ (das venezianische „x“ wird als stimmhaftes „s“ ausgesprochen). Das Volk hatte auf die Frage mit den jubelnden Rufen „sia! sia!“ zu antworten. Der Präsentation des neuen Dogen war dessen Amtseinsetzung vorangegangen, die der primicerius, der oberste Kleriker von S. Marco als Vertreter des Heiligen vornahm, indem er dem Gewählten das Staatsbanner überreichte. Besonderer Beachtung wert sind vier vergoldete, kerzentragende Engelsstatuen hoch oben an den Ecken der Vierung, die aus dem 13. Jahrhundert stammen, also zu den ersten Werken venezianischer Großplastik gehören. Sie sind von ausgezeichneter Qualität und lassen an Werke Antelamis denken.
Auf dem Altar des linken, des nördlichen Querarms wird eine byzantinische Madonna verehrt, ein Andachtsbild des 10. Jahrhunderts vom Typ der Nicopeia, der „Siegbringerin“, das zu der Beute gehört, welche die Venezianer 1204 bei der Eroberung von Konstantinopel machten. Dort war die Nicopeia die Schutzpatronin der Römer und fungierte auch als condottiera delle legioni (Anführerin der Legionen), besaß somit eine zentrale Rolle innerhalb der Kaiserliturgie. Sie war in einer Kapelle der kaiserlichen Paläste untergebracht. Seit 1234 befindet sich die Nicopeia in S. Marco und besitzt auch ein Prunkgewand, das im Tesoro aufbewahrt wird. Das Madonnenbild hatte für die Venezianer immer eine große Bedeutung und wurde bei vielen Gelegenheiten um Hilfe angefleht. Das geschah jeweils durch große Prozessionen auf der Piazza, bei denen das Bild von vier Priestern getragen wurde, denen der gesamte Klerus der Stadt zusammen mit dem Dogen und den Adeligen folgte. Auf diese Weise hat man beispielsweise 1630 um das Ende der Pest gebetet und die Madonna fünfzehn Samstage darum angefleht. Anlässlich des Untergangs der Republik im Jahre 1797 blieb das Bild ebenfalls fünfzehn Tage lang ausgestellt. Auch 1919 und 1945 vereinigte sich die Bevölkerung Venedigs vor dem Andachtsbild, um für die Beendigung der beiden Weltkriege zu danken. Der Raum davor, von dem Hubala meint, er könne „eine gewisse Vorstellung vom Aussehen des Kirchenraums zur Zeit der Republik geben“, ist von einer dichten, andächtigen Stimmung erfüllt, er ist dem stillen Gebet vorbehalten. Am Pfeiler an der Ecke zwischen nördlichem Querhaus und dem Längsarm nach Westen ist die sogenannte Madonna dello Schioppo zu sehen, ein besonders schönes Relief aus dem 13. Jahrhundert. Der heutige Name bedeutet „Madonna mit der Flinte“ und nimmt mit der nach dem ersten Weltkrieg hinzugefügten Waffe auf die Errettung venezianischer Soldaten in diesem Krieg Bezug.
Die Cappella dei Mascoli liegt links hinten im linken Querarm. Die Betrachtung ihrer Kunstwerke ist wegen der meistens ungünstigen Lichtsituation in der Regel schwierig. Beleuchtet wird sie nur bei feierlichen Anlässen, und auch dann bleibt sie durch ein Gitter abgesperrt. Sie hat ihren Namen von der Bruderschaft der mascoli, der unverheirateten Männer. Besonderer Beachtung wert sind sowohl die Figuren auf dem Altar als auch die Mosaiken des Tonnengewölbes. Auf dem Altar steht Maria mit dem Kind zwischen den hll. Markus und Johannes. Die Figuren sind von einer aufwendigen Architektur mit gedrehten Säulen, Fialen und Wimpergen gefasst. Der Name des ausführenden Meisters ist nicht bekannt, er wird deshalb als „Mascoli-Meister“ bezeichnet. Die Werke gehören dem sogenannten Übergangsstil an, der zeitlich zwischen Spätgotik und Frührenaissance anzusetzen ist und Stilmerkmale beider Epochen vereint. Sie weisen aber auch nordische Einflüsse auf, besonders die Muttergottes. Sehenswert sind auch die beiden schönen Engel im Antependium. Die Mosaiken der Kapelle, deren Entstehungszeit um 1450 liegt, zeigen Szenen aus dem Marienleben. So ist in der Lünette eine Verkündigung zu sehen, in der Tonne links sind Geburt und Darstellung im Tempel, in der rechten Heimsuchung und Tod dargestellt. Der ausführende Künstler hat seine Werke deutlich mit seinem Namen Michele Giambono signiert. Nicht ganz klar ist, von wem die Kartons stammen, bei denen in jedem Fall toskanische Einflüsse anzunehmen sind (besonders im Marientod). Die Heimsuchung wird mit Jacopo Bellini, der Marientod mit Mantegna oder Castagno in Verbindung gebracht. „Jedenfalls ist das Mosaik des Marientodes eine Inkunabel venezianischer Frührenaissance, vorbildlich für die Bildarchitekturen Jacopo Bellinis und als Übertragung eines Bildgedankens donatellesker Herkunft zu beurteilen.“ (Hubala)
Im Weitergehen nach Westen (in Richtung Ausgang) findet sich links am Vierungspfeiler der Verkündigungsaltar, der seine heutige Gestalt im 14. Jahrhundert erhielt. Das schöne gemalte Kruzifix wurde bei der Eroberung von Konstantinopel erbeutet und 1205 von dort nach Venedig gebracht. Es stand dann zunächst auf der Piazza und kam erst 1290 an seinen jetzigen Platz. Seinen Namen hat der Altar von der Verkündigungsgruppe aus dem 13. Jahrhundert, deren Figuren etwas unbewegt und schwerfällig anmuten.
