Название | Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden |
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Автор произведения | Max R. Liebhart |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960180685 |
Entscheidend für die Wirkung des Raumes ist der herrliche Soffitto, die Holzdecke. Diese riesige Fläche ist in drei große Zonen gegliedert, die wiederum von den seitlichen Gruppen der Trabantenbilder begleitet werden. Eine kraftvolle, großzügige Rahmung verbindet die Bilder und fasst sie wiederum zu einem Ganzen zusammen. An den Wänden hängen über einem niedrigen hölzernen Dorsale Bilder, die Ereignisse aus der Geschichte Venedigs erzählen. Die Stirnseite des Raumes nimmt das riesige Paradies Tintorettos ein. Eine Besonderheit stellen die Dogenbildnisse dar, die paarweise unterhalb der Decke angeordnet sind – gezeigt werden die Dogen, die von 804–1556 regiert haben. Unter dem Paradies erhebt sich auf einem Stufenpodest das Gestühl für die Serenissima Signoria, in dessen Mitte ein siebenteiliges Dorsale mit dem Dogenthron steht, der nur durch einen schlichten Dreiecksgiebel hervorgehoben ist. Bedeutendstes Werk des soffitto ist das ovale Mittelbild über dem Dogenthron, Veroneses Triumph Venedigs. Der Maler hat das Geschehen in zwei Ebenen angeordnet. Die untere Hälfte des Gemäldes wird von einem Gedränge von Schaulustigen angefüllt. Eine Balustrade grenzt den oberen Teil ab, wo Venezia, von Personifikationen von Tugenden umgeben, auf ihrem Thron vor einer triumphbogenartigen Loggia schwebt und aus der Hand eines Engels eine Krone empfängt. Das Kompositionsschema Veroneses mit der Zweiteilung der Bildfläche hat der jüngere Palma im anderen ovalen Hauptbild übernommen und darauf die Huldigung der Provinzen an Venedig dargestellt, es bleibt aber in der Qualität der Komposition, in der deutlich stumpferen Farbgebung und auch an Ausdruckskraft hinter Veronese zurück. Auf dem riesigen rechteckigen Mittelbild, das sicher überwiegend von Händen aus Tintorettos Werkstatt stammt, ist dargestellt, wie Venezia dem Dogen Nicolò da Ponte (1578–85) einen Ölzweig überreicht.
Unterhalb der Decke umläuft den Saal der bereits genannte Fries mit sehr differenziert gemalten Dogenbildnissen. An einer Stelle überdeckt ein schwarzes Tuch ein Portrait des Dogen Marino Falier. Es trägt die Aufschrift „Hic est locus Marini Faletri decapitati pro criminibus – hier ist der Platz des Marino Fallier, enthauptet für seine Verbrechen“ – ein spätmittelalterliches Beispiel einer damnatio memoriae, einer Bestrafung über den Tod hinaus durch Auslöschen seines Andenkens. Marino Falier machte 1355 den Versuch, eine Monarchie zu installieren und wurde wegen dieses Hochverrates nach kurzem Prozess hingerichtet.
Eine Reihe großformatiger Wandbilder feiert außenpolitische und militärische Triumphe der Republik. An der Nordwand (rechts des Dogenthrons) wird die Rolle der Venezianer in der Geschichte der Versöhnung zwischen Papst Alexander III. und Kaiser Friedrich Barbarossa 1177 geschildert. An der südlich gelegenen Fensterwand sind Bilder mit den Ereignissen des Vierten Kreuzzuges bei der Eroberung Konstantinopels zu sehen. Natürlich bediente man sich hier tendenziöser Darstellungsweisen und auch der Wiedergabe von legendären Ausschmückungen. Die Bilder können jedoch einen guten Einblick geben in die damals üblichen Zeremonien einerseits und in das Kriegshandwerk (Seeschlachten) andererseits.
Die Ausschreibung für ein Gemälde über dem Dogenthron gewannen zunächst Veronese und Bassano, deren Entwurf aus den Jahren 1578–82 vorsah, dass Veronese die zentralen Partien, Bassano den Rest ausführen sollte. Möglicherweise war die Teilung der Aufgaben der Grund, warum der Entwurf nicht realisiert wurde. Veronese starb 1588, weshalb nun der damals 70-jährige Tintoretto, der zwei Entwürfe vorgelegt hatte, die Aufgabe übernahm. Ein Entwurf hat sich im Louvre erhalten und gilt als die bessere Lösung als die, die dann verwirklicht wurde. Mit Ausmaßen von 7 x 22 Metern handelt es sich um das größte Ölgemälde der Welt. Es wurde auf einzelne Leinwände gemalt (in der >Scuola della Misericordia) und dann an Ort und Stelle zusammengesetzt. Sicher hat man das Werk immer bewundert, jedoch nie uneingeschränkt, und auch deutliche Kritik wurde laut. So meinte Grillparzer, dass es „von Figuren wimmelt, die kaum ein Ganzes ausmachen.“ Und Marc Twain berichtet, bei seinem ersten Venedigbesuch habe ihm ein Fremdenführer erzählt, es sei auf dem Gemälde ein Aufstand im Himmel dargestellt! – Im Gegensatz z. B. zu den Fresken Michelangelos in Rom ist das Bild offenbar deutlich nachgedunkelt, und deshalb dominieren heute dunkle Farbtöne wie Schwarz, Dunkelblau und Braun, was die Beurteilung erschwert. Es sind zahllose Figuren dargestellt, die segmentförmig in drei Zonen (außen die Seligen, in der Mitte die Heiligen, innen die Engel) das Zentrum umgeben, in dem Maria vor dem lichtumflossen thronenden Christus kniet. Das Bild enthält eine eindeutige Botschaft: „In einer absoluten Behauptung der Größe, der Macht und der Gottesfürchtigkeit einer der dauerhaftesten Republiken der Geschichte, werden alle wichtigen Entscheidungen des Staates unter der Schirmherrschaft von Christus und der Jungfrau Maria mit der Inspiration der himmlischen Heerscharen gefällt.“ (Fortini Brown)
Rechts hinten betritt man die Sala della Quarantia Civile Nuova (Gerichtshof, der für die terraferma, die Besitzungen auf dem Festland, zuständig war). Die Gemälde dieses Raumes beziehen sich thematisch auf das Richteramt.