Sonderräume: Der Zugang zum Baptisterium unterliegt unterschiedlichen Regelungen. Zumeist muss im Patriarchenpalast eine Erlaubnis eingeholt werden. Dasselbe gilt für die Cappella Zen im Narthex sowie für die Krypta und ist ein recht kompliziertes Unternehmen. Manchmal ist das Baptisterium jedoch ohne weiteres zugänglich, dann allerdings den Betern vorbehalten. Es ist ebenfalls vollständig mit Mosaiken ausgekleidet, u. a. ist hier eine hinreißende Salome zu sehen.
Gegen Gebühr zugänglich ist die Schatzkammer, der Tesoro, mit einer exquisiten Sammlung der Kostbarkeiten, die nach 1797 noch verblieben sind. Vertreten sind u. a. Werke byzantinischer Goldschmiedekunst, Reliquienbehälter, Kreuzreliquiare, aus erlesenen Steinen geschnittene Pokale, ein silbernes Kreuzkuppel-Kirchenmodell. Beachtenswert ist das Portal bzw. die eigenartig geformte Arabeske über dem Türsturz. Diese trägt ein kunstvoll gearbeitetes Band mit Ranken, Vögeln und anderen Tieren. Im Tympanon sind zwei mosaizierte Engel vor einem Hintergrund zu sehen, der das Bogenmotiv des Bronzeportals von S. Marco wiederholt. Vor diesem Mosaik steht ein Schmerzensmann des 14. Jahrhunderts, der Züge nordischer Skulptur trägt.
Ebenfalls zugänglich sind die Galerien mit dem Museo Marciano. Dieses erreicht man über eine steile Treppe rechts des Haupteingangs. Ein Besuch ist in jedem Fall zu empfehlen. Von den Galerien aus hat man einen wunderbaren Blick in den Kirchenraum und auf die Mosaiken, und zwar gleich beim Eingang des Museums in die Längsachse der Kirche sowie von der Nordkuppel aus in deren Querarme. Tritt man von hier nach draußen auf die schmale umlaufende Terrasse, bietet sich ein hinreißender Blick über Piazza und Piazzetta. Das Museum birgt heute zahlreiche Werke, die hier vor der Einwirkung der Witterung in Sicherheit gebracht wurden. Insbesondere sind dies die Originale der vier Bronzepferde. Sie sind heute gut aufgestellt und ausgezeichnet beleuchtet, so dass man sie gut studieren kann. Nach einer grundlegenden Umgestaltung und Erweiterung des Museums fesseln und ergreifen Kraft, Bewegung und Feuer dieses singulären Werkes, das noch erstaunlich üppige Reste der ursprünglichen Vergoldung zeigt. Gleich daneben befinden sich das Original der Tetrarchen von der Außenseite des Tesoro sowie die Reliefplatten mit der Darstellung der Evangelisten, die sich früher am Seitenportal der Nordfassade befanden. Das Museum windet sich heute förmlich um die Markuskirche herum. In den teilweise recht engen Räumlichkeiten werden liturgische Gegenstände und Gewänder gezeigt. Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus die Sansovino-Madonna, die beim Einsturz des campanile 1902 zertrümmert wurde – man hat sie aus mehr als 1.000 Fragmenten wieder zusammengesetzt. Teil des Museums ist heute der ursprüngliche Ballsaal des Dogen, der in den Patriarchenpalast integriert ist.
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