Hinter dieser Sala öffnet sich ein weiterer Riesenraum, die Sala dello Scrutinio, die unter dem Dogen Francesco Foscari (1423–38) erbaut wurde und deren ursprünglicher Zweck unbekannt ist. Lange Zeit (bis 1553) barg er die von Kardinal Bessarion gestiftete Bibliothek, bevor die libreria Sansovinos fertiggestellt war. Später tagten hier die Ausschüsse des Großen Rates, besonders die Wahlkommissionen (z. B. die für die Wahl des Dogen) – scrutinio bedeutet im Venezianischen „Abstimmung“. Ein enger funktioneller Zusammenhang zwischen diesem Saal und der Sala del Maggior Consiglio kann somit angenommen werden, wofür auch die Ähnlichkeit der Ausstattung der beiden Räume spricht. Dominierend ist auch hier der soffitto, wobei die Rahmung der längsrechteckigen und querovalen Gemälde noch üppiger, „barocker“, ist. Dagegen steht die Qualität der Bilder hinter denen in der Sala del Maggior Consiglio zurück. Hingewiesen sei lediglich auf Die Einnahme Paduas 1405 von F. Bassano, ein Queroval im soffitto über der Eingangswand. Unterhalb der Decke wird die Galerie der Dogenportraits fortgesetzt. An den Wänden hängen weitere Historienbilder, unter ihnen eine riesige Darstellung der Seeschlacht von Lepanto 1571 von A. Vicentino und an der gleichen Wand gleich neben dem Eingang die Einnahme von Zara 1346 von J. Tintoretto mit höchst eindrucksvoller Komposition und dichter Darstellung des Kampfgeschehens. An der Schmalseite über dem Tribunal ist das Jüngste Gericht des jüngeren Palma zu sehen, der im Wettbewerb um den Platz im vorangehenden Saal, den heute das Paradies Tintorettos einnimmt, unterlegen war. In der Bildkomposition lehnt sich Palma deutlich an Tintoretto an. Früher, so heißt es, sei hier einmal ein Gemälde Tintorettos mit gleichem Thema zu sehen gewesen, das 1577 jedoch verbrannt sei.
Zu der Entstehung dieses verlorenen Gemäldes gibt es eine kleine Geschichte. Tintoretto habe nämlich eines Tages, als er an dem Bild mit der für ihn typischen Schnelligkeit arbeitete, Besuch von einigen Senatoren und anderen Würdenträgern bekommen, die ihm eine Zeitlang bei der Arbeit zuschauten. Sie meinten schließlich, dass andere Maler wie zum Beispiel Bellini bedächtiger und akkurater in ihrer Maltechnik gewesen seien. „Das mag durchaus sein“, soll Tintoretto geantwortet haben, „aber diese anderen Künstler hatten auch keine solchen lästigen Typen zwischen den Beinen gehabt, wie ich jetzt.“ So habe er gesprochen und dann noch schneller weitergemalt als zuvor.
An der gegenüberliegenden (westlichen) Schmalseite findet sich ein eigenartiges Monument, ein Triumphbogen, den der Senat für Francesco Morosini, den Peloponnesiaco, als Dank für die Wiedergewinnung der Peloponnes 1694 errichten ließ (möglicherweise nach Plänen von A. Tirali). Das Auftauchen eines persönlichen Ehrenmonuments im Dogenpalast ist etwas Einzigartiges. Bis dahin stand die einzelne Persönlichkeit nie im Zentrum von Darstellungen, sondern hatte nur dienenden Charakter vor San Marco, seinem Löwen oder vor Venezia, also vor den Symbolen der Republik.
Man kehrt durch die Sala del Maggior Consiglio zurück, passiert den Raum für die Quarantia criminale (Gerichtshof für Strafprozesse) und erreicht anschließend den Corridoio, eine breite Galerie, die sich nach links zum Innenhof des Palastes öffnet. An ihm sind zwei Räume gelegen, in denen eine kleine Galerie mit Gemälden des Niederländers Hieronymus Bosch (ca. 1450–1516) eingerichtet ist. Diese Bilder stellen für den Venedigbesucher eine ziemliche Überraschung dar, da keine Verbindungen mit der venezianischen Kunst erkennbar sind. „Alle Bilder zeigen die für H. Bosch charakteristische